George R. R. Martin: Der Heckenritter von Westeros – Das Urteil der Sieben (Buch)

George R. R. Martin
Der Heckenritter von Westeros – Das Urteil der Sieben
(Hedge Knight (1998), The Sworn Sword (2003) und The Mystery Knight (2010)))
Aus dem Englischen übersetzt von Joachim Körber (Hedge Knight) und Andreas Helweg (The Sworn Sword & The Mystery Knight).
Penhaligon, 2013, Paperback, 414 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-7645-3122-5 (auch als eBook erhältlich)

Von Gunther Barnewald

Der vorliegende Band enthält drei Novellen des Erfolgsautors, die zwischen 120 und 140 Seiten lang sind, und von denen zwei bereits auf Deutsch erschienen sind. Während „Der Heckenritter” bereits 1999 in der von Robert Silverberg herausgegebenen Heyne-Anthologie „Legenden“ vertreten war, erschien „Das verschworene Schwert” 2005 beim Piper Verlag in einer ebenfalls von Robert Silverberg zusammengestellten Anthologie unter dem Titel „Legenden. Lord John, der magische Pakt“.

Die dritte Novelle, „Der geheimnisvolle Ritter”, ist dagegen eine deutsche Erstveröffentlichung. Alle drei Erzählungen spielen in der gleichen Welt, in der auch Martins Erfolgsserie „Das Lied von Eis und Feuer“ („Game of Thrones“) angesiedelt ist, jedoch setzt die Handlung knapp ein Jahrhundert vor den dort beschriebenen Ereignissen ein.

Dunk ist ein Waisenkind, der in Flohloch, einem armen Stadtteil der reichen und bedeutenden Großstadt Königsmund, geboren und aufgewachsen ist. Doch Dunk hat Glück und wird von einem Ritter als Knappe auserwählt, vielleicht auch, weil der Junge für sein Alter sehr groß ist. Als Dunk sechzehn oder siebzehn Jahre alt ist, stirbt der Ritter Ser Arlan von Hellerbaum an einer Lungenentzündung und der junge Mann sieht sich plötzlich mit einer Zukunft als armer fahrender Ritter konfrontiert. Da er mittlerweile deutlich über zwei Meter groß ist, rechnet sich Dunk, der sich jetzt Ser Duncan der Große nennt, gute Chancen bei Ritterspielen aus. Vor allem das bekannte mittelalterliche Lanzenstechen, das Tjosten, erscheint ihm als Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. So begibt sich der junge Mann zu einem großen Turnier, wobei er auf dem Weg dorthin einen scheinbar armen und kahl geschorenen Jungen kennenlernt, der etwa acht oder neun Jahre alt ist, und der unbedingt bei ihm als Knappe arbeiten möchte. Zwar ist der junge Ritter erst völlig abgeneigt, dies zu dulden, schließlich freundet er sich mit dem tapferen kleinen Kerl aber doch an und nennt ihn, wegen seines geschorenen Haupthaars, Ei. Erst viel später erfährt Dunk, wen er sich damit wirklich zu seinem Knappen erkoren hat, denn Ei ist kein wirklicher bedeutungsloser Streuner. Beim großen Tjost, an dem auch einige Mitglieder der königlichen Familie teilnehmen, läuft es dabei leider gar nicht gut für Dunk, denn dadurch, dass er eine junge Puppenspielerin vor einem Übergriff durch einen Angehörigen der Königsfamilie bewahrt, zieht er sich dessen Zorn zu. Einem verheerenden Gerichtsurteil kann Dunk nur durch ein sogenanntes Gottesurteil entgehen, also einen Zweikampf von sieben Rittern gegen sieben weitere auf der anderen Seite. Doch woher soll Dunk sechs Ritter nehmen, die an seiner Seite kämpfen? Sollte er diese nicht aquirieren können, würde ihm eine Hand und ein Fuß abgehackt werden...

In der zweiten Novelle steht Dunk mit seinem Knappen Ei in den Diensten eines verarmten Adeligen namens Konstans Osgrau, dessen Kinder alle bereits verstorben sind, ohne Enkel zu hinterlassen. Als wegen einer großen Hitzewelle die Brunnen auszutrocknen beginnen, erlaubt sich die adlige Nachbarin Osgraus auch noch, einen Damm bauen zu lassen und ihn somit von fast allen Wasservorräten abzuschneiden. Eine kriegerische Auseinandersetzung liegt in der Luft und da Dunk neben einem faulen und intriganten weiteren Heckenritter (in Martins Welt ein Synonym für alle armen Ritter ohne eigenen Grundbesitz) der einzige wehrhafte Verteidiger der Interessen Osgraus ist, sieht es ganz danach aus, als würde diese Auseinandersetzung Dunks Tod bedeuten...

In der letzten Erzählung begeben sich Dunk und sein Knappe Ei erneut zu einem Tjost, bei dem sich der Ritter reiche Beute verspricht. Leider fliegt Ser Duncan der Große gleich in der ersten Runde raus und verliert somit all seinen Besitz. Aber es kommt noch viel schlimmer, denn eine Verschwörung gegen die königliche Familie ist im Gange und soll genau bei dieser Festivität, zu deren Ehre der Tjost veranstaltet wird, konstituiert werden. Bald ist nicht nur Dunks Leben in Gefahr, sondern auch das seines Knappen, der plötzlich verschwunden zu sein scheint...

Alle drei Novellen lassen sich wunderbar lesen und profitieren sowohl durch Martins hervorragenden Stil, als auch durch die reichen Beschreibungen (zum Beispiel die phantasievollen und mannigfaltigen Familienwappen der einzelnen Ritter und deren klangvolle Namen). Vor allem die eigensinnigen, manchmal gar querköpfigen Protagonisten muss man als Leser einfach in sein Herz schließen. Im Gegensatz zur Erfolgsserie gibt es hier allerdings viel weniger blutige Auseinandersetzungen oder hinterhältige Intrigen. Lediglich die dritte Erzählung erinnert etwas an Martins Bestsellerserie, ist aber eigentlich auch die schwächste der hier vorliegenden Novellen. Denn sie unterbricht den spannenden ritterlichen Wettkampf des Tjosts (gerne hätte man gewusst, wer nun das Turnier gewonnen hätte) zugunsten der obligatorischen Verschwörung, was die Spannung tatsächlich eher vermindert als hebt. Die Stärken des Autors werden dagegen vor allem in der zweiten Erzählung am Ehesten deutlich, denn diese Geschichte ist ruhig erzählt, hat kaum große Aufreger oder wuchtige Actionszenen, erfüllt ihren Zweck, den Leser gut zu unterhalten, aber auf ganz formidable Art und Weise. Auch die erste Novelle, in der die Protagonisten eingeführt werden, besticht durch dichte Atmosphäre, knorrige Typen und eine ausgefeilte Handlungsführung.

Alle drei Erzählungen stellen ein wunderbares Lesevergnügen dar und können all jenen empfohlen werden, die brillant geschriebene mittelalterliche Fantasy lieben.