Sergej Lukianenko: Wächter des Morgen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 24. März 2013 09:50
Sergej Lukianenko
Wächter des Morgen
Wächter 5
(Novyi Dozor, 2012)
Aus dem Russischen von Christiane Pöhlmann
Titelgestaltung von Animagic unter Verwendung eines Bildes von Dirk Schulz
Heyne, 2012, Paperback, 450 Seiten, 13,99 EUR, ISBN 978-3-4533-1411-5 (auch als eBook erhältlich)
Von Armin Möhle
Erst nach sechs Jahren setzt der russische Autor Sergej Lukianenko seine „Wächter“-Reihe fort – was Hoffnung auf einen guten Roman des russischen Autors weckt. Neben den „Wächter“-Bänden verfasste Sergej Lukianenko eine Reihe von Science-Fiction- und Fantasy-Romanen, die zwar routiniert geschrieben waren, sich jedoch nicht durch inhaltliche Originalität auszeichneten (wie beispielsweise „Weltengänger“/„Weltenträumer“, „Sternenspiel“/„Sternenschatten“ oder „Das Schlangenschwert. Und nach denen so Mancher die Lektüre von weiteren Romanen des Autors beendete – vorerst.
Die „Wächter“ sind sogenannte ‚Andere‘, magisch begabte Menschen, die neben und unerkannt von der übrigen Bevölkerung leben. Unter ihnen existieren ‚Lichte‘ und ‚Dunkle‘, die Guten und die Bösen (vereinfachend ausgedrückt,) die, um einen immer währenden Krieg zwischen ihnen zu vermeiden, einen Vertrag geschlossen haben, der Regeln für ihre Aktivitäten aufgestellt hat. So berechtigt zum Beispiel eine magische Aktion der Lichten die Dunklen zu einem ähnlichen Eingriff. Damit diese Balance nicht aus dem Gleichgewicht gerät, überwachen sich die Lichten und die Dunklen gegenseitig. Woraus sich die Titel der Romane ableiten. Es erübrigt sich fast zu erwähnen, dass die Romane in Moskau und in anderen Städten Russlands spielen, später auch in Westeuropa.
Die „Wächter“-Romane enthalten jeweils drei Episoden, über denen sich ein Handlungsbogen spannt. In dem ersten Roman, „Wächter der Nacht“, stehen Auseinandersetzungen zwischen den Wachen der Lichten und der Dunklen im Vordergrund, in die Anton Gorodezki auf der Seite der Lichten verwickelt wird. Danach wechselt der Autor die Perspektive; in „Wächter des Tages“ sind überwiegend dunkle Andere die Protagonisten. Die Konflikte zwischen den Lichten und den Dunklen treten in „Wächter des Zwielichts“ und „Wächter der Ewigkeit“ in den Hintergrund, stattdessen arbeiten die Magier gegen neue Feinde zusammen.
Die „Wächter“-Romane zeichnen sich durch eine originelle, schnörkellose, erfrischende und unverbrauchte Kombination von bekannten Sujets der Fantasy und des Horrors aus. Einer ambivalenten Darstellung der Protagonisten stehen mitunter vorhersehbare Handlungsabläufe und überflüssige Dialoge gegenüber. Die ersten zwei „Wächter“-Romane wurden unter den Titeln „Wächter der Nacht“ und „Wächter des Tages“ verfilmt, nicht vollständig den Büchern folgend, was nicht ungewöhnlich ist (der Film „Wächter der Nacht“ gibt nur die erste Episode des gleichnamigen Buches wieder, „Wächter des Tages“ greift die übrigen Episoden des ersten „Wächter“-Buches auf).
Auch in „Wächter des Morgen“ wird das Geschehen – wie im größten Teil der „Wächter“-Romane beziehungsweise -Episoden – aus der Sicht Anton Gorodezkis erzählt, der in den Romanen zu einem Hohen Magier der Nachtwache aufrückte. In „Wirre Ziele“ begegnet Gorodezki einem jungen Propheten, der von dem Tiger, einem Geschöpf des magischen Zwielichts, einer Halbwelt jenseits der Realität, verfolgt wird. Das Zwielicht will verhindern, dass der Junge seine (Haupt-) Prophezeiung ausspricht. In der Nachtwache kommt es zum Showdown. Eine Dienstreise schildert „Wirre Zeiten“; Anton Gorodezki sucht den einzigen Propheten auf, der eine Begegnung mit dem Tiger überlebte und begegnet dabei der Hexe Arina, die aus eigennützigen Gründen an den Prophezeiungen interessiert ist und ihn übertölpelt. Auf Anton selbst konzentriert sich die dritte Episode, „Wirre Taten“. Er lernt die Prophezeiung des Jungen aus „Wirre Ziele“ kennen und lockt damit den Tiger an. Es stellt sich heraus, dass die Motive des Tigers weit über sein ursprüngliches Motiv hinausgehen; die Existenz des magischen Zwielichts steht auf dem Spiel.
Sergej Lukianenko fügt mit „Wächter der Nacht“ seinem Zyklus einen weiteren interessanten und neuen Baustein hinzu. Weder die Funktion der Propheten noch der Charakter des Zwielichts wurden in den vorangegangenen Romanen beleuchtet. Der Autor zeigt sich erneut ambivalent, indem er die Rolle und die Existenzberechtigung der Anderen und des Zwielichts in Frage stellt, ist aber nicht so konsequent, mit „Wächter der Nacht“ seinen Zyklus zu beenden..
Der Roman ist gradlinig erzählt und mit nur wenigen Nebenhandlungen versehen, die Episoden erreichen nicht unbedingt dieselbe Komplexität wie die aus den ersten vier „Wächter“-Romanen; einige Dialogen muten zudem etwas schwafelig an. „Wächter der Nacht“ bleibt dennoch eine zwar späte, aber gelungene Fortsetzung des „Wächter“-Zyklus‘, der erneut zeigt, dass Sergej Lukianenko als Autor vor allem dann interessant ist, wenn er sich seinen eigenständigen, unverwechselbaren Plots widmet. Unter diesen Umständen wäre es bedauerlich, auch auf den nächsten „Wächter“-Roman wieder sechs Jahre warten zu müssen…!