Dan Simmons: Die Hyperion-Gesänge (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 13. Februar 2013 09:59

Dan Simmons
Die Hyperion-Gesänge
(Hyperion,1989; The Fall of Hyperion, 1990)
Deutsche Übersetzung von Joachim Körber
Mit einem Nachwort von Sascha Mamczak
Heyne, 2013, Paperback, 1406 Seiten, 18,99 EUR, ISBN 978-3-453-52978-6 (auch als eBook erhältlich)
Von Gunther Barnewald
Dan Simmons ist einer der brillantesten und stilistisch reifsten Autoren der Gegenwart, der jedoch unter den Genre-Schranken der Literatur leidet wie kaum ein zweiter. Vergleichbar mit Iain Banks bewegt sich auch Simmons in verschiedenen Genres hin und her, von der SF über den Thriller in den Mainstream und den Horror, wobei die Spannbreite des Amerikaners die des Engländers noch deutlich übertrifft.
So begann Simmons Karriere mit dem tollen Horror-Roman „Song of Kali“ (dt. „Göttin des Todes“), dem noch das ein oder andere Horror-Meisterwerk folgte (erwähnt sei hier vor allem „Fires of Eden“, dt. „Die Feuer von Eden“). Mit anderen Werken (z. B. „In der Schwebe“ und „Das Schlangenhaupt“ machte er sich auch außerhalb des Genres einen Namen.
Nicht unerwähnt sollten die vielen genialen Kurzgeschichten des Amerikaners bleiben, die auch immer wieder Preise einheimsten.
Doch gerade diese Vielfalt machte es vielen in Genregrenzen denkenden Fans schwer, bei dem einfallsreichen Autor zu bleiben. So dürften viele ausgewiesen Horrorfans von der ersten deutschen Veröffentlichung von Simmons Meisterwerk, den beiden ersten „Hyperion“-Bänden, überfordert gewesen sein, während viele SF-Fans dieses Erscheinen in der Allgemeinen Reihe des Heyne Verlags 1991 beziehungsweise 1993 einfach verpassten. Nur so ist zu erklären, dass der Heyne Verlag die beiden Bücher nochmals in seiner Reihe „High 8000“ veröffentlichen musste, bis sich Simmons Ruhm endlich herumgesprochen hatte (wobei bei dieser Veröffentlichung dem Verlag das Missgeschick unterlief, dass man die letzte Seite des ersten Bandes nicht druckte).
Die erneute Neuausgabe (nach einer weiteren Neuausgabe 2002) ist deshalb nur die konsequente Wiederveröffentlichung eines absoluten SF-Meisterwerks, von dem der erste Band zu Recht den Hugo Award bekam.
Vor allem dieser erste Band ist über alle Maßen fesselnd und beeindruckend. In ihm wird die Geschichte von sechs Reisenden erzählt, die vermutlich um das Jahr 2700 herum versuchen, den Planeten Hyperion zu erreichen. Inmitten eines galaktischen Krieges erweist sich dieser abgelegene Planet als wichtiger Krisenpunkt, der vielleicht über das Schicksal der Menschheit entscheiden könnte.
Im ersten Band, „Hyperion“, nimmt sich der Autor viel Zeit alle sechs Reisenden genau und akribisch vorzustellen, denn die Reise nach Hyperion ist lange und gibt jedem Protagonisten genug Zeit aus seinem Leben zu erzählen. So erfährt der Leser nicht nur viel über diese unterschiedlichen Menschen, sondern auch über die hier entworfene Zukunft. Meisterhaft versteht es der Autor hierbei sowohl die Psychen seiner Protagonisten als auch deren Lebensumstände und deren Motivation zu beleuchten. Jede der hier geschilderten Geschichten wäre eine eigenständige Veröffentlichung wert gewesen, manche sogar, so wie die des katholischen Priesters, wäre sogar als eigenständiger Roman beeindruckend gewesen.
Nach der Expedition in die Innenwelten der Protagonisten widmet sich Simmons im zweiten Band ausführlich der Handlung und dreht dabei die Spannungsschraube immer mehr an. Die Reisenden sind inzwischen auf Hyperion angekommen, wo sich die dortigen Zeitgräber zu öffnen scheinen und das unheimliche Wesen namens Shrike aus ihnen emporzusteigen droht. Nahezu zeitgleich erreicht der Krieg Hyperion und der Autor initialisiert eine Tour de Force, die den Leser bei der Stange hält und in seinen Bann schlägt.
Gespickt mit literarischen Anspielungen (vor allem auf den englischen Dichter John Keats und die berühmten „Canterbury Tales“ von Chaucer, die übrigens im Aufbau als Vorbild für „Hyperion“ dienten) sind beide Werke ein absoluter Meilenstein der SF und sicherlich bereits ein moderner Klassiker. Vergleichbar mit Banks „Bedenke Phlebas“ sind die vorliegenden Bände eine konsequente Erneuerung der Space Opera, wobei jedoch deren in früheren Zeiten oft klägliches Niveau beziehungsweise das rein auf Unterhaltung angelegte Niveau der 70er Jahre von Simmons mühelos überschritten wird. Sowohl stilistisch als auch inhaltlich überzeugen beide Bücher, wobei jedoch der erste Band noch deutlich stärker erscheint. Simmons beging leider den Fehler, den ersten beiden Bänden inzwischen noch zwei weiter folgen zu lassen, die man sich aber getrost ersparen kann und sollte.