Locke & Key 6: Alpha & Omega (Comic)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 05. Juli 2014 09:57
Joe Hill
Locke & Key 6
Alpha & Omega
Aus dem Amerikanischen von Reinhard Schweizer
Titelillustration und Zeichnungen von Gabriel Rodriguez
Panini, 2014, Paperback, 204 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-86201-540-5
Von Christel Scheja
Sechs umfangreiche Graphic Novels umfasst die Serie von Joe Hill und Joe Rodriguez, in der der Sohn von Stephen King sich erfolgreich im bevorzugten Genres seines Vaters bewegt und dabei eigene Spuren hinterlässt, die sich sehen lassen können. Mit einer Umsetzung der Comics in eine Fernsehserie hat es zwar leider dann doch nicht geklappt, dafür findet „Locke und Key“ aber nun einen stimmungsvollen Abschluss und fährt dabei noch einmal die ganze dahintersteckende Mythologie auf.
Nachdem ein gefährlicher Serienkiller ihren Vater ermordet hat, ziehen Bode, Kinsey und Tyler zusammen mit ihrer Mutter in das alte Haus der Familie im verschlafenen Örtchen Lovecraft, in der sich bisher nur ein Onkel aufgehalten hat. Schon bald finden die Kinder heraus, warum ihre Eltern eigentlich von hier geflohen sind, vor allem Bode lässt sich auf die Magie des verwunschenen alten Hauses ein. Ein von einem Geist bewohnter alter Brunnen, Türen, die ins Nichts oder in die Geisterwelt führen und verborgene Schlüssel, die ein Tor in den Kopf anderer Menschen öffnen und eine Menge mehr Schaden anrichten können, bestimmen von nun an ihr Leben.
Auch wenn es die Älteren zunächst nicht wahrhaben wollen, so müssen sie doch schließlich kapitulieren und selbst aktiv werden, wenn sie überleben wollen, nachdem sie ihre ersten Erfahrungen gemacht haben. Denn mit ihrer Ankunft haben sie auch die Schatten der Vergangenheit geweckt und Lucas Carravagio auf den Plan gerufen, der schon vor vielen Jahren in Besitz der Schlüssel kommen wollte, um seine Wünsche und Ideen in die Wirklichkeit umzusetzen.
Die Geschwister wehren sich, ahnen aber nicht, dass es Lucas schließlich gelingt, Bode aus seinem Körper zu stoßen und diesen zu übernehmen. Tyler und Kinsey haben nämlich andere Sorgen. der Abschluss des Schuljahres nähert sich, der Ärger mit den offensichtlichen Feinden geht in eine weitere Runde – und das Grauen nimmt seinen Lauf, als über hundert Schüler glauben, in den Höhlen am Meer eine Party feiern zu können, ohne zu ahnen, dass die Macht der Schlüssel und der Türen des alten Hauses in Lovecraft auch sie erfassen wird.
Schon im letzten Band deutete sich an, dass die Aufgabe für die Geschwister nicht leicht zu lösen sein würde, da ausgerechnet Bode, der sich den Geheimnissen am Weitesten geöffnet hatte, zum Opfer geworden ist und verloren scheint. Zwar versucht er auch als Geist noch seinen Geschwistern beizustehen, aber seine Möglichkeiten sind begrenzt, da er an den alten Brunnen gebunden ist und nicht so einfach befreit werden kann.
Die Geschichte zieht nun weitere Kreise, die Schlüssel entfesseln in Lucas’ Händen ihre zerstörerische Macht, allerdings anders, als er gedacht hat, denn irgendwann ist der Punkt überschritten, an dem er sie selbst noch beherrschen kann. Hier schöpfen Autor und Künstler aus dem Vollen und zaubern eine intensive dunkle Atmosphäre, die nicht ohne Grund an das Grauen erinnert, dass H. P. Lovecraft so gerne geschildert hat.
Die Menschen scheinen auf verlorenem Posten zu stehen, ahnen doch nur wenige das volle Ausmaß des Schreckens – und sie sind schon mitten in der Auseinandersetzung. Der Rest darf noch Momente kurzen Glücks genießen; die Jugend kommt während des Abschlussballs zu seinem Recht – der übrigens auch eine Hommage an Stephen King beinhaltet, ehe es dann ganz übel wird.
Horror und Action kommen so auch noch einmal zu ihrem Recht, gerade bei den Szenen in den Höhlen geht es heftig zu. Aber die Mythologie wird nun enger verwoben, scheinbar unabhängige Ereignisse aus der Vergangenheit ergeben plötzlich Sinn und zeigen, wie gut die Geschichte durchdacht wurde.
Am Ende darf sich dann auch endlich der Kreis schließen. Helden und Schurken bekommen das, was sie verdienen, der Abschluss ist sogar ungewohnt licht. Aber man gönnt es den Helden nach all dem, was sie durchgemacht haben.
Auch die Figuren dürfen sich in diesem Abschlussband noch einmal weiter entwickeln, vor allem Tyler ist nicht mehr länger der gutmütige und beschränkt wirkende Grobian – gerade er hat sich zur zentralen Figur der Geschehnisse entwickelt.
Die Zeichnungen sind wie gewohnt von hoher Qualität und verlieren niemals an Ausdruck, auch die Farben wurden gut gewählt, um die Atmosphäre zu vertiefen.
Alles in allem überzeugt „Alpha & Omega“, der abschließende sechste Band von „Locke & Key“, noch einmal auf ganzer Linie. Stimmungsvoll und actionreich spielt Joe Hill nun auch die letzten Facetten seiner Mythologie aus und beweist auf den letzten Seiten, dass er die Geschichte gut durchdacht hat. Dazu kommt das hervorragende Artwork von Gabriel Rodriguez, das die Handlung noch eindrucksvoller macht und so besonderes Lesevergnügen schenkt, wenn man Lovecraft’schen Horror vermischt mit dem, was Joe Hill von seinem Vater gelernt hat, mag, und sich dennoch gerne überraschen lassen möchte, denn der Sohn tritt mit seiner Saga nun endgültig aus dem Schatten Stephen Kings heraus.