Black Orchid (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 12. Juli 2009 01:00
Black Orchid
(Black Orchid 1 – 3)
Aus dem Amerikanischen von Gerlinde Althoff
Autor: Neil Gaiman
Titelillustration und Zeichnungen von Dave McKean
Panini, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 164 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86607-788-1
Von Frank Drehmel
Ein Konferenzraum. Ein Mann referiert über Gewinne aus illegalen Transaktionen. Auf einem Stuhl eine gefesselte Frau. Ein Kopfschuss, ein Feuer. Blumensamen treiben durch die Nacht.
Eine nackte, violette Frau betritt das Zimmer, in dem der Wissenschaftler Dr. Philip Sylvian seinen Feierabend genießt. Er scheint sie zu kennen, ihr jedoch fehlt jegliche Erinnerung an ein früheres Leben. Bevor Sylvian der jungen Frau die Geheimnisse ihrer Existenz enthüllen kann, findet der alte Mann den Tod, nachdem ihn ein gewisser Carl Thorne, welcher ebenfalls auf einer Reise in seine Vergangenheit ist, den Schergen Lex Luthors ausgeliefert hat.
Auf sich allein gestellt mach sich die Frau daran, ihr Leben, ihre Erinnerungen wieder zu erlangen, wobei sie während ihrer Suche Batman, Poison Ivy und Swamp Thing und anderen begegnet.
Und als sie schließlich ihren Frieden gefunden zu haben glaubt, stehen Lex Luthors Handlanger vor ihr, um das endgültig abzuschließen, was sie Konferenzraum augenscheinlich nicht beenden konnten.
Vor 1988, dem Jahr als die im vorliegenden Tradepaperback zusammengefasste Mini-Serie bei DC erschien – und damit fünf Jahre bevor der Verlag das Vertigo-Imprint, unter welchen die zweite »Black Orchid«-Reihe veröffentlicht wurde, aus der Taufe hob –, gehörte die Schwarze Orchidee trotz einiger Cameo-Auftritte zu jenen Helden des DC-Pantheons, für die das Wort »unbedeutend« noch schmeichelhaft gewesen wäre.
Dann jedoch, 1988, nahmen sich zwei begnadete Comic-Schaffende – der Autor und Szenarist Neil Gaiman sowie der Künstler Dave McKean –, welche damals, obgleich am Anfang ihrer beider Karrieren stehend, schon auf eine gemeinsame Zusammenarbeit an der Comic-Serie »Violent Cases« zurückblicken konnten, der Figur an und versuchten, ihr in einer dreiteiligen Mini-Serie florales Leben einzuhauchen.
Obwohl diese Serie damals sowohl erzählerisch als auch künstlerisch ungewohntes Terrain beschritt und einst – wie heute – von der Kritik mehrheitlich beklatscht wurde, handelt es sich nach meinem Dafürhalten um eines der schwächsten Comic-Projekte Neil Gaimans, während Dave McKean ein gewohnt gutes, sehr dekoratives und lebendiges sowie atmosphärisch stimmiges Artwork abliefert, in welchem sich die beiden unterschiedlichen Pole der Geschichte – Gewalt und Gewaltlosigkeit – vor allem in der Koloration widerspiegeln.
Der malerische, zuweilen etwas unübersichtliche, zwischen verwaschenem Fotorealismus und expressionistischen, surrealen Farb-Emotionen spielende Stil des Künstlers präsentiert dem Lesers ein ums andere Mal interessante Perspektiven und Eye-Catcher; dennoch vermag die ansprechende Visualisierung nicht über die Längen innerhalb der Story hinwegzutäuschen.
Zunächst einmal ist der Ansatz, ein Comic mit dem Tod einer Superheldin beginnen zu lassen, ebenso unkonventionell wie der Verzicht auf Rachephantasien, Bestrafungsideologien und blutige Gewalt seitens der späteren Hauptprotagonistin. Doch unkonventionell ist nicht mit unterhaltsam gleichzusetzen.
Die Identitätssuche der Black Orchid, das schrittweise Zurückgehen in eine unbekannte Vergangenheit erweist sich als trockene, zuweilen esoterisch verquaste, mit vordergründigen Botschaften garnierte Reise zu einigen zentralen Figuren des DC-Universums (Lex Luthor, Batman, Swamp Thing oder Poison Ivy), die nur wenig mit Gaimans lustvoll verspielter, überbordender, intellektuell unterfütterter Phantasie bzw. Fantasy, welche in späteren Werken – Romanen wie Comics – quasi zu einem Markenzeichen des Autors werden sollte, gemein hat.
Zugleich ist das Comic weit davon entfernt, Genre-Maßstäbe in Hinblick auf Gewaltlosigkeit zu setzen, da Gaimans Story die Radikalität beziehungswiese Konsequenz fehlt. Anstatt dem nach Blut lechzenden (amerikanischen) Fandom eine deutliche Absage zu erteilen und dessen Voyeurismus vollkommen unbefriedigt zu lassen, verlagert der Autor die Brutalität lediglich auf die Seite der Antagonisten bzw. in den zweiten Handlungsstrang um Carl Thorne, ohne dass dabei aus der Konfrontation beider Ebenen eine signifikante Spannung erwächst. Erst zum Ende hin lässt Gaiman beide Lebensentwürfe unmittelbar bzw. gewalttätig aufeinander prallen und löst den Konflikt einerseits überraschend unkonventionell, andererseits aber auch moralinsauer platt.
Fazit: Eine von Gaimans schwachen Comic-Geschichten, bei der Funke partout nicht überspringen will. Wegen des dekorativen Artworks McKeans dennoch – mit einem zugedrückten Auge – empfehlenswert.