Jim Butcher: Der Erste Fürst – Codex Alera 6 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 26. September 2012 11:22
Jim Butcher
Der Erste Fürst
Codex Alera 6
(First Lord´s Fury)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Maike Claußnitzer
Titelillustration von Max Meinzold
Blanvalet, 2012, Paperback mit Klappenbroschur, 760 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 9878-3-442-26789-7 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Wir sind selbstlos, wenn es unseren Zwecken dient, oder wenn die Alternative schlimmer wäre. Aber niemand wünscht sich wirklich, selbstlos zu sein. Man sehnt sich nur nach dem Lob und dem Wohlwollen, das man einheimst, wenn man dafür gehalten wird. (Seite 383)
Vor Generationen ging sie verloren. Eine komplette römische Legion nebst Tross wurde auf eine wilde, urwüchsige Welt versetzt. Eine Welt, die bereits anderen, dort gestrandeten Völkern Unterschlupf und eine neue Heimat geboten hat. Seitdem haben sich die Menschen vermehrt, haben sich das Land angeeignet, den Kampf gegen die Wilden aufgenommen und zumeist in ihrem Sinne für sich entschieden – sprich: gesiegt. Über die Jahrhunderte haben sie die Elementare, ungezügelte Kräfte der Luft, des Wassers, der Erde und des Feuers, gebändigt und sich untertan gemacht. Schon mit der Invasion der Canim aber scheint sich die Siegesserie dem Ende zuzuneigen. Das Reich und dessen Führer kämpfen mit dem Rücken zur Wand. Intrigante Adelige, Verrat und übermächtige Gegner von außen machen die Aleraner angreifbar wie nie zuvor.
Tavi von Calderon wuchs als Schäferlehrling in einem abgelegenen Tal auf. Was damals keiner auch nur ahnte ist, dass er der legitime Enkel des Herrschers ist. Nach einer Ausbildung zum Kurator, dem Geheimdienst des Reiches, hat er sich als genialer und unkonventioneller Heerführer einen Namen gemacht. Mit der Invasion der insektoiden Vord bricht das letzte Gefecht für alles intelligente Leben auf Alera an. Der Vormarsch der Truppen der Vord ´-Königin ist nicht aufzuhalten. Städte fallen unter dem Ansturm, das letzte Gefecht hat begonnen. Auch wenn Tavi bereit ist für den Sieg die Zukunft seiner Rasse aufs Spiel zu setzen, ist der Ausgang mehr als ungewiss…
Es ist geschafft, die sechsbändige „Codex Alera“-Reihe von Jim Butcher liegt komplett auf Deutsch vor.
Butchers Ausflug in die High Fantasy hat sich, auch wenn auf den letzten MeterN statt des etatmäßigen Übersetzers Andreas Helweg Maike Claußnitzer die Übertragung übernommen hat, gelohnt. Geschickt geht der sonst eher im Bereich der Urban Fantasy („Harry Dresden“, dt. bei Feder & Schwert) wildernde Autor auch dabei eigene Wege. Statt uns eine der üblichen Helden-Questen zu präsentieren, schildert er uns als Ausgangslage seiner Schöpfung eine Welt, auf der, aus welchen Gründen auch immer, verschiedenste Völker gestrandet sind. Unter diesen finden sich die wilden Barbaren der Marat, die Eisvölker, die Canim und als Neuzugänge die Vord. Gegen diese stehen die Nachfahren einer römischen Legion, die nicht nur die überragende Kampfkunst der Heerführer vom Tiber mitgebracht haben, sondern sich auch mehr oder minder ausgeprägt die Naturkräfte zu Diensten machen.
Mit dem zunächst behinderten Tavi, der als Einziger kein Elementar zu Hilfe rufen kann und sich damit ganz auf seinen findigen Kopf verlassen muss, hat Butcher einen idealen Erzähler gefunden. Nicht nur, dass zunächst alle um ihn herum mehr können, als unser Hinterwäldler, in der großen Welt schaut er sich mit neugierigen Augen um. Wie für den Leser ist für ihn alles neu, wuchert er zudem mit dem Nimbus des Underdogs. Dass er darüberhinaus als integerer, moralisch gefestigter Charakter dargestellt wird, der mit seinen unkonventionellen Denk- und Handlungsweisen immer wieder Gegner zu Verbündeten macht, sich selbst nicht schont, sondern in erster Linie antritt und kämpft, macht ihn zum idealen Protagonisten.
Im Verlauf der sechs umfangreichen Bände hat Butchers Welt immer deutlichere Konturen angenommen, haben wir die Bildung von Bündnissen und Verrat erlebt, und immer wieder in aussichtsloser Situation mit Tavi gekämpft. Immer dann, wenn unser Erzähler scheinbar auf verlorenem Posten stand, wenn nichts mehr ging, dann lief er zu Höchstform auf.
Vorliegend folgt der Autor dabei seinem Erfolgsrezept. Einmal mehr stellt er seinen Erzähler in eine aussichtslose Situation, deckt Intrigen auf und schildert uns packende Kämpfe. Alte Rechnungen werden beglichen, lange gehütete Geheimnisse gelüftet und die Handlung zu einem letztlich befriedigenden Ende gebracht. Im Zentrum stehen dabei klar die mitreißend geschilderten Auseinandersetzungen. Hier läuft ein großes Kopfkino ab, wenn die angreifenden Vord-Horden gegen die befestigten Wälle anrennen. Das birgt Dramatik und Tempo, fesselt den Leser an die Seiten und lässt die Zeit der Lektüre wie im Flug vergehen.