phantastisch! Ausgabe 51 (Magazin)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 25. September 2013 09:47

phantastisch! Ausgabe 51
Titelbild: Arndt Drechsler
Atlantis, 2013, Magazin, 72 Seiten, 5,30 EUR (auch digital erhältlich)
Von Armin Möhle
Es gehört zur (traurigen) Pflicht einer Publikation wie der „phantastisch!“, auch über die Großen des Genres zu berichten, die uns für immer verlassen haben. Allen voran über Jack Vance, der vor wenigen Monaten im Alter von 97 Jahren starb und der durch seine Produktivität und seinen Ideenreichtum jedem langjährigen Science-Fiction-Leser ein Begriff sein wird, auch wenn Vance vielleicht nicht zu seinen Lieblingsautoren zählen mag. Der Nachruf in der „phantastisch!“ 51 wurde von Horst Illmer verfasst.
Verstorben sind auch die „Puppen-Pioniere Ray Harryhausen und Gerry Anderson“, über die Olaf Brill berichtet. Ray Harryhausen kreierte die wohl einmalige Stop-Motion-Technik, die Filme wie „Kampf der Titanen“ und „Jason und die Argonauten“ prägte. Gerry Anderson wird wegen seiner originellen Puppenserie „Thunderbirds“ unvergesslich bleiben, weniger wegen seiner späteren unausgegorenen (Realfilm-) Serie „Mondbasis Alpha 1“.
Das Kommen und Gehen des Lebens zeigt sich in der „phantastisch! 51“ aber nicht nur (einseitig) in den Nachrufen. Viel Aufmerksamkeit erfährt der (bislang eher unbekannte) Fantasy-Autor Steven Brust, von dessen Serie um den Berufskiller Vlad Taltos bislang (nur) sechs Bände bei Klett-Cotta erschienen sind, obwohl sie mittlerweile dreizehn Bücher umfasst und sogar auf insgesamt neunzehn ausgelegt ist, wie der Autor in dem Interview verrät. Eine Erklärung für das geringe Interesse der deutschen Verlage – und der Leser?! – an seinen Romanen vermag er aber nicht anzubieten. Vielleicht ist der Grund in der Dominanz der deutschen Fantasy-Autoren zu suchen, die auch die Veröffentlichung von neuen Romanen anderer etablierter internationaler Fantasy-Autoren verhindert…?! In jedem Fall stellt die Kombination aus Artikel und Interview, für die Christian Endres verantwortlich zeichnet, eine ideale Möglichkeit dar, einen gar nicht mehr so ‚neuen‘ Autor kennenzulernen.
Das Interview mit dem Fantasy-Autor Oliver Plaschka, geführt von Sonja Stöhr, wird immerhin (noch) mit einer Rezension seines neuesten Romans ergänzt. Die übrigen Autoreninterviews, zum einen mit der Nachwuchsautorin Andrea Bottlinger („Aeternum“, Knaur) und zum anderen mit dem arrivierten Horrorschriftsteller Edward Lee, stehen für sich. Die Gespräche mit Oliver Plaschka und Andrea Bottlinger (geführt von Christian Humberg, mit dem die Autorin bei diversen Projekten zusammen arbeitete) sind zwar informativ, aber relativ harmlos, zumindest im Vergleich mit dem Interview mit Edward Lee, der mitunter sehr brutale Horrorromane schrieb, die in Deutschland nur in einem Kleinverlag (Festa) erscheinen. Nachdem Steven Brust mit einem Berufskiller bereits eine zwiespältige Figur kreierte, wird der von Edward Lee offenbar übertroffen. „Ich entschuldige mich nicht für das, was ich mache.“, sagt er. Nun, warum sollte er sich auch entschuldigen…?!
Nicht in einem Interview, sondern in einem Artikel stellt Horst Illmer den israelischen Science-Fiction-Autor Lavie Tidhar vor, von dem in Deutschland bislang zwei Romane erschienen sind, die sehr interessant anmuten („Bookman: Das Ewige Empire 1“, Piper, und „Osama“, Rogner & Bernhard). Der jüngste wird von Horst Illmer auch besprochen. Ein schöner Hinweis auf einen neuen Autor, der sich offenbar nicht in dem thematischen Einheitsbrei des Genres verliert!
In der „phantastisch!“ darf natürlich nicht eine neue Folge der Serie „Klassiker der phantastischen Literatur“ von Achim Schnurrer fehlen. In der vorliegenden Ausgabe beschäftigt er sich jedoch nicht mit einem Autor, sonder mit einem mehr oder minder fantastischen Motiv: „Schlaraffenland: Die Wegbeschreibung“. Er arbeitet die Ausdrucksformen von der Antike über das Mittelalter bis in die beginnende Neuzeit heraus und stellt Bezüge zur Gegenwart her. Der Text wird in der 52. Ausgabe der „phantastisch!“ fortgesetzt.
Anlässlich des zweihundertjährigen Jubiläums der Erstveröffentlichung der (von ihnen gesammelten) Märchen der Brüder Grimm lässt Sonja Stöhr diverse Autoren, Comiczeichner, Museumsleiter und andere mehr zu Wort kommen – was die Märchen aus ihrer heutigen Einschätzung bedeuten, und welche für Kinder gar nicht zu empfehlen sind… Naja. Okay, wenn die Befragten auf ihre eigenen Werke zu sprechen kommen, heben sie sich von Allgemeinplätzen zu den Grimmschen Märchen ab.
Das Kontrastprogramm bietet Christian Endres in „Auf der Straßen der Toten“, einem Artikel über die Wild-West-Horror-Romane von Joe R. Lansdale („Straße der Toten“, Golkonda). Mit seinem Beitrag „Der Dachs lässt schön grüßen“, dem Kinder- und Jugendbuchklassiker „Der Wind in den Weiden“ (u. a. Knesebeck, 2012) von Kenneth Grahame, nähert er sich den Märchen der Brüder Grimm wieder an...
Die einzige Story in der „phantastisch!“ 51 ist ein Reinfall. „Hunger“ von Jan Gardemann fängt mit einem Vater/Sohn-Konflikt an. Der Vater entpuppt sich nach seinem Tod als Kannibale, dessen Obsession um sich greift… D. h., die Bewohner des Dorfes, in dem der Protagonist heimisch ist, essen sich gegenseitig auf. Und das alles auf etwa eineinhalb Seiten!
Nach der Jubiläumsausgabe macht „phantastisch!“ mit der Nr. 51 nahtlos weiter, was fundierte, vielfältige und interessante Interviews, Artikel und Rezensionen angeht. Aber etwas anderes hatten wir auch nicht erwartet, nicht wahr?