Garret P. Serviss: Edisons Eroberung des Mars (Buch)

Garret P. Serviss
Edisons Eroberung des Mars
(Edison's Conquest of Mars, 1898)
Aus dem Amerikanischen von Wilko Müller jr.
Titelbild von Mario Franke
Projekte-Verlag, 2009, Paperback, 234 Seiten, 14,50 EUR, ISBN 978-3-86634-807-3

Von Armin Möhle

„Edisons Eroberung des Mars“ ist die Fortsetzung von „Krieg der Welten“ von H. G. Wells – eine unautorisierte, wie Wilko Müller jr. in seinem Nachwort informiert. Heutzutage würde das kein Autor mehr wagen… Die Reaktion von H. G. Wells auf den Nachfolgeband von Garret P. Serviss wird leider nicht überliefert. Es dürfte jedoch außer Zweifel stehen, dass Wells weder aus inhaltlichen noch aus kommerziellen Gründen – die Zyklenmanie ist eine Erscheinung unserer Tage – Interesse daran hatte, eine Fortsetzung selbst zu schreiben.

Der US-amerikanische Autor Garret P. Serviss lebte von 1851 bis 1929. Er studierte Natur- und Rechtswissenschaften, arbeitete jedoch ausschließlich journalistisch und schriftstellerisch. Neben Sachbüchern, vor allem zu astronomischen Themen, verfasste Serviss fünf Romane und eine Erzählung, die wir heute zur Science Fiction rechnen würden. „Edisons Eroberung des Mars“ ist sein einziger in einer deutschen Übersetzung publizierter Roman; seine Erzählung „Das Mondmetall“ erschien in der Anthologie „Das Mondmetall“ (Projekte-Verlag). Beide Texte wurden außerdem 2011 in einer Hardcoverausgabe zusammengefasst (Projekte-Verlag).

Der US-amerikanische Erfinder Thomas Alva Edison untersucht (mit Wissenschaftlerkollegen) die Kampfmaschinen, die die Marsianer auf der Erde zurückließen, entdeckt ihre Energiequelle, entwickelt einen neuartigen Antrieb und eine unüberwindbare Waffe, den Desintegrator. Innerhalb von sechs Monaten werden einhundert „elektrische Schiffe“ (Seite 42) gebaut, bemannt (mit etwa zweitausend Männern, eine Frau soll erst später eine Rolle spielen…) und bewaffnet. Mit an Bord der Flotte sind selbstverständlich Edison und andere (zeitgenössische) Koryphäen der Wissenschaft. Ihr Ziel ist der Mars – und ein Angriff auf seine Bewohner, der sicherstellen soll, dass sie zu keinem Zeitpunkt wieder die Erde attackieren werden.

Nach einem Zwischenstopp auf dem Mond setzt die Flotte ihre Reise zum Mars fort. Auf einem Asteroiden kommt es zur ersten Konfrontation, die sieg-, aber auch verlustreich für die Menschen endet. Nach ihrer Ankunft im Mars-Orbit müssen Edison und seine Mitstreiter feststellen, dass ihre Kräfte zu schwach sind, um die Marsianer in einer militärischen Konfrontation zu schlagen. Doch der Zufall kommt ihnen zu Hilfe: Die Expedition rettet die letzte menschliche Gefangene der Marsianer (die übrigen wurden nach den ersten Angriffen der Flotte massakriert), die die Achillesferse der Marsianer offenbart.

Von der Intention H. G. Wells, der den marsianischen Angriff auf die Erde als Parallele auf das Aufeinandertreffen der Kolonialmächte seiner Zeit (und in der Vergangenheit) auf die chancenlosen Bewohner der okkupierten Länder betrachtete, ist Garret P. Serviss‘ „Edisons Eroberung des Mars“ weit entfernt.

Zum einen besteht der Plot seines Romans in der Rache an den Marsianern. Trotz aller Gewissensnöte, die die Protagonisten von „Edisons Eroberung des Mars“ äußern, bringen sie ein noch größeres Ausmaß an Zerstörung über den Mars als dessen Bewohner über die Erde (in „Krieg der Welten“). Zum anderen in der Vermittlung populärer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Spekulation. Und Lobliedern auf den US-amerikanischen Erfinderreichtum!

Viele Gegebenheiten im Weltraum erkennt und beschreibt Serviss korrekt, anderes wiederum mutet absurd an und ist widerlegt, was aber, relativierend angemerkt, bei einem über einen Jahrhundert alten Roman nicht überraschen kann. Und außerdem ist die SF eine Domäne technischer und wissenschaftlicher Spekulationen geblieben…

Ein Kuriosum darf am Rand vermerkt werden: „Edisons Eroberung des Mars“ ist der älteste (SF-) Roman, in dem die Waffe des Desintegrators auftaucht!

Es verwundert, dass Serviss einen Widerspruch zu „Krieg der Welten“ riskiert: In „Edisons Eroberung des Mars“ wird offenbart, dass die ersten Marsianer vor etwa 9.000 Jahre zum ersten Mal auf der Erde waren – und ebenfalls von Bakterien, gegen die sie keinen Schutz aufwiesen, vertrieben wurden. Hatten sie das vor ihrer (zweiten) Invasion auf der Erde in H. G. Wells „Krieg der Welten“ bereits vergessen? Falls nein, warum haben sie es unterlassen, dieses Problem zu lösen…?!

Immerhin ist „Edisons Eroberung des Mars“ flüssig geschrieben und übersetzt. Einen gewissen Unterhaltungswert besitzt der Roman durchaus, sollte aber nur aus diesem Grund nicht gelesen werden. Ein gewisses SF-historisches Interesse und die Bereitschaft, „Edisons Eroberung des Mars“ auch als Zeitdokument zu betrachten, sollte beim (potentiellen) Leser vorhanden sein.