Dan Simmons: Kalt wie Stahl – Joe Kurtz 3 (Buch)

Dan Simmons
Kalt wie Stahl
Der dritte Joe Kurtz Roman
(Hard as Nails)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Manfred Sanders
Festa, Taschenbuch, 442 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-230-6 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Joe Kurtz war einst einer der besten Schnüffler Buffalos. Sein Spürsinn sorgte dafür, dass die Detektei lief, er und seine Partnerin einer rosigen Zukunft entgegenblicken konnten. Bis jemand eines Tages seine Partnerin ermordete und er Rache nahm. Der Mörder segelte aus dem Fester im dritten Stock direkt auf die Kühlerhaube eines parkenden Autos, Joe wanderte in den Knast.

Nachdem er seine Haftstrafe abgebüßt hatte, war ihm eine Wiederaufnahme seiner Profession gesetzlich untersagt. Statt von der Stütze zu leben suchte und fand Joe neue Auftraggeber, denen die Rechtslage schnurz war. So verdient Joe im Auftrag des organisierten Verbrechens seinen Lebensunterhalt mit dem Einzigen, was er richtig gut kann: er enthüllt Geheimnisse, klärt Verbrechen auf und sorgt für ein klein wenig Gerechtigkeit, wenn er denn kann. Seiner Bewährungshilfe, bei der er sich regelmäßig melden muss, tischte er ein nicht ganz erfundenes Märchen von einer florierenden Internetagentur für die Suche nach alten High-School-Liebschaften und Hochzeitsvorbereitungen auf.

Als er eines Nachmittags zusammen mit seiner Bewährungshelferin in die Tiefgarage kommt, wird ein Anschlag verübt. Eine Kugel streift Joes Kopf, die städtische Beamtin wird lebensbedrohlich verletzt und fällt ins Koma. Wer hat das Attentat verübt, auf wen zielte die Waffe und wo liegt das Motiv?

Während Joe eigentlich nichts lieber täte, als diesen Fragen nachzugehen, setzen ihn alte Auftraggeber unter Druck. Ein Unbekannter ermordet Dealer und deren Junkies, die beiden, die Stadt unter sich aufteilenden Mafiafamilien sind beunruhigt. Der „Artful Dodger“, wie sich der Killer selbst nennt, ruft nach seinen Taten die Mafiosi an und lässt diese hinter ihm aufräumen. Die wenigen Hinweise führen Joe zu einem seit Jahren aufgegebenen Vergnügungspark und einem Verbrechersyndikat, das von ganz oben gedeckt wird…

Mit dem kauzigen Raubein Joe Kurz hat Simmons uns einen Helden vorgestellt, der mich, obzwar ganz anders angelegt, von der Art her an Wilsons Repairman Jack (dt. Handyman Jack) erinnert hat. Nach außen ganz der toughe Typ, der um Gerechtigkeit zu üben ohne zu zögern über Leichen geht, der aber bei all seinen Handlungen immer von seinem ganz eigenen moralischen Kompass geleitet wird. Das ist einfach eine sehr griffige, kantige und damit interessante Figur, deren Schicksal den Leser berührt und dessen Mut und Prinzipientreue man als Leser bewundert. Auch, ja vielleicht gerade weil er nicht immer nett ist, weil er nachvollziehbar nie die andere Backe hinhält sondern lieber Auge und Auge, Zahn um Zahn vorgeht, hätte man ihn gerne als verlässlichen Freund an seiner Seite.

Neben dieser Figur dominiert aber der Artful Dodger den Roman. Selten habe ich von einem solch schrägen, geheimnisvollen und gleichzeitig bedrohlich wirkenden Killer gelesen. Was ist das für ein Mensch, der innerlich distanziert, unterkühlt, ja nicht einmal von perversen Gelüsten gelockt seine Aufträge abarbeitet und eigentlich nur von dem Wunsch angetrieben wird, die Morde effizient zu erledigen? Das erinnert mich ein wenig an die Figur des Hannibal Lecter, obwohl der Artful Dodger als Figur ganz anders angelegt wurde. Beide, Hannibal wie der Dodger, lehren dem Leser das Gruseln, gerade weil sie außerhalb jeglicher nachvollziehbarer Motivation agieren, weil sie ihr Menschsein weitgehend abgelegt haben.

Simmons fährt in seinem letzten Band um Joe Kurtz noch einmal alles auf, was die Romane so packend gemacht haben. Neben der Figur des lonesome Privat Eye wartet eine Achterbahnfahrt voller mitreißender Action, markante Figuren und jede Menge Geheimnisse auf den Leser. Mit angehaltenem Atem verfolgt man die überraschende Auflösung der Rätsel, übersteht mit dem Protagonisten die Vorkommnisse – von Triumph mag man angesichts der Opfer und des Leids hier nicht sprechen.

Das hat eine erzählerische Wucht, die uns in die Handlung hineinzieht und einmal mehr zeigt, welch begnadeter Erzähler Dan Simmons ist.