Marita Sydow Hamann: Das Amulett – Die Erben der alten Zeit 1 (Buch)

Marita Sydow Hamann
Das Amulett
Die Erben der alten Zeit 1
Titelgestaltung von Stefan Sternbacher
Karte von Marita Sydow Hamann
Grassroots Edition, 2013, Hardcover, 604 Seiten, 19,80 EUR, ISBN 978-3-200-03083-1 (auch als eBook erhältlich)

Von Christel Scheja

Die 1973 in Norwegen geborene Marita Sydow Hamann wuchs unter anderem in Deutschland, Österreich und Spanien auf. Seit 1999 lebt sie mit ihrer Familie auf einem kleinen Hof in Schweden und arbeitete als persönliche Assistentin für Kinder und Erwachsene mit geistigen und körperlichen Behinderungen, bis sie selbst zur Schmerzpatientin wurde. Um die Krankheit zu vergessen begann sie mit dem Schreiben und stellte 2008 ihren ersten Roman fertig, der als eBook und Print on demand erschien. „Das Amulett“ ist ihr erstes größeres Werk und der Auftakt zur Trilogie „Die Erben der alten Zeit“.

Charlie alias Charlotta Johansson ist vierzehn, als sich ihr Leben für immer verändert. Denn ein verstörendes Erlebnis bringt sie dazu, nicht nur aus dem Heim zu verschwinden, in das sie gesteckt wurde, weil wieder einmal eine Pflegefamilie nicht mit ihr zurechtkam, sondern auch, ihre Akte mitzunehmen. Diese enthält einiges an Überraschungen, unter anderem auch ein seltsames Amulett.

Das Mädchen muss noch verdauen, das es auf höchst ungewöhnliche Art und Weise auf die Erde kam, da umhüllt sie ein seltsamer Nebel und entführt sie auf eine Welt namens Godheim, in der noch immer düsterstes Mittelalter herrscht. Ein freundlicher junger Mann nimmt sich ihrer an und gibt ihr andere Kleidung. Als er am nächsten Morgen nicht wie versprochen zurückkehrt, sieht sie sich alleine auf der Welt um, die von einem grausamen Magier namens Oden beherrscht wird. Ein Geschwisterpaar, das selbst nicht gerade ein gutes Leben führt, nimmt sich ihrer an und hilft ihr, sich auf Godheim zurechtzufinden. Charlie lernt sich zurechtzufinden und erkennt, dass sie scheinbar auf diese mystische Welt voller Fabelwesen und Magie gehört und vielleicht nur hier ihre wahren Eltern wiederfinden kann.

Derweil erwacht Sora auf einer Welt der fernen Zukunft und versucht sich nach einem fünfzehntausend Jahre währenden Schlaf zurechtzufinden, nicht ahnend, dass auch sie bald die Magie ferner Zeit spüren wird...

Eigentlich ist die Grundidee von „Die Erben der alten Zeit“ nicht gerade neu, sondern wird immer wieder gerne benutzt, um Protagonisten aus unserer Zeit in die Vergangenheit oder eine Fantasy-Welt zu versetzen. Marita Sydow Hamann scheut sich auch nicht, noch andere gängige Versatzstücke und Klischees einzubringen – aber sie gewinnt dem Thema dennoch neue und ungewohnte Facetten ab, die dem Roman unerwartete Spannung verleihen. So verläuft nicht alles, so wie man es erwartet, manche vertrauten Handlungsmuster werden umgestaltet. Dazu geht sie ganz natürlich mit dem Geschehen um, vermeidet es, die Kräfte ihrer Heldin zu übertreiben oder Konflikte unnötig zu dramatisieren, was der Handlung und Atmosphäre sichtlich gut tut.

Natürlich wirkt die moderne Heldin in der eher mittelalterlichen Fantasy-Welt zunächst sehr anachronistisch, Charlie passt sich aber ganz gut an und bringt nicht nur ihren Freunden andere Sichtweisen bei, sie lernt auch selbst viel über sich, ihr innenwohnendes Erbe und die Verbindung zu dieser Welt. Die Figur wird relativ gut ausgearbeitet, auch über die Personen in ihrem direkten Umfeld erfährt man ein wenig mehr.

Erfahrene Leser mögen auch hier schon Vieles vorausahnen, wie auch die Verbindung zur zukünftigen Welt und der dortigen Protagonistin Sora, können sich aber dennoch entspannt zurücklehnen, da die Autorin dies mit sympathischen Charakterzeichnungen und einer intensiven Atmosphäre ausgleicht. Eine Romanze ist zwar vorhanden, bleibt aber dezent im Hintergrund, da Freundschaft und Vertrauen zwischen den Helden einfach wichtiger zu sein scheinen als Liebe. Letzteres gelingt, weil sie immer wieder neue Facetten der nordischen Mythologie mit einfließen lässt. Diese schimmern sogar in der noch unabhängigen Zukunfts-Handlungsebne durch, deren Sinn sich erst zum Ende des Buches hin erahnen lässt. Dazu kommt ein flüssiger, lebendiger Stil, eine gesunde Mischung aus warmherzigen Erklärungen, Dialogen und Action, so dass es keine Längen gibt. Allein die Tatsache, dass die Welt und die großen Gegenspieler noch sehr blass und eindimensional wirken, schmälert ein wenig den positiven Gesamteindruck.

„Das Amulett“ ist ein solides Debüt, das vor allem junge und junggebliebene Leser ab zwölf Jahren gefallen dürfte, die eine atmosphärische Mischung aus nordischer Mythologie und verspielter, jugendfreier Fantasy um eine selbstbewusste Heldin und viele Geheimnisse mögen.