Ingo Schulze & André Skora (Hrsg.): Voll Dampf: Fiktionale Steamgeschichten (Buch)

Ingo Schulze & André Skora (Hrsg.)
Voll Dampf: Fiktionale Steamgeschichten
Titelillustration von Christian Günther
Amrun, 2014, Paperback, 190 Seiten, 11,90 EUR, ISBN 978-3-944729-15-2 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Steampunk ist out.

Hoppla, da hörten wir doch noch vor Kurzem ganz anderes. Vor nur ein paar wenigen Jahren raunte man sich in den engen Gängen auf der Frankfurter Buchmesse zu, dass Steampunk das nächste große Ding sei. Jeder Verlag, der etwas auf sein Renommee hielt, musste schnellstmöglich entsprechende Titel in seinem Programm präsentieren. Allein, der wirtschaftliche Erfolg blieb, zumindest hierzulande, leider aus. So wurden die entsprechenden Serien schnell wieder den Marktzwängen folgend aus dem Programm gekippt, man suchte lieber einmal wieder den nächsten Harry Potter oder „Biss“-Erfolg.

An dieser Stelle kommen die Kleinverlage ins Bild. Voller Elan stießen sie in die Lücke, präsentieren dem Fan des dampfbetrieben, phantastischen Abenteuers entsprechenden Lesenachschub der interessanten Art.

Mit vorliegender Anthologie reiht sich auch der gerade in letzter Zeit recht umtriebige Amrun Verlag in die Reihe ein. Dass man dabei gleich verlegerisch volles Risiko fährt und statt eines Romans eine Anthologie präsentiert, beweist, dass man beim Verlag von den Preziosen, die man dem Leser offeriert, überzeugt ist.

Und wirklich legen die Autoren in den neun Beiträgen einen abwechslungsreichen Strauß intelligenter, aufwühlender, spannender und packender Abenteuer vor. Mit Ausnahme von Matthias Falke, der seinem Faible für die Zukunft treu bleibt, erwartet den Leser dann das, was er gemeinhin mit Steampunk verbindet. Dampfbetriebene phantastische Erfindungen, jede Menge Konflikte und faszinierende Abenteuer satt.

Besonders gepackt hat mich dabei der Beitrag von Frank Hebben. Er nimmt sich des Themas auf ganz eigene Art und Weise an, berichtet uns einmal nicht voller Begeisterung von den Errungenschaften der Erfinder, von dampfgeführten Kriegen und Expeditionen, sondern nutzt seine Erzählung dazu, uns auch von den negativen Seiten der permanent und billig verfügbaren Energie zu berichten und zu warnen. In eindrucksvollen Bildern zeigt er uns Menschen, die sich ganz auf ihre künstlichen Gliedmaßen verlassen haben und, von diesen im Stich gelassen, hilflos vor sich hin vegetieren. Das ist ungewöhnlich und eindrucksvoll und ragt damit aus den sonst durchweg guten Abenteuer-Novellen heraus.

Um was geht es im Einzelnen?

Thorsten Küper entführt uns in „Valerius von Arbogast und sein fabelhaftes Krakun“ in das Jahr 1872. An Bord eines Luftschiffes auf dem Weg ins Polarmeer geschieht ein Mord. Charles Darwin ist nicht mehr, doch wer hat ihn umgebracht? Die Auflösung und der Täter erweisen sich als viel phantastischer, als gedacht – die Großen Alten lassen grüßen.

Frank Hebben spielt in „Schwarzfall“ mit dem Gedanken, was wäre, würde ein Unglück die Teslaspule, die allein unsere künstlichen Gliedmaßen, die Maschinen und Menschen antreiben, ausfallen – das Sterben kann beginnen…

Matthias Falke entführt uns dagegen in „Die spektakuläre und heldenmütige Entführung der originalgetreuen Lokomotive Emma“ in die Zukunft. Auch hier, mitten in einem hermetisch abgesperrten Objekt, gibt es etwas, das mit Dampf betrieben wird – und das als Hilfsmittel dient, um das mühsam erworbene Wissen um die Geheimnisse von XR3 nach außen zu bringen.

André Wiesler entführt uns in „Mach mal Dampf“ in den großen Vaterländischen Krieg. Allerdings hat der Erzfeind Frankreich mit seinen gigantischen, dampfbetriebenen Kriegsmaschinen den Sieg fast schon in der Tasche – ein verzweifelter Einsatz einer Spezial-Abteilung soll das Blatt wenden.

Peter Hohmann entführt uns ins Großpreußische Reich. In „Träum weiter“ berichtet er uns aus Sicht eines Reporters von der Indienststellung des neuesten Luftschiffes seiner Majestät Luftflotte – der „Zweihunderneunundzwanzig“. Der Leviathan ist mit allem ausgestattet, was die Forschung zu bieten hat und bricht auf, den Rebellen einen entscheidenden Schlag zu versetzen – sehr zur Überraschung der Militärs und unseres Journalisten aber haben die Rebellen ganz andere Pläne.

In Marco Ansingas „Volldampf zu den Sternen“ tanzt ein tollkühner Reporter im Tesla-Kanonengewitter der Mechanisten einen Tango de la muerte um zu verhindern, dass die die Anarchisten ihre Pläne durchführen – doch damit gerät er selbst in Lebensgefahr.

Achim Zien stellt uns in „Ein Gott über den Wolken“ eine motorische Vollpanzerrüstung vor, mit deren Hilfe ein Naturvolk endgültig unterjocht werden soll.

Jan-Tobias Kitzel nimmt uns mit nach London. In „Blechschicksal“ berichtet er von einem feigen Mordanschlag mittels dampfbetriebener Lebewesen auf eine reiche Fabrikbesitzerin. Doch warum trachtet der Dame ein Unbekannter nach dem Leben, und dies mit ungewöhnlich ausgereiften Maschinen? Ein ganz besonderer Detektiv macht sich an die Aufklärung des Verbrechens.

In Peer Biebers „Natürliche Auslese“ begleiten wir schließlich eine schottische Antarktis-Expedition auf ihrem Weg gen Süden. In der spanischen Kronkolonie kommt es zum Aufeinandertreffen der Schotten mit den streng gläubigen Südländern – ein Aufeinandertreffen der eher explosiven Art.