Die Kinder des Kapitän Grant 1 (Comic)

Die Kinder des Kapitän Grant 1
(Les enfants du capitaine Grant)
Szenario & Artwork: Alexis Nesme
Übersetzung: Resel Rebiersch
Splitter, 2013, Hardcover, 48 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86869-578-6

Von Frank Drehmel

„Die Kinder des Kapitän Grant“ basiert auf einer 1867/1868 erschienen Geschichte des großen französischen Romanciers Jules Verne, dessen umfangreiches Œuvre auch heute noch mit phantastischen Abenteuergeschichten, Reiseerzählungen und Science-Fiction-Storys Jung und Alt zu begeistern vermag und dessen Werke längst zum (jugend)kulturellen Kanon gehören.

Wir schreiben den Juli 1864: Während der Erprobungsfahrt des umgebauten Dampfsegelschiff „Duncan“ finden der schottische Lord Glenarvan und seine Crew im Magen eines gefangenen Hammerhais eine Flaschenpost, welche Textfragmente enthält, deren Dechiffrierung sie auf die Spur des vermissten und totgelaubten Entdeckers Kapitän Grant bringt. Zurück in London versucht der Pair, die Admiralität von einer Expedition zur Rettung Grants zu überzeugen, muss aber unverrichteter Dinge abziehen. Dennoch lässt den Philanthropen die Angelegenheit nicht ruhen und als sich auf eine Zeitungsannonce hin die beiden Kinder des Kapitäns melden, startet er von Glasgow auf eigene Rechnung das Rettungsunternehmen.

Kaum ist die „Duncan“ unter Kapitän John Mangles ausgelaufen, an Bord unter anderem Lord Glenarvan, seine Frau Helena sowie die beiden Kinder Robert und Mary, entdeckt die Crew einen unfreiwilligen blinden Passagier, den französischen Kartographen Jacques Eliaon Francois Marie Paganel, der sich schlichtweg im Schiff geirrt und das Auslaufen verschlafen hat und der nun statt nach Kalkutta Richtung Südamerika unterwegs ist.

Nachdem sie schließlich ihr Ziel, die Küste Chiles, erreicht haben, verlässt die kleine Abenteurerschar das Schiff, um den Kontinent den Hinweisen aus den Papieren folgend entlang des 37° Breitengrades zu durchqueren, während die „Duncan“ um Kap Horn zur Ostküste segelt, wo man auf die Expedition warten will. Doch der Weg über die Kordilleren und durch Patagonien erweist sich als äußerst mühsam, denn nicht nur wilde Tiere warten auf die Europäer, auch Naturkatastrophen wie ein Erdbeben und eine Sintflut bringen die Reisenden in tödliche Gefahr.

Über die Handlung an sich muss man nicht viel Worte verlieren, denn auch wenn „Die Kinder des Kapitän Grant“ nicht zu Vernes bekanntesten Werken gehört, so dürften die meisten (erwachsenen) Leser doch eine vage Vorstellung vom Geschehen haben. Nesme bemüht sich in seinem Comic um eine vergleichsweise werknahe Umsetzung, sodass die wendungsreiche, dynamische, spannende und auf eine seltsame Art auch anachronistische Geschichte den abenteuerlichen, lehrreich-warmherzigen Charme aufweist, den Verne intendierte.

Weniger eindeutig positiv ist hingegen das Artwork, denn der Künstler lässt sich dazu hinreißen aus den Protagonisten rein physiognomisch vermenschlichte – anthropomorphe – Tiere zu machen, ohne dass es spürbare Auswirkung auf die Handlung oder Konsequenzen zeitigt. Da agiert der Tiger neben dem Fuchs, der Bär neben Eule, Frosch oder Adler, wobei Nesme nicht deren natürlichen Proportionen oder Bedürfnisse im Auge behält, sondern letztlich menschlichen Körpern lediglich Tierschädel – ja Masken – überstülpt. Anders als Walt Disney (um ein Beispiel aus dem Bereich der Funnys zu bemühen), gelingt es ihm jedoch nicht, sympathische, ausdrucksstarke Gesichter und damit Figuren zu kreieren, sondern schafft vor allem visuelle Distanz und Verstörung.

Grandios und gelungen ist hingegen die künstlerische Gestaltung des Ambientes, der Hintergründe, des Interieurs. In malerischen, farbenfrohen detailreichen Bildern lässt Nesme eine vergangene Zeit auferstehen, entwirft prächtige Landschaften und Panoramen, die zuweilen die Grenze zum Kitsch haarscharf tangieren. Dezente Vignetten um Kapitelüberschriften und Narrative Boxes verleihen der Geschichte zusätzlich historischen Charme und letztlich auch eine weitere Wahrnehmungsebene, indem sie die Distanziertheit eines Reiseberichts zumindest visuell vorgaukeln.

Fazit: Eine spannende, eher an ein jugendliches Publikum adressierte Abenteuergeschichte, deren künstlerische Umsetzung in Bezug auf die anthropomorphe Tierfiguren zwar nicht überzeugt, deren Bilder jedoch ansonsten eine visuelle Pracht präsentieren, die das Album auch für ältere Semester empfehlenswert macht.