John Stephens: Emerald – Die Chroniken vom Anbeginn 1 (Buch)

John Stephens
Emerald
Die Chroniken vom Anbeginn 1
(The Emerald Atlas – The Book of Beginning, Book One, 2011)
cbj, 2011, Hardcover, 464 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-570-15292-8 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

John Stephens ist der Autor von Drehbüchern zu Serien wie „Gossip Girl“ und Gilmore Girls“. „Emerald“, der erste Band von „Die Chroniken von Anbeginn“, ist sein erstes Jugendbuch für eine Leserschaft ab 12 Jahre.

Die Geschwister Kate, Michael und Emma wachsen in Waisenhäusern auf. An ihre Eltern haben sie nur vage bis gar keine Erinnerungen. Kate entsinnt sich nur noch an die Worte ihrer Mutter, dass sie auf die beiden jüngeren aufpassen soll – und diese Aufgabe nimmt sie sehr ernst. Alle hoffen, dass sie ihre Eltern eines Tages wiedersehen.

Kate ist 14, Michael 12 und Emma 11 Jahre alt, als sie in ein Waisenhaus geschickt werden, das sich auf einer abgelegenen Insel befindet; wie abgelegen Cambridge Falls tatsächlich ist, erfahren sie schon bald: Der triste Ort befindet sich nicht in der der bekannten, sondern in einer magischen Welt. Dr. Pym, der mysteriöse Besitzer des heruntergekommenen Hauses, entpuppt sich als Zauberer. Aber darf man ihm trauen? Die drei erforschen das Anwesen und stoßen in einem verborgenen Raum auf ein Buch, das sie in die Vergangenheit bringt. Dort werden sie Zeuge von den erschreckenden Ereignissen, die sich vor rund zehn Jahren abspielten: Die plötzlich aufgetauchte, mysteriöse Gräfin ließ alle Kinder einsperren und erpresste mit ihnen deren Eltern, damit diese nach einem Artefakt suchen. Kate begreift, dass die Gräfin hinter dem magischen Buch „Emerald“ her ist, es aber niemals in die Hände bekommen darf. Allerdings will sie zusammen mit ihren Geschwistern das schlimme Schicksal, das die Bewohner von Cambridge Falls, die Zwerge und andere ereilen wird, verhindern. Doch dann geht das Buch verloren, und die Kinder werden getrennt. Emma ist schwer verletzt, während Kate und Michael im Kerker der Zwerge auf einen jüngeren Dr. Pym treffen, der sie nicht zu kennen scheint…

Zunächst startet „Emerald“ etwas träge und erinnert an die typischen Kinderbücher, in denen drei Waisen vergeblich auf die Rückkehr ihrer Eltern oder die Aufnahme in eine freundliche Familie hoffen. Fast schon zu ausführlich sind die Schilderungen der Geschehnisse im Heim und die Charakterisierung einer Nebenfigur (die vielleicht in den späteren Büchern in einer tragenden Rolle erneut auftaucht?). Ab dem Moment, an dem Kate, Michael und Emma nach Cambridge Falls gelangen, geht das Abenteuer erst richtig los und entwickelt sich sehr schnell zu einer komplexen Geschichte, die zwar kindgerecht erzählt ist und dadurch bereits Zwölfjährige erreichen kann, durch die vielen unerwarteten Wendungen und Zeitsprünge jedoch sehr viel Aufmerksamkeit fordert, zudem aufgrund blutiger Kämpfe vielleicht doch eher an wenigstens Vierzehnjährige adressiert ist.

Im ersten Band ist Kate die Hauptfigur, wenngleich auch die Geschwister reichliche Handlungsanteile haben und genug passiert, dass Mädchen und Jungen gleichermaßen Spaß an der Erzählung haben, doch werden vermutlich in „Rubyn“ und „?“ Michael und Emma in den Mittelpunkt rücken, denn es gibt drei Bücher für drei Kinder.

Wirklich neu ist die Idee nicht von mächtigen Büchern der Magie, die auf auserwählte Jugendliche warten, die gar nicht wissen, was auf sie zukommt und Stück für Stück das Puzzle zusammensetzen müssen. Natürlich finden sie treue Helfer und böse Gegner, die ihnen die Bücher abjagen und die Magie missbrauchen wollen. Trotzdem gelingt es dem Autor, sein Publikum zu fesseln – gerade durch die verschiedenen Handlungsebenen, all die Überraschungen und Andeutungen dessen, was noch kommen mag.

Die Charaktere entsprechen durchaus den gängigen Archetypen: Kate handelt als die Älteste fast immer besonnen und verantwortungsbewusst; sie hält ihre kleine Familie zusammen. Michael ist belesen und weiß viele nützliche Dinge. Emma ist eine mutige Kämpferin. Der Zauberer Dr. Pym gibt sich geheimnisvoll, und gelegentlich zweifelt man ein wenig an ihm, weil er nie alles verrät, was er weiß und offenbar einer derer ist, die im Hintergrund die Strippen ziehen. Natürlich gibt es auch den mächtigen Kämpfer, stolze Zwerge, die böse Gräfin, allerlei monströse Kreaturen etc., die ihre Rollen erfüllen. Aber ohne ein Minimum an phantastischen Figuren würde die Handlung nicht funktionieren. Immerhin wird auf die typischen Konflikte mit Trollen, Gnomen und so weiter verzichtet, denn ein neuerlicher Aufguss des „Herrn der Ringe“ soll die vorliegende Trilogie nicht sein (eher könnte Philip Pullmans „Der Goldene Kompass“ Pate gestanden haben).

Tatsächlich macht die Lektüre viel Spaß, denn sie ist spannend, weist einige eigenständige Monster auf, sie vermag immer wieder zu überraschen und löst sich dadurch auch von dem „Oliver Twist“-Milieu. Die Zielgruppe der 12- bis 16-jährigen wird sehr gut unterhalten und darf sich auf die Fortsetzung freuen, die im November 2012 erscheinen soll, und auf die geplante Verfilmung.