Tanja Meurer: Der Rebell (Buch)

Tanja Meurer
Der Rebell
Schattengrenzen 2
Bookshouse, 2013, Taschenbuch, 520 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-9963-722-50-1 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

„Glasseelen“ war der Debüt-Roman von Tanja Meurer und der Auftakt ihrer Reihe „Schattengrenzen“. Das Buch führte die junge Camilla in eine geheimnisvolle Welt unterhalb der Straßen Berlins, in der seit vielen Generationen nicht nur Menschen, sondern auch ganz andere Wesen leben. Nun wird die Geschichte in „Der Rebell“ fortgesetzt, wechselt aber dafür nicht nur die Hauptfiguren, sondern auch den Schauplatz. Von Berlin geht es in das beschaulichere, aber nicht minder gefährliche Wiesbaden.

Oliver und seine Brüder Christian und Michael überleben nur knapp die grausame Bluttat ihres Vaters. Denn dieser stürzt sich plötzlich und ohne erkennbare Gründe auf seine Familie, tötet seine Frau und die Hälfte der Geschwister. Während die Elfjährigen „nur“ mit einem schweren Trauma davon kommen, springt Oliver dem Tod gerade noch einmal von der Schippe.

Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus kommt er wie seine Brüder zu dem einzigen noch lebenden Verwandten, dem über neunzig Jahre alten Großvater Walter, der dem sechzehnjährigen Jungen nicht nur exzentrisch erscheint, sondern auch gefährlich, denn er verbirgt etwas vor ihnen allen, weist Oliver vermutlich nicht ohne Grund so grob zurück. Als auf Christian dann auch noch ein Anschlag verübt wird, für den der alte Mann verantwortlich sein könnte, fragt sich Oliver, ob nicht vielleicht mehr dahinter steckt.

Weil die Polizei nur wenig unternimmt und gerade einmal ein paar Beamte zu dem Schutz der Jungen abstellt, unter ihnen auch Olivers Freund Daniel, beschließt der Teenager, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Das Haus, seines Großvaters erweist sich als eine Quelle düsterer Geheimnisse, die eng mit seiner Familiengeschichte verbunden sind und dazu noch lange verborgene Verbrechen aus den Tagen des Dritten Reichs wieder ans Licht der Welt bringen...

Schon auf den ersten Seiten geht „Der Rebell“ einen gänzlich anderen Weg als „Glasseelen“, so dass man sich fragt, wie die beiden Romane eigentlich zusammenhängen. Zwar ergeben sich im Verlauf der Geschichte einige Hinweise, die aber nicht sonderlich konkretisiert werden. Stattdessen entwickelt sich das Buch zu einer Mischung aus Psycho- und Mystery-Thriller, denn Oliver begegnen in diesem Abschnitt seines Lebens zunächst die düstersten Abgründe des menschliches Daseins in Form seines Vaters und Großvaters, die beide grausame Taten zu verantworten haben, dann aber kommt er auch in Berührung mit der Welt des Übersinnlichen, die in erster Linie durch die Schatten der Vergangenheit und durch seine Nahtod-Erfahrungen für ihn lebendig werden.

Die Geschichte wird gezielt aus der Sicht des jungen Mannes erzählt, der ohnehin schon eine schwere Zeit durchmacht, da seine Hormone durch die Pubertät verrückt spielen und er sich selbst gerade erst einer sexuellen Neigung bewusst geworden ist, die nicht von allen Leuten in seinem Umkreis gebilligt werden dürfte. Schneller als er selbst will, wird er erwachsen, handelt manchmal bewusster und gezielter als sein erwachsener Freund Daniel, der bei der Polizei arbeitet. Er ist letztendlich die treibende Kraft, die all die Geheimnisse rund um seine Familie offen legt.

Tanja Meurer gelingt es, die zwischenmenschlichen Probleme und Entwicklungen glaubwürdig aber auch packend zu erzählen. Man fühlt und zittert mit Oliver, ist gelegentlich überfordert von der Flut der Ereignisse und teilt nicht ohne Grund sein Misstrauen gegenüber bestimmten Personen. Da macht es nichts aus, dass die Geschichte so gut wie ganz ohne übernatürliche Elemente auskommt und nur wenige Verbindungen zu „Ancient Cologne“ aufbaut.

Wieder gibt es nur wenig Action, dafür sind die Entwicklungen und Verstrickungen der Personen mit dem Hintergrund ungemein spannend und verhindern, dass das Buch irgendwelche Längen hat. Bedauerlich ist wohl am Ehesten, dass zum Ende hin nur die Hälfte der aufgeworfenen Fragen beantwortet wird und die Geschichte daher offen schließt. Aber vermutlich ist das der Trick, um den Leser auf die Fortsetzung aufmerksam zu machen, die diesen Roman hoffentlich mit seinem Vorgänger zusammenführen wird.

„Der Rebell“ ist zwar der zweite Band von „Schattengrenzen“, aber ohne die Kenntnis von „Glasseelen“ zu verstehen, da er eine unabhängige Geschichte erzählt. Das sorgt allerdings dafür, dass der Roman mit einigen offenen Fragen endet und quasi nach einer Fortsetzung schreit. Aber bis dahin kann der Roman mit einer interessanten Mischung aus Psycho- und Mystery-Thriller punkten, die vor allem durch die lebendigen Figuren und den komplexen Hintergrund zu überzeugen weiß.