Richelle Mead: Blutschwur – Vampire Academy 4 (Buch)

Richelle Mead
Blutschwur
Vampire Academy 4
(Blood Promise)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michaela Link
Titelillustration von Ivan Mladenov
Lyx, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 444 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8204-2

Von Carsten Kuhr

Nachdem Rose Jahre damit verbracht hat, in St. Vladimir, dem Moroi- und Dhampir-Internat, zu trainieren und zu lernen, wie man die Moroi, die Vampire, beschützt, hat sie alles, wofür sie einst gekämpft hat, aufgegeben. Kurz vor ihrem Abschluss zum Leibwächter hat ein verheerender Angriff der Strigoi auf die Akademie nicht nur dafür gesorgt, dass das trügerische Gefühl der Sicherheit der Schüler nachhaltig gestört wurde, sondern auch, dass viele Lücken im Lehrkörper zu beklagen sind.

Unter den Opfern der Strigoi, der bösen Bluttrinker, war auch Roses Geliebter Dimitri. Unwillentlich zum Strigoi gewandelt und damit unrettbar verloren, hat dieser sich in seine Heimat abgesetzt. Obwohl
Rose für ihre Freundin Lissa, deren Leben sie eigentlich schützen soll, alles tun würde, kann sie nicht länger an der Seite der adeligen Moroi bleiben. Einst versprachen sie und Dimitri sich, dass, wenn einer von ihnen zum Strigoi gewandelt würde, der Andere ihn von seinem Leiden erlösen würde. So macht Rose sich auf, in der Heimat ihres Geliebten nach der Bestie, in die er verwandelt wurde, zu suchen.

Die Suche aber gestaltet sich als viel schwieriger als gedacht. Ohne ein Wort Russisch zu sprechen, versucht sie in Sankt Petersburg einen Hinweis auf die alte Heimat ihres Liebsten zu finden. Doch die Moroi und die sie beschützenden Dhampire lassen sich nicht aushorchen. Erst als sie auf eine junge Alchemistin trifft, erhält sie nähere Hinweise, die sie und die Alchimisten tief in die sibirische Taiga führen.
Hier findet sie bei Dimitris Familie herzliche Aufnahme. Schon überlegt sie, sich dauerhaft in der kleinen Dhampir-Gemeinde niederzulassen, doch ein zwielichtiger Moroi bedrängt sie, schüchtert sie ein und will sie mit allen Mitteln vertreiben. Da hat er sich aber die falsche Kämpferin ausgesucht, denn Zwang hat noch immer den Dickkopf in Rose geweckt.

Über Novisibirsk führt ihr Weg sie anschließend in die untoten Arme ihres Geliebten. Doch dieser sieht in ihr nicht länger die Liebe seines Lebens, sondern nur eine Trophäe, die er an seiner Seite sehen will. Er bedrängt sie, sich freiwillig den Kuss der untoten Existenz geben zu lassen und mit ihm zusammen in alle Ewigkeit über die Stigoi zu herrschen.

Währenddessen wird Lissa heimtückisch angegriffen. Nicht genug damit, sich des Drucks ihres untoten Lovers erwehren zu müssen, ist Rose nun auch über ihre magische Verbindung zu ihrer Seelenschwester Lissa gefordert, dieser beizustehen …

Nach drei Bänden, in denen wir der Autorin ins Vampir-Internat gefolgt sind, war das Potential der räumlich doch recht beschränkten Handlungsbühne ausgereizt, es drohten letztlich langweilige Wiederholungen. Während viele Autoren hier den einfachen Weg gegangen wären, sich selbst zu kopieren, und ihren Fans einen weiteren Aufguss derselben Grundthematik anzubieten, wagt sich Mead bildlich gesprochen aus ihrem abgegrenzten Refugium in die große weite Welt hinaus.

Ihre Gesellschaft der tageslichttauglichen Vampire – gut wie böse – sind eingeführt, die Leibwächtergarde portraitiert, die unterschiedlichen übernatürlichen Gaben aufgeführt, jetzt ist es an der Zeit, mehr ins Detail zu gehen und weitere Handlungsebenen sowie neue Ideen einfließen zu lassen.

Und der Umzug ins ländliche Sibirien tut ihr, wie ihrer Ich-Erzählerin, mehr als gut. Geschickt portraitiert sie die heile Familienidylle, das Heim, aus dem Dimitri stammt, führt mit den Alchemisten eine neue Gruppe ein, die um die Existenz der Bluttrinker und ihrer Bodyguards weiß, die selbst ungewöhnliche Fähigkeiten offenbaren. Und sie fügt der intriganten Welt der Vampirherrscherin und ihres Hofstaates mit dem mafiaähnlichen Moroi der Rose bedroht einen neuen, ungezügelteren und wilden Aspekt hinzu.

Standen in den bisherigen drei Bänden die Gefühle (besser: das Gefühlschaos) der jungen Vampire und ihrer Halbbrüder und Schwestern im Vordergrund, so nimmt der Plot dieses Mal eine neue Qualität an. Es geht um Trauer und Verlust, aber auch darum, Rätsel auch gegen entschiedenen Widerstand aufzudecken, sich durchzusetzen und den eigenen Platz in der Welt der Moroi und Dhampire zu finden. Und es geht darum zu entdecken, dass sie abhängig, ja süchtig, gemacht wurde und sich dann den Verlockungen der Pheromone zu entziehen.
Das wirkt dunkler, erwachsener als bislang, fasziniert aber gerade durch die dem Roman dieses Mal beigegebene Tiefe. Die Ereignisse haben unsere Protagonistin reifen lassen, und dies dokumentiert sich auch an ihrem Leid, an der Art und Weise, wie sie mit Verlust umgeht, wie sie den vermeintlich leichten Weg zurück an die Seite ihres Liebsten zu eilen gerade wegen des hohen Preises, den sie dafür bezahlen müsste, ablehnt.

Neben der deutlichen emotionalen Seite werden im Verlauf der Handlung auch Problembereiche wie Sucht, Verführung und Verantwortung thematisiert, dies aber so geschickt in eine mitreißende Handlung verpackt, dass sich diese wie von selbst liest. Die gebotene Mischung zwischen pubertären Gefühlschaos und rasanter Action, packender Kämpfe und glaubwürdigen Charakteren stimmt, und macht die Serie zwischenzeitlich auch für ältere Leser interessant.