Porterville – Staffel 1 (Folge 1-6) (Hörbuch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 08. Juni 2014 09:46
Ivar Leon Menger
Porterville – Staffel 1 (Folge 1-6)
Sprecher: Leyla Rohrbeck, Simon Jäger, Benjamin Völz, Charles Rettinghaus u.a.
Folgenreich, 2013, 2 mp3-CDs, ca. 645 Minuten, ca. 22,00 EUR
Von Irene Salzmann
„Porterville” ist die Fortsetzung der relativ in sich abgeschlossenen Mystery-Serie „Darkside Park“. Der Handlungsfaden wird einige Jahre später wieder aufgenommen, um neue Geheimnisse zu enthüllen. Für die Hörer von „Darkside Park“ gibt es ein Wiedersehen mit bekannten Charakteren, doch auch wer mit dieser Geschichte nicht vertraut ist, findet sich in „Porterville“ zurecht – soweit das möglich und von Ivar Leon Menger und seinem Autorenteam gewünscht ist.
Porterville ist eine hermetisch abgeriegelte Stadt: Keiner darf rein, keiner darf raus. Das Draußen gilt als tödlich und macht sich hin und wieder bemerkbar durch graue, kopflose Käfer, die Greybugs, die nach Erdbeben durch Spalten in die Stadt gelangen, bald auch durch andere Wesen. Die Menschen werden strengstens reglementiert, denn die Ressourcen sind knapp und müssen gerecht beziehungsweise nach einem speziellen Bezahlungssystem verteilt werden. Vor allem aber will Bürgermeister Takumi Sato, der durch eine Rebellion an die Macht gelangte und die Diktatur fortsetzt, die er vor Jahren ablöste, seine Position nicht gefährden. Wer Nachforschungen anstellt, die falschen Leute kennt und in irgendeiner Form auffällt, wird schwer bestraft. Aber die Unzufriedenen sind Ausnahmen, denn die Gehirnwäsche macht fast jeden zu einem perfekten, hörigen Bürger.
Emily Prey, die sich entgegen der Regel, nach der Ehepaare von den Behörden einander zugeführt werden, in Jonathan Sato, den Sohn des Bürgermeisters, verliebt hat, will zusammen mit ihrem Freund einen geheimen Weg nach draußen erforschen, was natürlich nicht unbemerkt bleibt. Man hat ein Auge auf das junge Mädchen, denn ihr Vater ist ein Weggenosse von Takumi Sato, und auch der Großvater weiß um Dinge, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen.
Im New York der nahen Zukunft, das ähnlich strikt kontrolliert wird, stoßen drei Studenten auf ein Dokument aus dem 16. Jahrhundert, das über eine mysteriöse Kolonie berichtet, die es damals nicht hätte geben dürfen, da die „Mayflower“ erst Jahre später Amerika erreichte. Heimlich gehen sie der Sache nach und müssen feststellen, dass jeder, der von ihnen involviert wird, auf die eine oder andere Weise verschwindet, und auch ihnen selber stoßen merkwürdige Dinge zu. Jetzt wollen sie erst recht das Rätsel lösen und werden in einem Sperrgebiet gefangen genommen.
Die zwei mp3-CDs beinhalten jeweils drei Folgen der ersten Staffel von „Porterville“. Jede von ihnen (außer den Teilen 3 und 6) wird von einem anderen Sprecher in einer inszenierten Lesung vorgetragen. Dabei wechseln sowohl Ort als auch Zeit und Hauptfigur/Perspektive. Dass es sich dabei keineswegs um chronologische Fortsetzungen handelt, merkt man schnell, und dann legt sich auch die erste Verwirrung wieder.
Das Geheimnis von Porterville wird langsam und aus unterschiedlichen Blickwinkeln geschildert, ist aber von einer Enthüllung aufgrund mangelnder Informationen weit entfernt. In einigen Fällen fragt man sich sogar, was diese Handlungsebene überhaupt mit Porterville und der laufenden Haupthandlung zu tun hat. Allerdings sollte man nicht den Fehler begehen, bei diesen Teilen weniger aufmerksam zu lauschen, denn auch sie stellen wichtige Puzzelstücke dar, und am Ende des Hörbuchs kann man vielleicht schon die eine oder andere Spekulation anstellen, was in jener Stadt und dem Draußen passiert und wie die Personen und Zeitebenen miteinander in Beziehung stehen.
Vom Hörer wird somit einiges an Geduld abverlangt, denn die Geschichte entwickelt sich zögerlich, steckt voller Details und soll gar nicht zu viel verraten. Müsste man „Porterville“ lesen, würde man womöglich erst den roten Faden und dann die Lust verlieren, weil nichts voranzugehen scheint. Die Lesung hilft, diese Hürden zu überwinden, was insbesondere der professionellen Arbeit der Vortragenden zu verdanken ist. Sie erfüllen die Figuren mit Leben, lassen den Hörer Anteil an deren Schicksal nehmen und machen neugierig, wie es für sie weitergeht – in den nächsten Folgen.
Es ist anzunehmen, dass sich Ivar Leon Menger von SF-Dystopien wie „1984“ und „Soylent Green“ gleichermaßen inspirieren ließ wie von der Geschichte/Realität, denn viele Vorgehensweisen erinnern an die Maßnahmen in zum Beispiel den Ländern ‚hinter dem eisernen Vorhang‘ sowie an die jüngsten Aufstände gegen totalitäte Machthaber, die den jeweiligen Völkern nur neue Diktatoren bescherten. Überdies wird eindringlich vor dem blinden Gehorsam gegenüber der Obrigkeit gewarnt, der die Entstehung solcher Strukturen begünstigt.
Die Gestaltung des Hörbuchs ist sehr gefällig. Aus dem Schuber zieht man das aufklappbare Digipack mit den beiden mp3-CDs. Sie bieten nahezu elf Stunden Hörgenuss und sind in viele Tracks unterteilt, sodass man bei einer Unterbrechung schnell zu der Stelle findet, an der es weitergeht. Ein achtseitiges Booklet ist beigefügt, das leider keine weiteren Informationen zu den Autoren, den Sprechern und der Serie an sich bietet.
Schuber, Digipack und Booklet sind gleichermaßen in düsterem Schwarz-Braun gehalten. Allein das leuchtende Gelb, das sich auch auf den CDs findet, setzt kleine Akzente. Abgebildet ist ein schwach beleuchteter Gang und eine vermummte Person, die entweder gleich auf den Betrachter zukommt/zurückkehrt oder ihren Weg fortsetzt/verschwindet. Es könnte jede der Hauptfiguren sein, da alle folgenreiche Entscheidungen treffen müssen, durch die sie entweder ein unwissender, gehorsamer Bestandteil des Systems bleiben oder sich durch Auflehnung in tödliche Gefahr bringen.
„Porterville“ ist eine spannende Dystopie für geduldige Hörer. Hat man erst einmal mit dem Hörbuch angefangen, muss man dabei bleiben, will man eine Antwort auf die vielen offenen Fragen erhalten.