Christoph Weidler (Hrsg.): Saramees Blut (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 24. März 2013 10:01
Christoph Weidler (Hrsg.)
Saramees Blut
Titelillustration von Chris Schlicht
Atlantis, 2013, Paperback, 216 Seiten, 12,90 EUR, ISBN 978-3-386402-044-5 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Saramee, die Stadt am Meer, ist seit einiger Zeit von der Außenwelt abgeschnitten. Eine Schiffsblockade verhindert den Import von Waren und Nahrungsmitteln, die Bewohner, gleich ob Mensch, Feydara, Glisk oder Gayra, leiden Hunger. Die vielen Flüchtlinge, die auf der Suche nach Freiheit nach Saramee gekommen sind, verschärfen die Lage weiter. Damit nicht genug gibt es in der Stadt Tendenzen, die Nichtmenschen für alle Not, Gewalt und Verbrechen verantwortlich zu machen – ein Genozid droht.
In dieser explosiven Situation berichten uns die Autoren von einer neu gegründeten Sondereinheit der Stadtwache. Begleiten wir also Hauptmann Balvin Croft, Janir der Jinjend und Abal bei ihrem Dienst, der sie in die Herrenhäuser der Honoratioren ebenso führt wie in die Katakomben, die Elendsviertel und die Räuberhöhlen der Stadt – wobei die Übergänge fließend, die Unterschiede, sieht man genauer hin marginal sind…
Mit vorliegender Anthologie – zukünftig wird es nur eine, dafür umfangreicherer Anthologie pro Jahr geben – entwickelt sich die Shared-World-Reihe weiter. Waren die Autoren bislang gänzlich frei in dem, was sie fabulierten, verband lediglich der gemeinsame Handlungsort die Geschichten miteinander, so verbindet nur ein lockerer roter Faden die Beiträge. Mit dem Ermittlertrio ziehen gleichzeitig deutlicher als bislang schon Kriminalelemente in die Handlung ein. Das heißt nur nicht, dass sich alle Geschichte sklavisch an die Vorgaben und die Fortsetzung der Handlungen halten, dass es nicht Raum geben würde für ganz eigene, persönliche Geschichten die der jeweilige Verfasser in Saramee angesiedelt hätte. Dennoch bietet der Fokus auf die Stadtwache und deren Ermittlungen eine Klammer, die den Beiträgen einen Rahmen geben, in dem sie, bei aller innewohnenden Selbstständigkeit, doch miteinander verbunden sind und aufeinander Einfluss nehmen. Zudem gelang es Chris Weidler für jede Story einen anderen Illustrator mit der grafischen Umsetzung zu betrauen.
So unterschiedlich die Geschichten, so vielfältig auch deren bildliche Umsetzung. Und das Ergebnis kann sich sehen und lesen lassen. Mit Guido Krain, Christoph Hardebusch und Stefan Russbült hat man gar drei Profis dazu ermuntern können, ihre Phantasie in Saramee auf die Reise zu senden. Insgesamt bietet der Band, für dessen Lektüre die Kenntnis der vorhergehenden Bände nicht notwendig ist, für jeden Geschmack etwas, verwöhnen die Geschichten den Rezipienten abwechslungsreich und stilistisch wie optisch ansprechend.
Christop Weidler selbst eröffnet der Reigen mit „Saramees Blut“, in der uns der Verfasser von einem Serienkiller berichtet, der seinen Opfern das Herz aus der Brust reißt, um damit eine dunkle Macht zu beschwören. Als er die Frau eines Stadtbüttels ermordet und das Kind entführt, wird die Angelegenheit für die Stadtwache persönlich.
Tobias Radloffs „Der Räuber“ berichtet uns in einem recht kurzen Beitrag losgelöst von dem Ermittlertrio vom Schicksal eines Diebes, der die Gilde um ihren Anteil betrogen hat.
Ralf Steinbergs „Die Bedeutung einer Feder“ ist einer der längeren Beiträge der Anthologie. In einer sorgfältig angelegten Handlung schildert er uns nicht nur die explosive Stimmung, die in der Küstenstadt herrscht, das Misstrauen, ja Ablehnung, derer sich alle Nichtmenschen plötzlich gegenüber sehen, sondern auch von einem Mordfall. Dass und wie der Täter für seine verwerfliche Tat zur Rechenschaft gezogen wird, und wie dies mit dem Bund der Nichtmenschen zusammenhängt, sorgt für spannenden, atmosphärisch dichten Lesespaß.
In Guido Krains „Mantel des Schweigens“ begegnen wir einem skrupellosen Dealer und Lederhändler, der die Notlage seines Lieferanten ausnutzen will, um sich zu bereichern. Zunächst geht dies auch gut, denn Rache will gut vorbereitet sein.
Carsten Steenbergen macht uns in „ Caju-Geheimnis“ mit zwei Kleinganoven bekannt, die im Auftrag der Schattengilde aus einem Haus einen wertvollen Gegenstand entwenden sollen. Doch der Auftrag ist nur vorgetäuscht, wartet doch im Haus eine besondere Fall auf die Diebe.
Arthur Gordon Wolf wendet sich in „Tote Parcela“ dann wieder einmal dem zwischenzeitlich als Privatermittler arbeitende Panoptes zu. Gemeinsam mit dem Hauptmann sucht er eine Reihe von Morden aufzuklären, bei denen toten Vögel am Tatort zurückgelassen werden.
Christoph Hardebuschs „Denn sie folgen meinem Ruf“ berichtet uns vom mysteriösen Verschwinden jungen Mädchen, die äußerlich zu bezaubernden Frauen verändert, aber ohne eigenen Willen ihrer neuen Herrin gehorsam sind.
Carsten Thomas schließt sich mit seinem Beitrag „Der Prophet von Saramee“ an und entführt uns ins Gefängnis, in dem ein blinder Mörder als wahrer Prophet von sich reden macht.
In Stefan Russbülts „Finger Gottes“ begegnen wir einem Alchimisten, der ein gar wundersames Elixier zusammengebraut hat. Der Trank verleiht seinem Trinker für kurze Zeit übermenschliche Kräfte. Als Verbrecher davon Wind bekommen und die Tochter des Erfinders entführen, kann nur einer helfen – der Trank selbst.
Christian Künne erzählt uns in „Berars Suche“ von einem Mann, der nach Saramee zurückkehrt um eine alte, längst fällige Rechnung zu begleichen. In jungen Jahren hat ihn sein Freund und Partner verraten – nur gilt es Rache zu nehmen und den damals verlorenen Schatz wiederzufinden.
Tosten Scheib schließlich rundet den Band mit „Nemesis“ ab. Abal, der sich erst kürzlich der Stadtwache angeschlossen hat, der immer noch auf der Suche nach seiner entführten Tochter ist, wird gefangengenommen und soll grausam gefoltert und getötet werden – doch haben die Verbrecher nicht mit Abals neuen Kollegen gerechnet.