Jim Butcher: Verrat – Die dunklen Fälle des Harry Dresden 11 (Buch)

Jim Butcher
Verrat
Die dunklen Fälle des Harry Dresden 11
(Turncoat)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Dorothee Danzmann
Titelillustration von Chris McGrath
Feder & Schwert, 2012, Taschenbuch, 654 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-86762-110-6 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Wenn es einen Mann auf der Welt gibt, den Harry Dresden nicht leiden kann, nein treffender ausgedrückt, am liebsten in den tiefsten Tartarus versenken würde, dann ist dies sein alter Jäger, Widersacher und Furunkel am Arsch Morgan. Im Auftrag des weißen Rats der Magier hat ihn der großgewachsene Magier jahrelang verfolgt, verleumdet und nur darauf gewartet, dass Harry einen klitzekleinen Fehler macht, um ihn dann höchstpersönlich den Kopf abzuschlagen.

Als dann eines unschuldigen Morgens eben jener Morgan schwerverletzt und als Mörder der Anführers des weißen Rates von diesem gejagt an seiner Tür anklopft und um Hilfe bittet, können Sie sich denken, was passiert. Ein gigantisches Grinsen im Gesicht schlägt Harry die Tür vor seiner Nemesis zu. Endlich Gerechtigkeit, dass er dies noch erleben darf – nur, dass Harry nicht aus seiner Haut kann, und schon gar nicht, wenn er weiß, dass ein Unschuldiger zur Opferbank geführt werden soll.

Bei aller Animosität, kann er nicht über seinen Schatten springen – und schon ist unser Magier aus Chicago einmal mehr Spielball von Kräften, jenseits aller Vorstellungen. Ein uralter, unbezwingbarer Gestaltwandler heftet sich an seine Fersen, der schwarze Rat, den es eigentlich gar nicht gibt, geben darf, stellt ihm nach, die Vampire des weißen Hofes sind auch mit von der Partie als Harry versucht, das Rätsel um die Ermordung des Anführers des weißen Rates zu lösen und seinem Intimfeind zu retten. Dass er das eigentlich nicht überleben kann, versteht sich von selbst. Doch noch hat Harry ein paar Asse im Ärmel, denn wenn er schon untergeht, dann will er wenigstens die Schuldigen mitnehmen…

Im Lauf der Jahre hat Jim Butcher mit seiner Urban-Fantasy-Reihe um den auf den ersten Blick ein wenig trotteligen Magier Harry Dresden immer wieder Neuland betreten. Während andere, weniger versierte Autoren uns ihre Handlung immer wieder in eher schalen Aufgüssen neu präsentiert, sich dabei selbst dabei schamlos plagiiert haben, gelang es Butcher ein ums andere Mal, seine Leser zu verblüffen. Geschickt baute er dabei immer neue Gestalten in seine Schöpfung ein, ließ andere dafür eines heldenhaften Todes oder einer schweren Verletzung zum Opfer fallen und dehnte seine Welt immer weiter aus. Neue Facetten kamen hinzu – vorliegend greift er Motive aus Indianerlegenden um den Wendigo auf –, seine Figuren wurden in sich logisch weiterentwickelt und der Leser mit grandiosen Showdowns an die Seiten gebannt.

Dies ist vorliegend nicht anders. Wieder einmal nimmt uns der Underdog Harry mit auf eine Queste, bei der er eigentlich keine Chance hat, diese zu überstehen. Das eigene Ablehnen in Kauf nehmend, geht es ihm einmal mehr darum, für Gerechtigkeit zu sorgen. Diese hehre Aufgabe, der er sich ein ums andere Mal stellt, wirkt nur deshalb nicht unglaubwürdig, weil er einmal mehr mit deutlichen Ressentiments, ja Widerwillen an die Aufgabe herangeht, man ihm anmerkt, dass er eigentlich nichts lieber täte, als Morgan fallen zu lassen, wie eine heiße Kartoffel. Einmal begonnen, wird er fast ein wenig hilflos von den Ereignissen mitgerissen. So bleibt ihm der Nimbus dessen, der es eigentlich recht machen will, der vor dem eigenen Gewissen getrieben, aber eben auch unwillig zu Werke geht erhalten, und er selbst als Person damit glaubwürdig.

Der Rest ist eine wahre Achterbahnfahrt voller rasanter Ermittlungen, Kämpfe und Plänen, die in schöner Regelmäßigkeit in die Hose gehen. Als Leser folgt man diesem „moralischen Schweinehund“ unheimlich gerne, wird einmal mehr gut unterhalten und mit markanten Figuren und aberwitzigen, aber in sich passenden Ideen unterhalten. Allerdings, und dies ist ein kleines Manko des Buches, hat die Übersetzung ein weiteres Mal gewechselt. Gerade zu Beginn des Romans hat Dorothee Danzmann ein wenig Mühe, den selbstironischen, ja sarkastischen Tonfall Harrys zu treffen, zum Finale hin wird dies aber deutlich besser.