Jack McDevitt & Mike Resnick: Das Cassandra-Projekt (Buch)

Jack McDevitt & Mike Resnick
Das Cassandra-Projekt
(The Cassandra Project, 2012)
Aus dem Amerikanischen von Frauke Meier
Bastei Lübbe, 2013, Taschenbuch, 510 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-404-20729-9 (auch als eBook erhältlich)

Von Armin Möhle

Knapp zwei Drittel der neunzehn in deutschen Übersetzungen erschienenen Romane des US-amerikanischen Autors Jack McDevitt gehören seinen beiden Future Histories an – dem „Akademie“-Zyklus einerseits und den Bänden um den Antiquitätenhändler Alex Benedict und um seine Pilotin Chase Kolpath andererseits. „Das Cassandra-Projekt“ ist ein Einzelroman – und der erste, den McDevitt gemeinsam mit einem Co-Autor verfasste. Wie Mike Resnick in seinem Interview in „phantastisch!“ 50 verriet, beruht der Roman auf der gleichnamigen Kurzgeschichte McDevitts, die im deutschen Sprachraum noch unveröffentlicht ist.

„Das Cassandra-Projekt“ ist wenige Jahre in der Zukunft angesiedelt. Jerry Culpepper ist Pressesprecher der NASA (deren Programme zusammengestrichen wurden) und wird mit Hinweisen konfrontiert, dass bereits vor Apollo 11 die ersten Mondlandungen erfolgten – und zwar durch Apollo 8 und Apollo 9, auf der Mondrückseite außerdem. Als ihm nahegelegt wird, seine Nachforschungen einzustellen, kündigt er und tritt (nach einigen Zwischenstationen) in den Dienst des Unternehmers und Milliardärs Morgan Blackstone. Blackstone bereitet einen (privaten) Mondflug vor. Seine Expedition landet auf der Mondrückseite, nicht sehr weit von den Abstiegsstufen der Landefähren von Apollo 8 und Apollo 9 entfernt.

Leser, die die Romane McDevitts kennen, vor allem die seiner Future Histories, in denen es oft um die Suche nach menschlichen und nichtmenschlichen Artefakten geht, werden erahnen, was die NASA-Astronauten auf der Rückseite vorfanden. Nicht nur sie, zugegeben. In groben Zügen zumindest. Diese Erwartung wird einerseits erfüllt, andererseits aber auch enttäuscht, denn die Auflösung ist sehr simpel, verglichen mit dem Originalität, die McDevitt vor allem in seinen Future History-Romanen zeigte.

Doch halt, er arbeitete bei „Das Cassandra-Projekt“ mit einem Co-Autor zusammen… Stilistisch ist nicht wahrzunehmen, welche Kapitel von Jack McDevitt oder von Mike Resnick geschrieben wurden; nach den Aussagen Resnicks in dem „phantastisch!“-Interview soll er die Passagen um Blackstone, McDevitt die Kapitel mit Culpepper in der Hauptrolle verfasst haben. Abgesehen von dem Plot bleibt die Urheberschaft für die übrigen (wenigen) Ideen und Details – erwartungsgemäß – im Verborgenen. Die Ermittlungen, die Jerry Culpepper anstellt, seine Suche nach Dokumenten und Zeitzeugen, ist freilich typisches Handlungselement von McDevitt.

Es ist jedoch nicht auszumachen, welcher der beiden Autoren (oder beide?!) für die Rehabilitation Richard Nixons in „Das Cassandra-Projekt“ verantwortlich zeichnet. Der Einbruch in das Watergate-Hotel diente nicht dem Zweck, das Hauptquartier der Demokratischen Partei auszuspähen, sondern um (vermeintlich) verlorengegangene Dokumente über die frühen Apollo -Mondlandlungen wiederzubeschaffen… Nixon opferte also seine Präsidentschaft zur Wahrung dieses Geheimnisses.

Hier zeigt „Das Cassandra-Projekt“ erneut seinen Charakter als Parallelwelt-Roman (wenn man nicht von der Fantasie eines politisch rechts orientierten Autors oder Autorenteams reden will); in der Realwelt flog Apollo 8 zwar zum Mond, aber ohne Landefähre, während Apollo 9 zwar mit Landefähre startete, jedoch die Erdumlaufbahn nicht verließ. Die Besatzungsmitglieder der Raumschiffe sind in „Das Cassandra-Projekt“ gänzlich andere (was seine Gründe in rechtlichen Aspekten haben mag). Ein Detail am Rande: Kommandant von Apollo 9 war James McDivitt.

„Das Cassandra-Projekt“ weist nur eine phantastische Idee auf, auf der die Handlung basiert, die überwiegend aus Dialogen besteht, und hinterlässt damit den Eindruck, für einen größeren (rechts orientierten?) Leserkreis jenseits der Science Fiction verfasst worden zu sein, ist aber tatsächlich wohl nur eine ausgewalzte Kurzgeschichte. Genre-Leser erwarten mehr, und genau deswegen wird „Das Cassandra-Projekt“ sie enttäuschen.