Peter Dehmel (Hrsg.): Die Erde und die Außerirdischen (Buch)

Peter Dehmel (Hrsg.)
Die Erde und die Außerirdischen
Cover: Jacek Kaczynsi
Wurdack, 2012, Paperback, 144 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-938065-85-3

Von Gunther Barnewald

„Die Erde und die Außerirdischen“ ist eine Anthologie mit SF-Kurzgeschichten polnischer Autoren aus den 60er, 70er und 80er Jahren und enthält 8 Storys von 5 verschiedenen Autoren (da Janus A. Zajdel gleich mit drei Geschichten vertreten ist). Das tolle Coverbild ist immerhin von einem polnischen Maler, auch wenn es inhaltlich keine Entsprechung hat in den hier erzählten Geschichten und zudem stark an die Bilder von H. R. Giger erinnert, so wirkt es doch sehr beeindruckend.

Die hier versammelten Kurzgeschichten sind alle gut lesbar und sehr unterhaltsam. Fast immer geht es um den Kontakt zwischen Menschen und Außerirdischen, nur die schwächste Erzählung des Bandes, Konrad Fialkowskis „Der Gigantomat“ (im Original: „Konstruktor“) behandelt den Konflikt mit einem Computer, der seine Befehle zu wörtlich auslegt und damit Menschenleben gefährdet. Diese Story erinnert sehr an frühere Geschichten von Isaac Asimov, da die detektivische Aufklärung der Fehlinterpretationen des Computers im Mittelpunkt der Geschichte steht und die handelnden Figuren extrem hölzern wirken. Zudem ist diese Geschichte bereits zweimal im Deutschen erschienen, einmal in der Anthologie „Das Molekular-Café“ und nochmals in einem kap-Heft des Verlags Kultur und Fortschritt in der DDR. Auf diese Erzählung hätte man sicherlich verzichten können.

Ebenfalls bereits schon einmal erschienen (nämlich in „Lichtjahr 2“) ist Anrzej Czechowskis wunderbare Story „Die Wahrheit über den Elekter“ („Prawda o elektrze“), welche durchaus auch als Anspielung auf Isaac Asimov verstanden werden kann, jedoch dessen Ausgangsphilosophie (Roboter als gutwillige und pflegliche Diener der Menschheit, die zumindest probieren dem einzelnen Menschen alles recht zu machen) völlig auf den Kopf stellt. Mit wunderbar kindlicher Naivität erzählt der Autor von einem Raumfahrer, der auf einem fremden Planeten landet und dort eine völlig abweichende Philosophie von den Dienern und deren Herren vermittelt bekommt. Eine wunderbare Erzählung, deren Neuauflage begrüßenswert ist.

Deutsche Erstveröffentlichungen sind dagegen die 6 anderen Kurzgeschichten. Neben den drei Storys von Janusz A. Zajdel finden sich hier sogar drei dem deutschen SF-Leser wohl völlig unbekannte Autoren.

Während Zbigniev Prostak in „Die Hand“ („Reka“) von einem irdischen Raumfahrer berichtet, der sich nach einer schweren Kollision mit einem Alienschiff in einer sehr heimisch anmutenden Umgebung wiederfindet, erzählt Dariusz Filar in „Die Keule“ („Maczuga“) von einem riesigen Objekt, welches über der Erde schwebt und von Wissenschaftlern und Militärs untersucht wird und diesen große Rätsel aufgibt. Schließlich erzählt Jacek Sawaszkiewicz in „Die Schaufensterpuppe“ („Manekin“) von einer kryptischen Botschaft, die ein Müllmann auf seltsame Art und Weise erhält, welche durch außerirdische Vorgehensweise vor sehr irdischer Gefahr warnt. Alle drei Storys sind kurzweilig und vergnüglich zu lesen.

Schließlich befinden sich noch drei Kurzgeschichten des genialen polnischen Autors Janusz A. Zajdel in dieser Anthologie, der schon mit der Veröffentlichung des Storybands „In Sonnennähe“ dereinst belegte, dass er zu den ideenreichsten SF-Schriftstellern des Ostblocks gehörte. Zwar ist unter den drei hier veröffentlichten Geschichten keine von der hervorragenden Qualität eines „Es grünt so grün“ (eine der besten Erzählungen, die jemals über Mitläufertum, Fortschrittsglaube und Wissenschaftsbetrieb veröffentlicht wurde), aber auch die drei hier publizierten Storys sind von guter Qualität. Während „Die Götter kehren in den Himmel zurück“ („Bogowie powracaja do nieba“) erklärt, wie der altägyptische Kult um Mumien und Sarkophage entstanden ist, zeigt „Welcome to earth“ (gleicher Titel im Original), dass auch aus einem scheinbar aggressiven Angriff als Missverständnis noch eine Verständigung erwachsen kann. Und vor allem „Wildschweine im Kartoffelfeld“ („Dziki w kartoflisku“) überzeugt mit einem kriminalistischen Plot, bei der eine irdische Expedition auf einem fremden Planeten nicht nur das Geheimnis des einheimischen Lebens lösen muss, sondern auch noch auf die Technik von Vorbesuchern stößt, die so ihre Tücken hat. Diese Story ist, hier als Abschlusserzählung eingeordnet, vielleicht sogar die beste Geschichte in dieser qualitativ hochwertigen Kurzgeschichtensammlung.

Insgesamt ist die vorliegende Anthologie zwar kein Meilenstein des Genres, und natürlich auch viel zu kurz geraten mit den knapp 140 Seiten, aber wer gerne anspruchsvolle, intelligente und kreative SF liest, der sollte unbedingt zu dieser auf 500 Exemplare limitierten Ausgabe greifen, bietet sie doch einfallsreiche und anregende Unterhaltung. Wer klassische Ideen-SF liebt, der wird von dieser Publikation begeistert sein. Schade ist wirklich nur, dass das großformatige Büchlein so arg dünn geraten ist. Von dieser hohen Qualität hätte man gerne viel mehr gelesen!