Jane Nickerson: So wie Kupfer und Gold (Buch)

Jane Nickerson
So wie Kupfer und Gold
(Strands of Bronze and Gold, 2013)
Aus dem Amerikanischen von Ursula Höfker
cbt, 2013, Hardcover, 444 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-570-16268-2 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Nach dem Tod des Vaters reist die 17jährige Sophia Petheram von Boston nach Wyndriven Abbey, Mississippi, zu Monsieur Bernard de Cressac, der ein Freund der Familie und ihr Patenonkel ist. Sie soll dem viermal verwitweten Mann als sein Mündel Gesellschaft leisten. Dafür wird es ihr an nichts fehlen, und auch Sophias mittellose Geschwister profitieren von den Zuwendungen.

Zunächst erscheint Sophia das Leben in Saus und Braus wie ein Traum. Das Anwesen von M. Bernard, wie sie ihn nennt, gleicht einem riesigen Schloss voll fantastischer Dinge, sie bekommt die schönsten Kleider und ein eigenes Pferd. Ihren Vormund findet sie äußerst attraktiv und charmant, obwohl er einige fixe Ideen hat. Prompt verliebt sie sich in ihn. Mit der Zeit entdeckt sie aber auch Wesenszüge an ihm, die ihr weniger behagen. Als Südstaatler lässt M. Bernard Sklaven für sich arbeiten, die zwar gut versorgt werden, jedoch als Menschen zweiter Klasse gelten und über die hin und wieder willkürlich Strafen verhängt werden. Überdies unterbindet M. Bernard jegliche Kontakte zur Außenwelt, so dass Sophia keinerlei Freundschaften knüpfen kann.

Noch schlimmer sind jedoch M. Bernards Wutanfälle, wenn etwas nicht nach seinen Wünschen läuft. Auch Sophia leidet unter seinem Zorn, wenn sie zu neugierig ist oder Widerworte gibt. Eine Weile kann sie ihm das verzeihen, wurde er als Knabe doch sehr verwöhnt und musste später den Verlust von vier Ehefrauen und den gemeinsamen Kindern verkraften. Das ändert sich, als M. Bernard ihr zu verstehen gibt, dass er sie als seine fünfte Gemahlin begehrt: Seine Zudringlichkeiten erschrecken die junge Frau. Außerdem hat sie sich längst in eine Zufallsbekanntschaft verliebt und setzt all ihre Hoffnungen auf den Besuch ihrer älteren Geschwister, um mit ihnen nach Boston zurückkehren und ein Leben in Freiheit führen zu können. Die beiden Brüder und die Schwester hingegen sehen in M. Bernard eine gute Partie und drängen Sophia zur Ehe, da sie mit Hilfe des Schwagers die eigenen finanziellen Probleme lösen wollen. Notgedrungen gibt Sophia nach und ignoriert die Warnungen der Geister ihrer Vorgängerinnen, mit denen sie eins gemein hat: das rotgoldene Haar…

Ein Zitat aus dem Märchen von „Ritter Blaubart“ wurde vorangestellt, so dass der Leser gleich weiß, dass es sich um eine Adaption des Themas handelt. Jane Nickerson verlagerte die Handlung in die Südstaaten der USA in die Jahre vor dem Sezessionskrieg (1861-1865), als noch viele Plantagenbesitzer ihren Reichtum durch Sklaverei mehrten und bereits die ersten Sklaven in den Norden flohen, auf Freiheit und bessere Lebensbedingungen hoffend. Dieser Aspekt ist jedoch bloß ein Bestandteil des Hintergrunds und wird kaum näher ausgeführt. Ferner erfährt man nicht, auf welche Weise Bernard de Cressac zu seinem sagenhaften Reichtum gelangte und womit er überhaupt sein Geld verdient, wenn er oft für Tage fort ist und seine Frauen einsam zurücklässt.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Sophia Petheram, für die zunächst ein „Cinderella“-Märchen zur Realität wird, bis sie ihren Patenonkel als Blender entlarvt, sich zunehmend von ihm abgestoßen fühlt und ihn schließlich zu fürchten beginnt. Hilfe hat sie von niemandem zu erwarten, denn die Sklaven kennen ihren Herrn zu gut, um sich einer weißen Frau wegen seinen Zorn zuzuziehen, der Pastor weiß nicht, welches Verhalten das richtige ist, und die Geschwister möchten Sophias Glück zu Gunsten des eigenen Wohlergehens opfern. So hat Sophia im Prinzip keine Wahl. Während sie sich in das Unvermeidliche zu fügen scheint, rührt sie an den Geheimnissen ihres Verlobten und findet heraus, was seinen anderen Frauen zustieß – und welches Schicksal nun auch sie erwartet. Eine Überraschung ist das natürlich nicht, wenn man die Märchenvorlage kennt. Spannender ist schon die Frage, ob und wie Sophia dem Unheil entrinnen kann und ob es doch noch ein Happy End gibt.

Die Autorin erzählt die Geschichte in der Tradition von Daphne DuMauriers „Rebecca“, wenngleich sie sich am Handlungsverlauf des Märchens orientiert und sich der opulenten Kulisse von Margaret Mitchells „Vom Winde verweht“ bedient. Das Ergebnis ist ein gelungener Mix aus beidem, wenngleich man sich hin und wieder bei der Lektüre gewünscht hätte, dass die Protagonistin weniger ihre Jungmädchenfantasien pflegt, dass einige dramatische Ansätze nicht versanden (die Flucht des Wanderpredigers) oder viel zu schnell abgehandelt werden (Odettes Motive und die Konsequenzen für sie), manche Fragen unbeantwortet (das Schicksal jener Sklaven, mit denen es Sophia regelmäßig zu tun hatte) oder einige Rollen in ihrer Bedeutung schwammig bleiben (Anarchy).

Vermutlich wird das der Zielgruppe – Leserinnen zwischen 13 und 16 Jahre – kaum auffallen, da sie atemlos verfolgt, wie sich nach und nach der schöne Traum in einen gefährlichen Albtraum für Sophia verwandelt. Dies stellt das Hauptthema dar; alles andere ist schmückendes Beiwerk und bleibt nebensächlich, alle Personen außer Sophia und M. Bernard ebenso.

Man ahnt früh, was kommen wird, doch schreibt Jane Nickerson lebhaft und nachvollziehbar, so dass man Anteil an den Nöten der sympathischen Identifikationsfigur, aus deren Perspektive die Geschehnisse geschildert werden, nimmt und sich bis zum Schluss gut unterhalten fühlt. Auf das vage Mystery-Element (die Geisterscheinungen) hätte die Autorin verzichten können, da es die Handlung nicht voranbringt.

Alles in allem darf man den Titel einem romantischen Publikum empfehlen, das historische Dramen schätzt, die sich als Mischung aus Gaslight Romance, Gesellschaftsroman und mehr oder minder märchenhafter Fantasy (in diesem Fall ist nur ein Hauch Fantastik spürbar) präsentiert.