Phase X – Das Magazin für Phantastik 8 (Magazin)

Phase X – Das Magazin für Phantastik 8
Chefredaktion: Christoph Weidler
Titelbild: Chris Schlicht
Atlantis, 2011, Paperback, 124 Seiten, 6,90 EUR, ISBN 978-3-941258-91-4

Von Armin Möhle

Was macht „Phantastische Ermittler“ aus?! Die Frage versucht die achte „Phase X“-Ausgabe zu beantworten. „Von der Phantastik über die Detektivgeschichte zum phantastischen Ermittler“ spannt Ingo Gatzer in seinem Leitartikel den Bogen: ein historischer Abriss bis hin zu den Eigenschaften, die eine Welt aufweisen muss, in der ein „phantastischer Ermittler“ agiert. Und das kann durchaus die Realwelt sein. In den weiteren Beiträgen werden phantastische Ermittler in Buch, Comic und Film vorgestellt.

Ein (geringfügiger) Schwerpunkt bildet sich am Ende der Ausgabe mit den Beiträgen über den Autor Simon R. Green heraus. Zunächst stellt Carsten Kuhr die „Nightside“-Bände (Feder & Schwert) und andere Romane des Autors vor: Die Nightside ist ein Viertel Londons, das auf gewöhnlichem Weg nicht zugänglich ist und von Geistern, Dämonen und anderen Wesen bevölkert wird, die nicht von unserer Welt sind, und in der der Protagonist als Privatdetektiv unterwegs ist. „Ein Abstecher nach Nightside“ besteht aus sehr viel Inhaltsangaben und ein wenig Lobgehudel. Ob das genügt, um den unbedarften Leser die Faszination dieser Bücher zu vermitteln…?!

Das Interview mit Simon R. Green führte ebenfalls Carsten Kuhr. Es ist ein ausführliches Gespräch, in dem es um die Entwicklung Greens als Autor, um seine Arbeit und um seine Projekte geht – und das erste Interview, das der Autor für eine deutschsprachige Publikation gab. Nicht nur für Leser, die die Romane Greens kennen und schätzen, enthält das Interview viele Informationen. Die Rezension über die Hörbuchversion des ersten „Nightside“-Romans von Ingo Gatzer ist zwar auch positiv, weist aber ein größeres Maß von Auseinandersetzung mit dem Stoff als in dem Artikel von Carsten Kuhr auf und rundet den Simon-Schwerpunkt ab.

Von Carsten Kuhr stammt auch der Beitrag „Von straffälligen Vampiren, erbosten Engeln und dem Buch der Wahrheiten!“, in dem es um die Romane und Zyklen der US-amerikanischen Autorin Kim Harrison geht. Ihre Hauptfigur ist die Hexe Rachel Morgan, in deren Welt die Menschen von einem Virus größtenteils dahingerafft wurden und Platz für Werwölfe, Magier und so weiter machten. Sowohl die (restlichen) Menschen als auch die magisch Begabten unterhalten eigene Polizeiorganisationen. In diesem Artikel verwendet Carsten Kuhr erheblich mehr Mühe darauf, die Welt der Autorin darzustellen. Das Interview mit Kim Harrsion führte gleichfalls Carsten Kuhr; auch die Autorin antwortet sehr ausführlich. Die Themen, die während des Gesprächs angeschnitten werden, sind etwa dieselben wie im dem Interview mit Simon Green. Naheliegenderweise, zugegeben.

In abgewandelten Realwelten, in denen auch magisch begabte Wesen zu Hause sind, lassen Charlie Huston und Jim Butcher ihre Detektive ebenfalls agieren. „Zwei urbane Ermittler im Vergleich“ stellt Markus Mäurer vor. Christel Scheja zeigt in „Blood Ties – Ein Ermittler-Trio auf übernatürlichen Pfaden“ die Unterschiede zwischen den Romanen der „Blood Ties“-Serie von Tanya Huff (Lyx und Feder & Schwert) und ihrer Serienverfilmung auf. Auch diese Bücher gehören zu denen, die in der Realwelt angesiedelt sind und in die das Übersinnliche eindringt. Christel Scheja berichtet freilich auch „Von Elbenschlächtern und Orksammlern“, zwei kriminalistischen Fantasy-Romanen des Autorenduos Jens Lossau und Jens Schumacher.

Christian Montillon erzählt in dem Interview mit Michael Schmidt von seinen Autorenerfahrungen in diversen Horrorheftromanreihen mit kriminalistischem Einschlag. Knapp gibt sich Helmut Rellergerd alias Jason Dark, der Autor der „John Sinclair“-Serie, in dem kurzen Interview mit Michael Schmidt. Letzterer gibt im Anschluss einen Überblick über „Die phantastischen Ermittler der Heftromanszene.“

Oliver Kotowski ordnet „Hellboy zwischen Comic und Film Noir“ ein. Einer differenzierten Darstellung von Stil und Inhalt des Film Noir folgt die Betrachtung der „Hellboy“-Comics (und des Films) und das Resümee, das zwischen beiden kein sehr großer Zusammenhang besteht… Nun, es ist natürlich nur eine Spekulation, dass der Autor hier zwei seiner Lieblingsthemen miteinander verbinden wollte.

Ralf Steinberg stellt mit „Skulduggery Pleasant – Ein Mann für die Knochenjobs“ einen ungewöhnlichen fantastischen Detektiv vor: ein Skelett. Die Romane von Derek Landy (Loewe) sind als Jugendbücher konzipiert. Ralf Steinberg analysiert sie sehr gründlich und stellt die Frage, ob die „Skulduggery“-Bücher trotz einiger zwiespältiger Handlungselemente noch als Jugend-Literatur anzusehen sind. Nun, wenn man ihnen „Die Tribute von Panem“ gegenüberstellt, dann kann man nur sagen: in jedem Fall!

Ignoriert „Phase X“ 8 etwa phantastische Ermittler in der Science Fiction…?! Nein, natürlich nicht. Holger M. Pohl schreibt über Dominic Flandry, den „Agent im Dienst der Erde“ von Poul Anderson (Bastei Lübbe), sicherlich keine sehr ambitionierte Lektüre, was Holger auch keineswegs verschweigt. Mit „Magnus Ridolph – der Problemlöser“, porträtiert von Achim Hildebrand, hat Jack Vance sicherlich einen anspruchsvolleren Detektiv der Zukunft kreiert. Gar nicht so weit in die Zukunft greift die Hörspielreihe „Jonas – der letzte Detektiv“ von Michael Koser hinaus, mit der sich Ralf Steinberg beschäftigt. Chronologisch spielt die Serie bereits wenige Jahre in der Vergangenheit und in einer Welt, deren Ökologie zerstört, und die korrupt und raffgierig ist.

Es überrascht etwas, in der Ausgabe auch einen Artikel von Ralf Steinberg über die Kriminalgeschichten von Edgar Allen Poe vorzufinden: „Detektiv Auguste Dupin – Die Renaissance der Ermittlung.“ Die Bedeutung Poes auch für die Kriminalliteratur ist unbestritten, aber fantastisch sind seine einschlägigen Stories nun einmal nicht.

Die Story „Angelus“ von Nina Allan enttäuscht. In einem Themenband über „Phantastische Ermittler“ lässt sich eine entsprechende Kurzgeschichte erwarten, doch „Angelus“ ist das nicht. Es geht um ein Wiedersehen, um enttäuschte Liebe und Hoffnungen, um Intrigen, und das durchaus stimmungsvoll beschrieben. Aber kriminalistisch ist das nicht. Die Redaktion hätte den Platz der Story besser für weitere Artikel nutzen sollen: So vermisst man Lord Darcy von Randell Garrett (Bastei Lübbe), die „Stahlratte“ von Harry Harrsion (Heyne), Timothy Truckle von Gerd Prokop (Das Neue Berlin) und die „Wächter“ von Sergej Lukianenko (Heyne), (auch wenn es sich nicht in jedem Fall ausschließlich um klassische Detektive handelt).

Dieser Einwand ist zugebenermaßen übertrieben. „Phase X“ 8 bietet einen sehr umfangreichen und überwiegend kompetenten Einblick in die Welten phantastischer Ermittler. Es erstaunt, auf wie viele einschlägige Bücher, Zyklen, Filme und Hörspiele die Autorinnen und Autoren gestoßen sind. Dass ich es persönlich bedauere, dass die phantastischen Ermittler der Science Fiction offenbar in der Minderheit sind, schmälert den insgesamt positiven Gesamteindruck von „Phase X“ 8 nicht.