Die Tribute von Panem – Catching Fire (Film)

Die Tribute von Panem – Catching Fire
USA 2013, Regie: Francis Lawrence, mit Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Liam Hemsworth u.a.

Von Christel Scheja

In den letzten Jahren sind die sogenannten „romantischen Dystopien“ in Mode gekommen; Geschichten, in denen repressive und totalitäre Systeme doch nicht verhindern konnten, dass die Liebe zwischen zwei jungen Menschen das Selbstbewusstsein stärkte und sie dazu bringt, gegen die Weltordnung zu rebellieren. Doch keine Serie war bisher so erfolgreich wie die „Tribute von Panem“-Trilogie von Suzanne Collins, die bereits vor zwei Jahren auch Kinopremiere hatte. Nun ist „Catching Fire“, die Umsetzung des zweiten Romans, der bei uns als „Gefährliche Liebe“ erschien, ins Kino gekommen.

Katniss Everdeen und Peeta Mellark haben die vierundsiebzigsten Hungerspiele überlebt, den jährliche Kampf von Jugendlichen aus den zwölf Distrikten, in welche die Vereinigten Staaten zerfallen sind, und die erbarmungslos vom „Capitol“ beherrscht werden. Die Veranstaltung soll an die Niederschlagung der Rebellion erinnern, die vor fast acht Jahrzehnten den dreizehnten Distrikt vernichtete.

Nachdem sie sich zu Hause ein wenig erholt haben, müssen die beiden Gewinner nun auf einer Tour durch die Distrikte fahren, um sich dort noch einmal feiern zu lassen. Präsident Snow taucht vorher höchstpersönlich auf, um Katniss zu warnen, nicht wieder über die Stränge zu schlagen. Sie hat es durch ihre Menschlichkeit gegenüber der kleinen Rue und Peeta gewagt, den Regeln des Spiels zu trotzen und den unterdrückten Menschen so unerwartet neue Hoffnung zu geben. Das soll ein Ende haben, sonst müssen die Menschen, die sie liebt, mit dem Schlimmsten rechnen, denn die Unruhen in den ärmeren Distrikten sollen nicht noch mehr Futter erhalten und sich zu regelrechten Aufständen auswachsen.

Wie ernst es Snow mit seinen Aussagen meint, bekommen die junge Frau und Peeta schon in Distrikt 11 zu spüren, als sie nicht die Texte vortragen, die man ihnen gibt, sondern aus tiefsten Herzen sprechen und damit die Menschen für sich gewinnen und ihnen Mut machen.

Der Präsident weiß sehr genau, dass die Entwicklungen in den Distrikten nicht mehr aufzuhalten sind, denn so lange Katniss und Peeta, die allein durch ihr Überleben die strengen Regeln des Schauspiels durchbrochen haben, noch leben, wird die Hoffnung trotz brutaler Eingriffe und Bestrafungen kein Ende haben. Deshalb vertraut er ganz auf seinen neuen Spielemacher Plutarch Heavensbee, der auf eine perfide Strategie setzt, um dem System die Macht zu bewahren. Ein strengeres Regiment in den Distrikten, harte Strafen und öffentliche Hinrichtungen bereiten ein neues Schauspiel vor, das es in sich haben wird. Denn bei den fünfundsiebzigsten Hungerspielen sollen diesmal nicht neue, junge Talente auftreten, sondern die bereits bewährten Sieger früherer Jahre, die ehemaligen Tribute...

Auch wenn Haymitch sich auf Katniss Bitten opfern will, Peeta meldet sich freiwillig – und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Gemeinsam mit den anderen erfahrenen Kämpfern treten die beiden den Kampf in einer neuen, noch gefährlicheren Arena an...

Neue Hungerspiele, ein weiterer Kampf in der Arena – das impliziert bei Vielen die Vermutung, es mit einer Aufbereitung des ersten Films zu tun zu haben. Aber das ist nicht der Fall. Diesmal stehen selbst die Szenen um die neue Runde der Hungerspiele in einem ganz anderen Licht und Kontext.

Zunächst einmal nimmt sich der Film Zeit, die Auswirkungen auf die jungen Helden zu zeigen. Haben sich im ersten Film Katniss und Peeta noch über die Alkoholsucht ihres Mentors Haymitch gewundert, so kann ihn jetzt Katniss besonders gut verstehen, denn auch sie wird fast jede Nacht von Alpträumen und Ängsten gequält, weil sie Menschen tötete. Sie und Peeta sind sich ebenfalls bewusst, dass sie die Führungsschicht, allen voran Präsident Snow, verärgert haben – wie sehr, das zeigt sich in der persönlichen Drohung. So entsteht schon früh eine sehr düstere und bedrohliche Stimmung, die sich wie ein roter Faden fortsetzt. Selbst der Zuschauer ahnt, dass er nicht jeder Äußerung einer der Figuren in Katniss und Peetas Umfeld trauen sollte – denn die wahren Motive bleiben lange verborgen.

Es sind ansonsten eher kleine Gesten, die die Hoffnung auf Veränderungen schüren, kleine Augenblicke der Rebellion, die den Verantwortlichen des Systems Angst machen und zu immer mehr brutalen Aktionen verleiten. Und diese haben es in sich; durch die Augen von Peeta und Katniss darf man miterleben, wie brutal selbst friedliche Auflehnung bestraft wird. Der Film geht zwar nicht ins Detail, aber er beschönigt nichts – weckt Erinnerungen an andere totalitäre Regime der Weltgeschichte. Und gerade diese kleinen Momente wissen zu fesseln und am Ball zu halten, zeigen doch nun auch Figuren, bei denen man es gar nicht vermutet hatte, wie sehr sie zu den Helden stehen.

Der Kampf in der Arena verläuft dann ebenfalls ganz anders als man vermutet. Diesmal sind erfahrene Kämpfer am Start, die genau wissen, was sie erwartet ... von denen sich aber auch einige ganz anders verhalten, als vermutet. Und schon bald ahnt man auch, dass Plutarch Heavensbee vielleicht sogar eine ganz besondere Rolle in dem ganzen Unternehmen spielt.

„Catching Fire“ erweist sich somit schnell als packendes, düsteres Drama, das man nicht als einfachen Abenteuer-Film unterschätzen sollte. Immer wieder tauchen Bilder auf, die Angst machen und Eindruck hinterlassen. Auch die Liebesgeschichte ist wie in den Büchern den Umständen angepasst – keine Romanze, die durch nichts erschüttert werden kann, die Beziehungen sind den Umständen angepasst und entwickeln ganz andere Bindungen.

Die Maßnahmen des Kapitols sind nüchtern gesehen sogar nicht einmal übertrieben, sondern dem nachempfunden, was man bereits im 20. Jahrhundert miterleben „durfte“, und auch das geht unter die Haut.

Wieder zeigen die Schauspieler, wie gut sie sich in ihre Rollen eingefunden haben – vor allem Jennifer Lawrence überzeugt als Katniss, die inzwischen ihre Unschuld verloren hat und nun nur noch das tut, was ihr wichtig erscheint, um ihre Menschlichkeit nicht zu verlieren. Josh Hutcherson als Peeta bleibt dagegen etwas blasser, was aber seiner zurückhaltenderen Rolle geschuldet ist – doch auch er bekommt Momente, in denen er glänzen kann und darf. Besonders interessant, wenn auch typisch für ihn, ist die Rolle von Philip Seymour Hoffman, der sehr viel Spaß daran zu haben scheint, den absolut undurchsichtigen Plutarch Heavensbee zu spielen.

Der Film ist mit gut zweieinhalb Stunden nicht gerade kurz, bleibt aber durchweg kurzweilig. Ruhige Momente wechseln sich mit Action ab, die nüchterne Erzählweise kommt ohne großartige Spezialeffekte und 3D aus.

Immer wieder geschehen Dinge, die der Handlung eine neue Wendung geben, so dass die Geschichte unvorhersehbar bleibt – natürlich, wenn man das Buch noch nicht gelesen hat. Und auch am Ende ist man zufrieden, geht doch manche Szene so unter die Haut, dass man sie ebensowenig vergisst wie die überraschend vielschichtigen Figuren.

Selten sind Fortsetzungen besser als die ersten Filme einer Reihe, bei „Die Tribute von Panem“ ist das der Fall. „Catching Fire“ wiederholt mitnichten den Erfolg von „The Hunger Games“, sondern baut genau auf dieser Geschichte auf, um die Handlung weiterzuspinnen und die Folgen der Ereignisse zu zeigen, die deutliche Spuren bei den Protagonisten und im Staat hinterlassen haben.

Der Film beeindruckt durch vielschichtige Figuren, die sich deutlich weiterentwickeln und immer noch neue Facetten ihres Wesens zeigen, durch eine konsequente Geschichte, die nicht damit hinter dem Berg hält, wie eine Rebellion enden kann und schließlich auch durch überraschende Wendungen, die Lust auf mehr machen.

Das alles ist in eine rasante Handlung verpackt, die mit einer guten Mischung aus Action und Charakter-Momenten zweieinhalb Stunden im Nu vergehen lässt.