Ein Abenteuer in Raum und Zeit – Die Geschichte von Doctor Who beginnt genau hier (DVD)

Ein Abenteuer in Raum und Zeit – Die Geschichte von Doctor Who beginnt genau hier
GB 2013, Regie: Terry McDonough, mit David Bradley, Jessica Rain, Brian Cox u.a.

Von Christel Scheja

Laut dem „Guinness Buch der Rekorde“ ist „Doctor Who“ die am längsten laufende Science-Fiction-Serie der Welt. Auch wenn es zwischen 1989 und 2005 eine längere Pause gab, nur durch ein TV-Movie unterbrochen, so ist das Interesse der Fans doch nie wirklich erloschen. 2013, zum 50. Jubiläum der Serie, beschloss man sie daher nicht nur mit besonderen Folgen zur Serie zu feiern, die BBC produzierte auch einen Fernsehfilm, der über die realen Anfänge der Serie berichtet, den mit Schwierigkeiten behafteten Start eines Kults.

1963 steht Sydney Newman, neuer Leiter des Ressorts Drama in der BBC, vor einer großen Herausforderung. Es gilt, eine halbstündige Lücke zwischen dem samstäglichen Nachmittag- und Abend-Block zu füllen, der sowohl Kinder als auch Erwachsene fesselt. Er kommt auf die Idee, Science Fiction zu produzieren – aber keine Geschichten, die das Publikum bereits kennt, also ohne glubschäugige Monster und Roboter. Ihn schert es wenig, was der Rest der BBC-Chefs denkt, als er als Produzenten der neuen Serie eine Frau bestimmt. Verity Lambert, mit der er schon zusammengearbeitet hat, scheint ihm genau die Richtige dafür zu sein, den alteingesessenen Herren in den anderen Departments Feuer unter dem Hintern zu machen und ihre Interessen durchzusetzen.

Zusammen mit dem noch unerfahrenen aber wagemutigen, indischstämmigen Regisseur Waris Hussein übernimmt sie die schwere Aufgabe und hat mit so manchem Problem zu kämpfen, sei es nun mit zu kleinen und unzureichend ausgestatteten Studios oder Designern, die ihre Wünsche immer hinten an schieben, bis sie ihnen die Pistole auf die Brust setzt.

Die Suche nach einem Hauptdarsteller gestaltet sich zunächst schwierig, denn William Hartnell ist auch noch nicht so ganz überzeugt von der ganzen Sache, will er doch nicht noch mehr in eine bestimmte Schiene gedrängt werden und hat er das Gefühl, es könnte auch hier passieren, wenn er sich das Skript so ansieht.

Auch die Ausstrahlung der ersten Folge steht unter einem dunklen Stern, denn am Tag nach dem Attentat auf John F. Kennedy haben die Zuschauer anderes im Kopf, als sich einem neuen Programm zu öffnen. Die Quoten sind zwar passabel, aber nicht hoch genug, um weitere Folgen zu rechtfertigen, so dass die Serie schon nach diesen ersten Episoden vor der Einstellung steht. Doch Verity gibt nicht auf und kämpft für „Doctor Who“, sieht sie doch das große Potential der Geschichte. Und ihre Leidenschaft zahlt sich aus, denn mit der Geschichte um die Daleks, die für Sydney Newman zunächst auch nur weitere Monster sind, bricht sie Zuschauerrekorde und gewinnt eine Nation für sich.

Aber die Geschichte von Doctor Who ist auch die des Hauptdarstellers William Hartnell. Ist dieser zunächst noch skeptisch und jederzeit bereit, wieder abzuspringen, so beginnt er sich doch nach und nach in die Rolle einzuleben, als Verity Lambert und die Drehbuch-Autoren seinen Rat annehmen und ihn mehr in die Gestaltung der Figur einbinden. Und bald kann er sich gar nicht mehr vorstellen, die Rolle abzugeben…

„Ein Abenteuer in Raum und Zeit“ beschäftigt sich mit den ersten drei Jahren von „DoVtor Who“ und arbeitet akribisch die vielen Informationen und Anekdoten ein, die Cast und Crew über die Jahre in Interviews preisgegeben haben, was vor allem für die Fans spannend sein dürfte, die die Serie auf DVD verfolgt haben.

Aber das ist nicht das Einzige, was das nach Tatsachen entstandene Fernsehspiel so besonders macht. Die Geschichte nähert sich mit viel Atmosphäre der Welt, in der die Serie entstanden ist, beginnt mit einem Blick in die verkrusteten Strukturen der BBC; in denen Tradition noch hochgehalten wird und innovative Gedanken eher zu einem Kopfschütteln als Zustimmung führeen.

Männer wie Sydney Newman waren die Initialzünder für Veränderungen – der erfahrene Medienmensch wagt den Versuch, nicht nur eine Science-Fiction-Serie zu starten, die mit gängigen Klischees zu brechen versucht, sondern auch eine Frau die Verantwortung für die Produktion übergibt; etwas, das in dieser Zeit völlig ungewohnt war.

Wie Perlen an eine Kette reihen sich auch die Szenen aneinander, die die Entwicklung und Produktion der ersten Folgen zeigen.

Nach Verity Lambert rückt dann sehr schnell William Hartnell in den Mittelpunkt der Geschichte, dem Schauspieler, der es müde ist, immer nur für bärbeißige Sergeanten gecastet zu werden und sich zunächst in seiner Rolle nicht wohlfühlt, dann aber langsam in sie hineinwächst und zum Mittelpunkt der Produktion wird. Feinfühlig und pointiert zeichnet der Film seine Liebe zur Rolle nach und den tragische Moment, in dem deutlich wird, dass er den strenge Drehplan nicht länger wird einhalten können, weil seine Gesundheit nicht länger mitspielt. Um die Serie nicht sterben zu lassen, kommen die Macher genau auf die Idee, die den Kult nicht sterben lassen wird – die „Regeneration“ der Hauptfigur in einen anderen Darsteller.

Es sind kleine aber feine und auf die Figuren konzentrierte Szenen, die in den Bann schlagen, die Bindungen und Freundschaften, die durch die Serie entstehen und die Erfüllung, die gerade der Hauptdarsteller dadurch findet – was man vor allem bei seinem Verhältnis gegenüber Kindern merkt.

David Bradley, wie auch die anderen Darsteller, gehen dabei in ihren Rollen regelrecht auf und liefern eine gelungene, glaubwürdige Performance, bei der man vergisst, dass sie die Personen eigentlich nur verkörpern. Damit fängt der Fernsehfilm auch ein Stück Zeitgeschichte ein, atmosphärisch dicht und emotional mitreißend, taucht man so in die frühen 60er ein und versteht so vielleicht besser, wer und was die Grundlagen für einen Fernsehkult wie diesen gelegt haben. Daher lohnt es sich auch für Nicht-Fans, einen Blick zu riskieren.

Deutsche Fernsehzuschauer wären vermutlich nicht in den Genuss des Fernsehfilms gekommen, wenn sich nicht Polyband selbst dazu entschlossen hätte, ihn synchronisieren und auf DVD herausgeben zu lassen, wohlwissend, dass der Presserummel zum Jubiläum die Zahl der Fans vermutlich erhöht hat.

Die Übersetzung der Dialoge ins Deutsche ist ausgezeichnet, auch die Sprecher wurden passend ausgewählt, so dass nichts an der DVD- und BD-Premiere auszusetzen ist. Auch das Bonusmaterial kann sich sehen lassen, entspricht es doch exakt dem der britischen Version und gibt kleine Einblicke in die reale Entstehungsgeschichte der Saga.

„Ein Abenteuer in Raum und Zeit“ gehört eigentlich in die Sammlung jedes „Doctor Who“-Fans, auch wenn er oder sie bisher nur die ab 2005 gestartete Fortführung des Kultes kennen, denn der Film erzählt mit intensiven Bildern, augenzwinkerndem Humor und warmherzigen Momenten, wie ein Kult seine Anfänge nahm und was seinen so lang andauernden Erfolg begründete: die Leidenschaft der Macher und Darsteller und Geschichten, die den Balance-Akt zwischen Kommerz und Innovation mit Bravour meisterten und meistern. Aber auch Nicht-Fans können sich von der spannenden Zeitreise begeistern lassen, wenn sie sich mehr über die Arbeit in den Filmstudios der frühen Fernsehjahre informieren lassen und von der eindringlichen Entwicklung der Charaktere einfangen lassen wollen.

DVD-Facts:
Bild: 1,78:1 (16:9)
Ton: deutsch Dolby Digital 5.1, englisch Dolby Digital 5.1
Untertitel: deutsch, englisch

DVD-Extras:
Making Of, Deleted Scenes etc.