Royce Buckingham: Die Karte der Welt (Buch)

Royce Buckingham
Die Karte der Welt
(Mapper)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michaerl Pfingstl
Titelillustration von Max Meinzold
Blanvalet, 2013, Paperback mit Klappenbroschur, 606 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-442-26884-9 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

Royce Buckingham ist den meisten deutschen Lesern vermutlich durch seine Reihe um die „Dämlichen Dämonen“ bekam, in dem er das Dämonenjäger-Genre und Horror-Klischees frech auf die Schippe nimmt. So ist es nicht verwunderlich, dass auch sein neuestes Werk, „Die Karte der Welt“, angesiedelt in einem High-Fantasy-Setting, einen durchaus humorvollen Unterton hat.

Wex, der Sohn eines Bauern und Schweinehirten, kennt es nicht anders. Im Norden wird Abrogan, das Königreich in dem er lebt, durch einen Schleier begrenzt, einen dunklen, undurchdringlichen Nebel. Noch nie hat ihn jemand durchschritten – und alle die ihn betraten sind niemals zurückgekehrt. Da der Junge gerne beim Hüten der Tiere zeichnet, fällt er einer Gruppe von Reisenden auf, die dringend einen neuen Künstler benötigen, einen Kartographen, der für sie die Landschaft auf einer uralten und kostbaren Karte festhält.

Auch wenn Wex zögert – er hat gar keine andere Wahl mehr, als mitzukommen. Und auch wenn er sich in der Gruppe der Reisenden, die das Land um den Schleier genauer erkunden wollen, zunächst wie ein Fremdkörper fühlt, weil diese alle wie Bryn, die Tochter seines Lehnsherren, dem Adel entstammen oder den hohen Häusern direkt dienen und damit weit über seinesgleichen stehen, findet er doch Freunde und schließlich sogar Beachtung.

Denn es ist irgendwann nicht mehr zu übersehen: Wann immer er die Karte mit seinen Zeichnungen erweitert, verschwindet auch der undurchdringliche Schleier und gibt neues, fruchtbares und einstmals bewohntes Land frei ... aber auch unbekannte Gefahren. Neben blutgierigen Rindern, die mehr Raubtiere als Weidevieh sind, tückischer und teilweise schwer zu durchwandernder Landschaft, formiert sich auch noch ein Heer skurriler Gestalten gegen die neugierige Schar, angeführt von einem Mann namens Vill, der einen ganz besonderen Hass gegen die Bewohner und speziell die Herrscher Abrogans zu hegen scheint.

Die Zutaten, die Royce Buckingham in „Die Karte der Welt“ zusammenmixt, sind vielleicht nicht unbedingt neu, aber sie harmonieren gut miteinander. Da haben wir den naiven und verträumten Bauernjungen, der eigentlich ganz zufrieden mit seinem Leben ist und nur kleine Träume zu haben scheint und dennoch für mehr ausersehen ist. Dazu kommt eine Schar von eigenwilligen und kauzigen Charakteren wie der abenteuerlustigen Tochter seines Gutsherrn, einem Zauberer, der nicht wirklich das ist, was er zu sein behauptet, stoischen und hartgesottenen Soldaten, aber auch ein paar Herumtreibern, die sich der Gruppe angeschlossen haben.

Die Reise selbst verläuft zunächst sehr ruhig. Spannung erzeugt der Autor, indem er die kleinen Geheimnisse der Figuren enthüllt oder Konflikte inszeniert, durch die wir einige von ihnen besser kennenlernen. Das Ganze ist mit einem guten Schuss Humor gewürzt, so dass es immer wieder etwas zu schmunzeln gibt.

Gemeinsam mit den Helden entdeckt auch der Leser eine neue exotische Welt, die nicht so unberührt ist, wie die Erkunder zunächst dachten. Immer wieder treffen sie auf Spuren von Besiedlung, müssen sich mit Kreaturen herumschlagen, die sie nicht kennen und verlieren Kameraden an die Natur. Nach und nach wird deutlich, dass der Schleier vielleicht nicht ohne Grund über dem Land lag und sie damit vielleicht eine Gefahr geweckt haben, die auch Abrogan schaden kann, wenn sie diese nicht irgendwie aufhalten.

Wex, der in der Geschichte langsam aber sicher an Mut und Selbstbewusstsein gewinnt, wächst gerade auf diesen letzten Seiten über sich hinaus und findet eine angemessene Lösung. Gerade er macht eine interessante Entwicklung durch. Aber auch einige der nur allzu menschlichen Nebenfiguren wachsen durch ihre sympathischen Eigenheiten nach und nach ans Herz.

Der Roman ist von einer moderaten Spannung durchzogen, die dazu ausreicht, dass man bis zur letzten Seite lesen möchte. Inhaltlich ist er in sich geschlossen, auch wenn längst nicht alle Fragen beantwortet wurden, so dass es genügend Anknüpfungspunkte für eine Fortsetzung gibt, die ja auch 2014 erscheinen wird. Immerhin schafft es der Autor, die meisten Klischees, die Helden und Thema mit sich bringen, gelungen zu variieren. Sein unbeschwerter Umgang mit dem Abenteuer spricht zudem Jung und Alt gleichermaßen an, da jede Altersklasse Details finden kann, die ihnen gefallen.

„Die Karte der Welt“ sei daher all jenen empfohlen, die ein Abenteuer jenseits von epischen Schlachten, Elfen und Zwergen genießen wollen, dabei aber auch genießen können, dass die sich ihnen buchstäblich öffnende Welt exotische Details enthält, die immer wieder zu überraschen wissen. Dazu kommen durchweg facettenreiche und sympathische Charaktere, an deren Schicksal man bewusst Anteil nimmt – also alle Zutaten, die ein guter Fantasy-Roman braucht.