Transmetropolitan 3 (Comic)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 29. Mai 2014 08:44
Transmetropolitan 3
Lonely City
(Transmetropolitan 25-36)
Autor: Warren Ellis
Zeichnungen: Darick Robertson u.a.
Übersetzung: Claudia Fliege
Panini, 2014, Hardcover, 292 Seiten, 29,99 EUR, ISBN 978-3-86201-951-9
Von Frank Drehmel
Nachdem sich der Star-Journalist von „The Word“, Spider Jerusalem, in seiner Kolumne über seine Sozialisation und das Leben an sich in der in jeder Hinsicht vollkommen kaputten Stadt ausgelassen hat, fühlt er die Zeit gekommen, gemeinsam mit seinen beiden Assistentinnen, Channon Yarrow und Yelena Rossini, wieder investigativ tätig zu werden.
Zunächst also praktiziert er mit Senator Sweeny das, was er fröhlich als „Monstering“ bezeichnet: eine Art journalistischer Blitzkrieg, ein Stochern im Trüben, ein Überfall mittels polemischer Fragen in der Hoffnung, dass irgendetwas hängen bleibt und dass es keinen Unschuldigen trifft. Anschließend versucht er die Hintergründe eines bestialischen Mordes an einem genetisch modifizierten Mitbürger zu durchleuchten und kommt dabei nicht nur einer großen Vertuschungsaktion der Staatsgewalt auf die Spur, sondern findet sich unversehens zusammen mit Channon und Yelena inmitten eines Massakers von Cops an unschuldigen Demonstranten wieder.
Zwar können die drei im letzten Augenblick entkommen, doch als Spider die Story verkaufen will, teilt ihm sein Chef-Redakteur mit, dass aus Richtung des Präsidenten die Veröffentlichung mit Hinweis auf die örtliche und nationale Sicherheit untersagt worden ist. Auch wenn der Reporter das vorerst hinnimmt, so fühlt er sich dennoch genötigt, seine Assistentinnen zu bewaffnen. Und tatsächlich bietet der Markt Yelena und Channon einige nette, mal mehr, mal weniger tödliche Spielzeuge, angefangen beim „Mysteron Neun-A Pferderipper“ über die „Bukowski .88 Chupacabras“ bis hin zur „ Marr Nervenzerfetzer“ in Spezialausführung. Und es dauert nicht lange, bis sie ihre neu erworbenen Schmuckstücke einsetzen dürfen.
Spider selbst hat neben einer verstimmten Obrigkeit und einem renitenten Redakteur noch ein weiteres ernsteres Problem: Aufgrund des Hypes um seine Artikel, seiner Beliebtheit beim Publikum und seines eher extrovertierten und rustikalen Auftretens, ist er zu einer medialen Witzfigur verkommen, zum Star einer Zeichentrickserie, einer Soap, einem Action- und einem Pornofilm, zu einer Karikatur seiner selbst. Nun findet er, dass es Zeit ist, etwas fürs Image und den guten Ruf zu tun. Und wer Spider kennt, weiß, wie dieses „etwas“ aussieht und dass er irgendjemandem richtig we tun wird.
Während der zweite Sammelband der Reihe zentral zwei längere Story-Arcs umfasst, ähnelt der Aufbau diesmal eher einer Collage, einer Sammlung von Impressionen aus einer durch und durch korrumpierenden, verrotteten, verkommenen und richtungslosen Metropole sowie ihrer an den Irrsinn angepassten Bewohner. Ist das hässliche Gesicht der Stadt das gleiche wie zuvor, so ändert sich das Bild, das Spider bietet: mit seiner Mischung aus Larmoyanz, Zynismus, Brutalität, Rücksichtslosigkeit, Obszönität, drogeninduziertem Wahn und Wut kann er immer weniger als Paradebeispiel für einen Helden oder Sympathieträger herhalten, zumal die Grenzen zwischen ihm und dem, was er bekämpft, zunehmen verschwimmen. In gleichem Maße verliert die dystopische Story ihren satirischen Anspruch und setzt verstärkt auf plakative Vordergründigkeit und Krawall, auch wenn die Botschaft eine politisch-gesellschaftliche bleibt.
Nach wie vor brillant ist der bitterböse Humor, der vielen Bildern innewohnt, wobei es mir insbesondere eine Szene angetan hat: Spider hängt komatös im Drogen- und Alkoholrausch zwischen seinen beiden ebenfalls abgeschossenen Assistentinnen, wacht auf, beugt sich vornüber, kotzt, schnappt sich seine mutierte, zweiköpfige Katze, die auf seinem Schoß ein friedliches Nickerchen gemacht hatte, und wischt sich in ihrem Fell den Mund ab.
Damit wären wir dann auch schon beim Artwork, das nicht nur den Wahnsinn und das Chaos in seinen geradezu liebevoll detailreichen Bildern widerspiegelt, sondern auch den unterschiedlichen narrativen, collagenhaften Ansätzen folgend generell äußerst abwechslungsreich ist.
Fazit: Eine zynische, satirische, brutale, zuweilen äußerst komische Dystopie und intensiv inszenierte Selbstzerstörung eines Journalisten von morgen mit einem voyeuristischen Impetus. Heute aktueller denn je. Einer der herausragenden Titel des Vertigo-Imprints.