John Everson: Ligeia (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 15. August 2013 11:37

John Everson
Ligeia
(Siren)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Alexander Amberg
Titelillustration von Danielle Tunstall
Festa, 2013, Taschenbuch, 408 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-188-0 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Nichts erschüttert ein Paar mehr, als der Tod ihres Kindes. Seitdem ihr Sohn im Meer ertrunken ist, entfremden Evan und Sarah sich immer mehr voneinander. Sarah sucht Trost und Vergessen im Alkohol, ihr Mann unternimmt manische nächtliche Spaziergänge am Meer. An einer gefährlichen Felsklippe, Gull's Point genannt,stößt er dabei auf eine faszinierende nackte Frau, deren Gesang ihn magisch anzieht. Er lässt sich mit der unbekannten Schönen ein, überwindet gar seine panische Furcht vor dem Meer – nur um erkennen zu müssen, dass die Gerüchte über eine menschenfressende Meerjungfrau der Wahrheit entsprechen..
In dem zweiten Handlungsstrang entführt uns der Autor ins Jahr 1887. Die „Lady Luck“ schmuggelt Alkohol, ihr despotischer Kapitän Buckley vergnügt sich derweil in seiner Kajüte mit einer gefangengenommenen Meerjungfrau. Als seine Sexsklavin befreit wird, schwört Lieeia blutige Rache...
Selten, zu selten, greifen moderne Autoren Motive aus der klassischen Mythologie auf, und führen diese in die Neuzeit. John Everson nimmt sich der Saga um die Sirene aus Homers „Odyssee“ an und verbindet dieses uralte Motiv mit einer im Hier und Jetzt ruhenden Handlung.
Sehr gelungen ist hierbei insbesondere die Darstellung des trauernden Ehepaars. Der Verlust ihres geliebten Kindes prägt die Beiden, deren Beziehung dabei vor dem Aus steht. Die Mutter flüchtet sich ins Vergessen, das ihr der Alkohol bietet, der Vater unternimmt manisch anmutende Spaziergänge am Meer und kehrt immer wieder zum Ort an dem das Kind ertrank zurück. Beide versinken immer mehr in Trauer, Schuld und Selbstmitleid, ohne einen Ausweg aus der Krise zu finden. In diese sehr realistisch und überzeugende Situation hat der Autor dann sein übernatürliches Element eingebettet. Die Sirene, deren Gesang die Männer betört und ihr in die Arme treibt, auf dass sie sich an ihnen laben kann, wirkt hierbei nicht etwa antiquiert, sondern überzeugend und modern.
In recht kurzen, pointierten Kapiteln baut Everson Tempo auf, auch wenn die Ereignisse ein wenig vorhersehbar daherkommen. Über den Kniff, immer wieder Kapitel einzuschieben, in denen er die Vorgeschichte der Sirene erzählt, gelingt es ihm, diese anschaulicher zu porträtieren. Die Darstellungen des Aktes bleiben dabei etwas fade, wiederholen sich, ohne dass hier Stimmung aufkommen würde. Ein wenig unglaubwürdig bleibt, dass die Hauptperson die Kontakte mit der Sirene immer als gegeben hinnimmt, ohne sie zu hinterfragen. Die Geschehnisse auf der „Lady Luck“ bieten dagegen stimmige Einführungen ins Thema und gehören zu den gelungensten Kapiteln des Romans.
Alles in allem ein durchaus gelungener, wenn auch nicht überragender Erstling eines Autors, den man im Auge behalten sollte.