Fraternity 1/2 (Comic)

Fraternity 1/2
(Fraternity 1 – Livre 1/2)
Szenario: Juan Díaz Canales
Zeichnungen: José-Luis Munuera
Übersetzung: Uwe Löhmann
Ehapa, 2013, Hardcover, 56 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-7704-3699-6

Von Frank Drehmel

Wir schreiben Mitte des 18. Jahrhunderts. In den Wäldern Indianas finden Trapper einen nackten Jungen, den sie in der kleinen, städtischen Gemeinschaft New Fraternity abliefern. Im Jahre 1863 ist dieser Junge, dem man den Namen Emilio gegeben hat, zu einem zwar quirligen Jugendlichen herangewachsen, der jedoch aufgrund seiner Stummheit kaum integriert ist.

Ursprünglich wurde New Fraternity als sozialistisches Utopia gegründet, in dem Freiheit und Gleichheit die obersten Organisationsprinzipien sein sollten, mittlerweile zeigt sich immer mehr, dass diese Experiment gescheitert ist: die kleine Fabrik des Ortes steht vor ihrer Schließung und unter der Bevölkerung grassiert der Hunger; diese kritische Situation befördert nicht nur unangenehme Fragen, wie etwa nach der faktischen Beteiligung von Frauen oder Nicht-Weißen an den örtlichen Entscheidungsprozessen, sondern lässt auch Konflikte über den zukünftigen Weg zwischen unterschiedlichen Interessenparteien immer massiver zutage treten.

In dieser schon ohnehin angespannten Situationen brechen von außen weitere Störungen über die kleine Gemeinde herein: drei flüchtige Soldaten – mutmaßliche Deserteure – des Sezessionskrieges suchen Unterschlupf und Schutz; und vor den Grenzen des Dorfes lauert ein monströses Wesen, das augenscheinlich über Emilio wacht.

Tjööö … was will uns Szenarist Canales mit dieser Geschichte sagen? Will er uns überhaupt etwas sagen? In „Fraternity“ wird uns eine undurchschaubare Collage aus Historien-Drama, Utopie und Horror-Story serviert, deren einzelne Facetten nicht nur nicht plausibel ineinandergreifen, sondern die jede für sich auch deshalb nicht funktioniert, weil der Autor gerade mal an den Oberflächen kratzt. Der sozio-ökonomische Kontext des Hintergrundes New Fraternitys bleibt genauso ephemer wie die Charaktere selbst, die keinerlei Lebendigkeit ausstrahlen, sondern lediglich Statthalter moralischer, sozialer, ökonomischer Prinzipien – zum Beispiel „homo homini lupus“-zu sein scheinen, bloße konstruierte Funktionsträger. Dramatik und Tragik laufen so ins Leere, emotionale Betroffenheit oder auch nur Nähe löst Canales Erzählung zu keinem Zeitpunkt aus.

Das Artwork hinterlässt einen ambivalenten Eindruck: während der leichte, skizzenhafte Duktus der Zeichnungen zu den dynamischen, karikierenden Figurenentwürfen, den überzeichneten Gesichtern und großen, ausholenden Gesten, passt, kommt die monochrome oder „fast“ monochrome Koloration mit ihren erdigen Sepiatönen, dem verwaschenen, laschen Blau und Grün ohne visuelle Highlights strunzlangweilig daher.

Fazit: Eine Story, die weder Fisch noch Fleisch ist – weder sozio-ökonomisches Manifest, noch Romanze, noch Horror-Geschichte –, die keine erkennbare Richtung und Botschaft jenseits einiger sozialromantischer Plattitüden aufweist, sowie ein kolorativ langweiliges Artwork machen „Fraternity“ wenn auch zu keinem Totalausfall, so doch aber zu einem verzichtbaren Beitrag zur Neunten Kunst.