Cornelius Hartz (Hrsg.): Antike mit Biss – Die schaurigsten Geschichten von Homer bis Horaz (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 26. Oktober 2013 09:28
Cornelius Hartz (Hrsg.)
Antike mit Biss – Die schaurigsten Geschichten von Homer bis Horaz
Aus dem Altgriechischen und dem Latein von verschiedenen Übersetzern
Verlag Philipp von Zabern, 2013, Hardcover, 128 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-8053-4662-7
Von Irene Salzmann
Jeder Genre-Freund kennt die klassischen Gruselfiguren des Horror-Romans: Vampire, Werwölfe, Hexen, Geister, Ghouls und so weiter. Aber nicht allen ist bekannt, wie weit zurück die Wurzeln all dieser Wesen reichen – mitunter Jahrtausende wie im Fall des „Gilgamesch“-Epos‘ – und dass man sie weltweit in uralten Mythen und Schauermärchen findet.
Der promovierte Philologe, Autor und Übersetzer Cornelius Hartz befasste sich mit den Epen, Fabeln, Erzählungen, Theaterstücken, Berichten und Briefen antiker Schriftsteller – Apuleius, Homer, Äsop, Platon, Ovid, Cicero, Herodot und andere –, die alle von Historikern, Sprachgelehrten und Autoren, darunter August Rode, Christian Schott und Wilhelm Hertz, teilweise schon im 18. Jahrhundert ins Deutsche übertragen wurden, und traf eine repräsentative Auswahl von Texten und Auszügen, in denen unheimliche Phänomene thematisiert werden.
Manches davon ist dem interessierten Leser durchaus geläufig, da er diese Mythen aus anderen Übersetzungen oder einer Adaption, verfasst von modernen Schriftstellern, kennenlernte (wer hat nicht Gustav Schwabs Aufbereitung der „Herakles“-Sage oder der „Odyssee“ gelesen?). Umso schöner, dass man nun die Gelegenheit erhält, die (übersetzten) Ur-Fassungen, die inspirierenden Quellen von so manchem Autor zu studieren.
Jeder der Texte ist mit einer ausführlichen Einleitung des Herausgebers versehen, in der sowohl Verfasser als auch der Übersetzer vorgestellt werden, auf die Geschichte und das darin agierende Wesen eingegangen und die Einflüsse auf spätere Autoren (James Joyce, Joanne K. Rowling, Stephen King) berücksichtigt werden. Diese Ausführungen lesen sich stellenweise mindestens so faszinierend wie die anschließende Grusel-Story.
In Philostrats „Die Empuse“ warnt der historisch belegte Apollonios von Tyana einen seiner Schüler vor der schönen Frau, die ihn sich als Gefährten erwählte, nachdem der Gelehrte in ihr ein Menschenfleisch verzehrendes Wesen erkannt hat.
In „Grausamer Liebesstrank“ beschreibt Horaz, wie ein hübscher Junge unter grässlichen Umständen sterben muss, da eine Hexe aus ihm einen Liebeszauber bereiten will, um den Mann zu bekommen, nach dem sie sich sehnt.
Petrons „Der Werwolf“ verwandelt sich, wenn er seine Kleidung ablegt. Er tötet Vieh, frisst und wird mit Hilfe der Kleidung wieder zum Menschen, kann aber die Schwertwunde, die ihm in seiner Wolfsgestalt beigebracht wurde, nicht verbergen.
Plinius der Jüngere berichtet über „Das Spukhaus von Athen“, in dem ein Geist die Bewohner in Angst und Schrecken versetzt. Einigen von ihnen erscheint er im Traum und schneidet ihnen das Haar, woraufhin sie anderentags geschoren erwachen.
Der Evangelist Marcus schrieb die Taten von „Jesus der Exorzist“ nieder, doch auch andere „Bibel“-Stellen künden von Teufelsaustreibungen.
Dies sind nur fünf Beispiele von insgesamt zwanzig schaurigen Erzählungen aus der Antike, die ausnahmslos spannend und vor allem unter dem historischen Aspekt interessant zu lesen sind. Ergänzt wurde mit einem Verzeichnis weiterführender Bücher, deren Titel äußerst informativ klingen.
„Antike mit Biss“ wendet sich nicht unmittelbar an den eingefleischten Horror-Fan, der vor allem auf packende, womöglich splattrige Unterhaltung aus ist, sondern an jene Genre-Freunde, die sich auch für das Drumherum interessieren: für die Geschichte und Traditionen der fantastischen Literatur, für ihre historischen Quellen und Weiterentwicklung, für die zahlreichen Varianten des Themas und seine Ausprägungen in anderen Kulturkreisen.
Vordringlich aber ist der Titel an (Alt-) Philologen, Historiker und durchaus auch an Autoren, welche ihrem Publikum mehr als den üblichen blutigen Einheitsbrei servieren wollen, adressiert, die alle Freude daran haben, dass mit diesem Buch die Brücke zwischen oftmals trockener, theoretischer Forschung zur schöngeistigen, Grusel-Literatur geschlagen wird.