End 1: Elisabeth (Comic)

End 1
Elisabeth
(End: Elisabet)
Idee, Szenario & Dialoge: Barbara Canepa
Zeichnungen & Farben: Barbara Canepa und Anna Merli
Übersetzung: Monja Reichert
Splitter, 2013, Hardcover, 56 Seiten, 14,80 EUR, ISBN 978-3-86869-622-6

Von Frank Drehmel

Bevor die dreizehnjährige Elisabeth auf dem Friedhof das Bewusstsein verliert, sieht sie noch, wie Familie, Freunde und vor allem ihre Schwester Dorothea vor einem Grab in Tränen ausbrechen, in dem offensichtlich sie selbst ruhen soll. Unbestimmte Zeit und einen Alptraum später erwacht sie unter der riesigen gläsernen Kuppel einer düsteren viktorianischen Orangerie inmitten eines dunklen Gartens, umgeben von Mausoleen kalter Schönheit und morbiden Skulpturen.

Und sie ist nicht alleine: drei sprechende, tierische Begleiter leisten ihr in ihrer Einsamkeit Gesellschaft: eine Katze, eine Fledermaus und eine Kröte, wobei sie alle eines gemein haben: ihre Gliedmaßen sind auf eine verdrehte Weise deformiert. Elisabeths eigene Deformation besteht darin, dass eine Berührung ihrer Hände den Tod bringt, sodass sie fortan gezwungen ist, sie mit – schwarzen – Bandagen zu verhüllen. Bewacht von den geheimnisvollen Ephemeren versucht das Mädchen, nachdem mehrere Versuche, aus diesem Reich zwischen Leben und Tod zu entfliehen, augenscheinlich gescheitert sind, ihrer Schwester wenigstens einen Brief aus dem Dazwischen zukommen zu lassen. Doch dazu braucht sie die Hilfe der Spatzen, die als Mittler zwischen den Welten reisen können.

Während Elisabeth ihre Pläne vorantreibt, versuchen in der Welt der Lebenden ihre Freundin Nora, ihre Schwester Dorothea sowie weitere Elevinnen eines Internats, dem mysteriösen Tod Elisabeths nachzuspüren, obgleich die Schulleitung den Mantel des Schweigens über den Vorfall gedeckt wissen will und Nachforschungen unter strikte Strafe gestellt hat. Dennoch begeben sich die Mädchen in einer dunklen Nacht zu dem verfallenen Gebäude, in dem ihre Freundin, Schwester und Kameradin den Tod gefunden haben soll. Kaum sind sie dort angekommen, ereilt Nora eine Vision, die sie alle zu einer überstürzten Flucht zwingt.

Barbara Canepa erzählt eine Geschichte von düsterer Schönheit und Melancholie, in der Andeutungen und Geheimnisse verborgen in Geheimnissen dem Leser allenfalls den Hauch einer Ahnung über die Hintergründe der Ereignisse und Personen vermitteln. Diese dunklen Andeutungen reichen jedoch, genährt durch die poetischen, zarten Texte, aus, damit einen die Geschichte, die ein Anflug viktorianischen Horrors und schwarzer Romantik umgibt, von der ersten Seite an ihren Bann zieht, obgleich sämtliche zentralen Fragen (angefangen bei den Umständen von Elisabeths Tod über die Natur der Ephemeren und der tierischen Begleiter bis hin zu den Fähigkeiten Noras) unbeantwortet bleiben.

So dunkel melancholisch Handlung und Text, so atmosphärisch intensiv das Artwork, das vor dem Leser – um es mit Ruby Gloom zu sagen – die schöne Seite der Dunkelheit ausbreitet. In filigranen, hauchzarten, malerischen Bildern, in denen primär nur das zarte Rosa der Wangen oder blutunterlaufener Augen das kühle Blau und Grün durchbrechen, in atemberaubenden Perspektiven dunkler Gärten und düsterer Gebäude, in einem sanften Spiel mit kaltem Licht und weichen Schatten erschaffen die Künstlerinnen eine faszinierend morbide Stimmung, deren Surrealität durch die Proportionen der Protagonistinnen mit ihren seltsam großen Köpfen und ausdrucksstarken Augen verstärkt wird.

Fazit: Ein zauberhaftes, melancholisch-düsteres Meisterwerk. Poetisch erzählt, grandios zart und morbide visualisiert. Nicht nur für Emo- und Gothic-Girlies eine unbedingte Empfehlung.