Alexa Hennig von Lange: Der Atem der Angst (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 10. April 2013 12:06
Alexa Hennig von Lange
Der Atem der Angst
cbt, 2013, Paperback mit Klappenbroschur, 410 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-570-16092-3
Von Irene Salzmann
Michelles kleine Schwester Leonie verschwindet spurlos aus der Sportstunde. Ein unbekannter Anrufer teilt dem entsetzten Teenager mit, dass Leonie nichts passieren wird, wenn sich Michelle an ihrer statt opfert. Kurz darauf ist auch Michelle wie vom Erdboden verschluckt. Ihr Freund Louis, der seine jüngere Schwester Isabel vor einigen Jahren auf ähnliche Weise verloren hat, lässt nichts unversucht, um Michelle zu finden. Sein Vater hatte sich für Isabel geopfert – vergeblich. Bis das Mädchen gefunden wurde, war es tot. Louis folgt einer Spur in den Wald und trifft dort auf Maya, die sich seit sieben Jahren in der Wildnis versteckt, weil ihr inzwischen verunglückter Vater befürchtet hatte, dass auch sie auf die Liste des Mörders geraten könnte.
Zwar weiß Maya nicht viel, aber genug, um einige von Louis Fragen beantworten und das Verschwinden der Mädchen mit zurückliegenden Tragödien in Zusammenhang bringen zu können.
Zunächst liest sich „Der Atem der Angst“ wie ein konventioneller, recht brutaler Krimi, in dem Kinder entführt werden und man den Angehörigen verspricht, dass das Opfer freikommt, wenn ein anderer seine Stelle einnimmt. Dann fließt ein Hauch „Robinson Crusoe“ ein, denn nach dem ersten Vorfall dieser Art flohen Maya und ihr Vater aus dem Ort St. Golden und versteckten sich im Wald, damit „die Widerlichen“ sie nicht erwischen können.
Dass sich an Komfort gewöhnte Stadtbewohner mehrere Jahre in der Wildnis durchschlagen, praktisch mit auf Steinzeit-Niveau gesunkenen Hilfsmitteln, lässt das Ganze unglaubwürdig wirken, da es logischer erscheint, wenn sich Vater und Tochter anderweitig abgesetzt hätten (Ausland, neue Identitäten), sofern sie nicht den Mut aufbrachten, die Polizei einzuschalten. In der Nähe zu bleiben und die Entdeckung zu riskieren, ist schlicht naiv, wenn nicht gar dumm. Allerdings hätte dann die Handlung nicht funktioniert, denn Louis und Maya, die beide eine Art Halbwissen besitzen, fügen gemeinsam das Puzzle zusammen, bei dem eine Tragödie in den Fokus rückt, die sich vor ihrer Geburt abspielte und die Konsequenzen für alle Beteiligten nach sich zog. Wie sich herausstellt, gibt es keineswegs nur einen Mörder, der sich rächen will – alles ist sehr viel komplizierter. Und damit schon wieder unnötig verwinkelt, weil es den Erfolg der Recherche von zahlreichen Zufällen und scheinbaren Nebensächlichkeiten abhängig macht, die zusammen zwar die Lösung ergeben, jedoch andere Fragen aufwerfen, denen später nicht mehr nachgegangen wird wie das weitere Schicksal von ‚Niemand‘ und Leonie, die zwar überlebt, aber zweifellos traumatisiert ist und keine intakte Familie vorfindet.
Die einzelnen Kapitel werden aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet, mal aus der von Louis, dann aus der von Maya, von der Polizistin Heidi und anderen. Auch dieses ‚Patchwork‘ trägt seinen Teil dazu bei, dass sich die Geschichte allmählich zu einem Bild formt. Nach der Lektüre fragt man sich, ob es wirklich notwendig war, den wahren Drahtzieher am Schluss so brutal reagieren zu lassen, da sich der Titel an Leser ab etwa 14 Jahre wendet.
„Der Atem der Angst“ ist ein durchaus spannendes Buch, aber vom Thema her nicht neu und stellenweise unnötig brutal, vor allem in Hinblick auf die Zielgruppe, Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahre.