Horus W. Odenthal: Ninragon 1: Die standhafte Feste (Buch)
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- Veröffentlicht: Samstag, 02. Februar 2013 11:06
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Horus W. Odenthal
Ninragon 1: Die standhafte Feste
2011, kindle-eBook, ca. 480 Seiten, 3,99 EUR
Von Carsten Kuhr
Er wuchs als verachteter Häuptlingssohn bei den Valgaren, den Barbaren des kargen Nordens, auf. Sein Name: Auric Torarea Morantes. Seine Mutter kam aus einem der Königreiche, in denen Lesen und Kultur etwas galten, in denen das Wissen an Schulen und Universitäten vermittelt wurde. Sein Vater hat sie als Kriegsbeute auf sein Lager gezerrt, den Sprössling seines Schoßes innerlich aber immer als verweichlicht abgelehnt. Despotisch regiert er seinen Stamm, führt seine wilden Krieger ein ums andere Mal in vorderster Front kämpfend ins Gefecht.
Doch Auric überrascht seinen Vater. Das Abschlagen von Häuptern meistert er ebenso wie das Öffnen von Bäuchen, und all dies, ohne auf die Droge, die die Stammeskrieger in einen berserkerähnlichen Rausch versetzt, zu kosten, oder auf die Lektüre von geschichtlichen Werken aus dem Süden zu verzichten. Doch Auric will mehr vom Leben, als nur der Nachfolger seines von ihm gemeuchelten Vaters zu werden. Er ist neugierig, nein wissensdurstig. Es zieht ihn in die Reiche des Südens, wo es Horte des Wissens, Orte des Lehrens gibt. Doch auch dort sieht man in ihm nur einen Schläger, einen Söldner, ist nur sein Kampfgeschick wirklich willkommen. Als Söldner der Idirianer will er sich das Salär für den Besuch der Universität verdienen – und gerät mit den Spitzohren, den legendären Elfen, aneinander.
Im Kampf gegen die Reste des Elfenvolks, das sich gerade in die fernen Gestade verabschieden will, trifft er auf Überbleibsel längst vergessener Reiche, Zivilisationen und dunkle Gefahren. Selbst ein Armbrustbolzen durch seinen Hals kann ihn nicht stoppen. Jahre später schafft er es bis ins Reich der Elfen. Schwer verletzt, ob des Kampfes gegen ein künstliches Wesen, findet er Aufnahme, wenn auch keine Akzeptanz bei den Ninraé, den Elfen auf dem Himmelsriff. Durch und mit Auric wollen die letzten der Elfen erfahren, was in der Welt passiert, was sie bedroht. Und der wissensdurstige Barbar will die Elfen kennen lernen…
Auf den ersten Blick lässt sich der Text in die Reihe „Conan & Co.“ einreichen. Wir begegnen einem Barbaren, der taktisches Geschick und Fähigkeiten im Umgang mit Waffen vereint und seine Gegner das Fürchten lehrt. Ein genauerer Blick auf den Text aber zeigt, dass sich hinter dem Äußeren ein Mensch verbirgt, der weit mehr vom Leben erwartet, als nur Kampf, Sieg und Triumph. Er will lernen, sucht auch die mentale Auseinandersetzung mit intelligenten Gesprächspartnern. Dies – und wie er zunächst scheitert – bietet dem Autor die Möglichkeit, in packend geschilderten Kämpfen zu schwelgen. Dabei zeichnet er aber seine Gestalten weit vielfältiger, als wir dies von vergleichbaren Heroen gewohnt sind. Hier begegnen uns Protagonisten, die ihrem Beruf selbstkritisch ja distanziert gegenüberstehen, für die das Töten ihrer Gegner ein Beruf ist, die nicht etwa auf billiges Ehr-Geschwafel oder blinde Gefolgschaft aufbauen. Zwar hinterfragen auch sie ihre Tätigkeit, das Töten von denkenden Wesen, nicht, reflektieren nicht über Schuld oder Zulässigkeit von Gewalt und Krieg, doch heben sie sich wohltuend von den sonst üblichen Schlagetots ab.
In Rückblicken auf dem Krankenbett, während Auric von den Elfen gepflegt wird, erfahren wir von dessen Schicksal. Immer wieder kommt dabei Aurics Wissensdurst zum Vorschein, gelingt es dem Autor aber auch, uns die Elfen behutsam näherzubringen. Erstaunlich dabei, dass sich die beiden Handlungsstränge stilistisch deutlich unterscheiden. Die Kampfbeschreibungen sind sprachlich sehr direkt, voller Wucht aber auch gespickt mit Kraftausdrücken. Demgegenüber befleißigt sich der Autor in den Gesprächen unter und mit den Elfen einer ganz anderen, gehobeneren Sprache. Die Wandelbarkeit im Sprachgebrauch, die sich auch in den Rückblicken immer wieder offenbart, ist selten und trägt, weil sie sehr bewusst eingesetzt wird, zur Faszination des Plots bei.
Inhaltlich hat sich der Autor nicht etwa auf bekannte Versatzstücke gängiger Spitzohrenromane zurückgezogen, sondern ganz eigene Kreaturen mit einer ganzen Historie entworfen. Das geht weit über das sonst im Selfpublishing Gebotene hinaus, liest sich sehr angenehm und spannend und überzeugt durch sprachliche Finesse.