Gruselkabinett 87: Alraune, Hanns Heinz Ewers (Hörspiel)

Hanns Heinz Ewers & Marc Gruppe (Script)
Alraune
Gruselkabinett 87
Sprecher: Johannes Raspe, Hans Bayer, Sabine Bohlmann u.a.
Titania Medien, 2014, 1 CD, ca. 90 Minuten, ca. 8,99 EUR, ISBN 978-3-7857-4966-1

Von Christel Scheja

Hanns Heinz Ewers (1871-1943) ist ein Schriftsteller, Filmemacher, Globetrotter und Kabarettist voller Widersprüche gewesen, der sich zwar lange für die Gleichberechtigung der Juden einsetzte, 1931 aber auch in die NSDAP eintrat. 1934 wurde ihm verboten zu publizieren. Sein bekanntester Roman „Alraune – Die Geschichte eines lebendigen Wesens“ entstand 1911 und wurde nun auch zu einem weiteren Hörspiel der „Gruselkabinett“-Reihe.

Angeregt durch eine lange im Familienbesitz befindliche Alraune und die damit verbundenen Mythen kommen einige gelangweilte Persönlichkeiten der besseren Gesellschaft im Rheinland auf eine wahnwitzige Idee. Sie befruchten eine Prostituierte künstlich mit dem Samen eines Lustmörders und warten ab, was aus der Frucht wird, die sie bald in sich trägt. Und schon früh gibt es Anzeichen, dass die kleine Alraune wirklich ein Kind des Teufels ist. Trotzdem wird sie auf dem Anwesen von Doktor ten Brinken wie eine Tochter großgezogen und findet unter Gleichaltrigen sogar Freunde. Vor allem der nur wenige Monate ältere Stiefbruder Wolf scheint ihr verfallen zu sein.

Als junge Frau beginnt sie langsam aber sicher zu erkennen, wie anders sie ist und ihre besonderen Gaben auszunutzen. Allein durch ihre Ausstrahlung kann sie andere Menschen manipulieren, vor allem wenn sie schwachen Geistes sind, mit einem Kuss sogar Männer und Frauen vollständig von sich abhängig machen. Dazu kommt ein unbändiger Hunger nach körperlicher Liebe, den sie bald ungeniert zu stellen beginnt.

Nach und nach erweist sie sich als grausame Sirene, die alle, die näher mit ihr zu tun haben, langsam aber sicher in den Abgrund lockt...

Aus dem Kontext der Entstehungszeit heraus, brach „Alraune“ sehr viele Tabus, indem die Geschichte Themen anschnitt, die gerade in der feinen Gesellschaft nicht einmal in den Mund genommen wurden, dazu kommt der noch vorherrschende Klassendünkel, den gerade die unteren Klassen zu spüren bekommen.

Zwar wurde die Hörspielfassung etwas modernisiert, gerade der sexuelle Kontext etwas hervorgehoben, aber die Bearbeitung hat dennoch viel von der Atmosphäre der Zeit belassen – der Neugier einiger begüterter Personen, die auf Kosten des Seelenheils und Lebens anderer geht –, seien es nun Alraunes Mutter oder die Tochter eines Kesselflickers.

Die phantastischen Elemente sind subtil eingewoben. Immer wieder schimmert die besondere Magie der Alraune durch, die Mythen, die mit ihr einhergehen sind ein wichtiger Bestandteil der Geschichte und werden immer wieder mit dem gesellschaftlichen Intrigenspiel verbunden. Noch mehr Schauer über den Rücken rinnen lassen allerdings die Sprecher – sie arbeiten den Snobismus und die kalte Arroganz einiger Figuren sehr gut heraus, spielen mit der Ambivalenz ihres Handelns und Denkens. So wenig wie Alraune die Verkörperung des Bösen ist, sind auch ihrer Erschaffer wirklich von reiner Gesinnung.

Heraus kommt ein faszinierendes Spiel mit den dunklen Abgründen des menschlichen Geistes, bei dem die Magie der Alraune nur ein besonderes Gewürz sein mag; das wirkliche Grauen aber wird durch die Figuren entfesselt, deren Sprecher das Beste aus ihnen herausholen. Auch Musik und Soundeffekte können sich wieder sehen lassen, sie schaffen es, das Ambiente der Zeit zum Leben zu erwecken.

„Alraune“ erweist sich daher wieder einmal als Highlight der Reihe. Obwohl das Grauen nur selten in Gewaltakten zum Tragen kommt, so bleibt es doch immer präsent, weil die Sprecher wieder einmal gelungen in die Abgründe menschlichen Denkens und Verhaltens führen und viel Spaß bei der Umsetzung ihrer Rolle zu haben scheinen.