Simon R. Green: Für eine Handvoll Pfund – Geschichten aus der Nightside 10 (Buch)

Simon R. Green
Für eine Handvoll Pfund
Geschichten aus der Nightside 10
(The Good, the Bad and the Uncanny)
Aus dem Englischen übersetzt von Jana Gengnagel und Diana Elisabeth Tilg
Titelillustration von Oliver Graute
Feder und Schwert, 2012, Taschenbuch, 266 Seiten, 10,95 EUR, ISBN 978-3-86762-075-8 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Tief versteckt im toten Herzen Londons gibt es eine andere Stadt, eine andere Welt, eine andere Realität. Dort ist es immer Nacht, immer drei Uhr morgens. Regenasse Straßen, grelle Neonlichter, Bars, Clubs und private Etablissements, in denen man alles finden kann, was man nicht begehren sollte. In schattigen Gassen lauern Engel, Dämonen und Götter – willkommen in der Nightside, der kokettesten Hure der Welt.

Darf ich mich vorstellen, John Taylor der Name, Privatdetektiv. Groß, dunkeläugig und aus der Ferne leidlich attraktiv – so zumindest beschreiben mich meine Freunde und meine zahlenmäßig weit größeren Feinde. Ich nehme mich der Fälle an, die niemand will, denn ich habe die Gabe, Dinge zu finden, Dinge die nicht gefunden werden wollen, Dinge die nur zu oft nicht gefunden werden sollten. Ich trage einen weißen Trenchcoat, wie ein Ritter in kalter Rüstung, denn ich bekämpfe die Monster.

Diesmal beginnt mein Tag damit, dass mich jemand anheuern will. Für einen Privatdetektiv wahrlich nichts wirklich Ungewöhnliches, bis auf die Tatsache, dass es sich bei meinem Klienten um einen Elfen handelt. Elfen bitten nie, unter keinen Umständen Menschen um Hilfe – so zumindest war es bisher. Jetzt soll ich einen Elfen, noch dazu von königlichem Geblüt, quer durch die Nightside zu einem Tor bringen. Was die Sache interessant macht ist, dass Walker, ja der Walker, der die Autorität in der Nightside vertritt, den Elfen partout nicht passieren lassen will. Diverse Scharmützel, anderswo würde man sie eher Kriege nennen, später habe ich meinen Auftrag erfüllt, dabei ein paar Stadtviertel zerstört und wurde mit einem Gerücht bezahlt. Doch dann kontaktiert mich Walker, um mir ein Angebot zu machen, das ich nicht ausschlagen kann, so seine Meinung. Nachdem er stirbt, sucht er einen Nachfolger. Und nun raten Se einmal, wen er sich da ausgesucht hat? Das Dumme an der Angelegenheit, Walker will mein „Nein“ partout nicht akzeptieren…

Simon R. Green legt einen neuen Roman um die Nightside vor. Nun schien die Geschichte von John Taylor eigentlich erzählt, seine Abstammung und sein Erbe wurden offenbart. Doch, wie so oft, kann und will sich der Autor von seinen liebgewonnenen Figuren und faszinierenden Handlungsorten nicht trennen. Und, sind wir doch einmal ehrlich, die Nightside hat noch viele unerforschte, dunkle Winkel in denen das Grauen, die Unzucht oder das Glück lauert. So heißt es einmal mehr, sich auf ein Wiedersehen mit gar ungewöhnlich skurrilen Figuren zu freuen.

Während die Fortsetzungen seiner Erfolgsserien um Todsteltzer oder die Droods eher mit zwiespältigen Gefühlen von den Fans und Lesern aufgenommen wurden, liest sich vorliegender Roman aus einem Guss und locker flüssig durch. Da wird einmal mehr geballert was die mannigfaltigen Schießwerkzeuge hergeben, lässt der Autor aber immer wieder auch ein wenig Tiefsinniges einfließen. Es geht um die Verantwortung für sich selbst und seine Umwelt, um Leid und Verlust und um das Sterben. Nun sind dies alles Themen, die sich in der Nightside wirklich aufdrängen – der Tod ist hier allgegenwärtig, ebenso wie das Leid.

Dass sich Green hier selbst persifliert und zum Teil massiv abkupfert, das fällt kaum auf. Zu hoch ist das Tempo der Geschichte, als dass die bekannten Versatzstücke groß auffallen würden. Es geht, wie immer wenn John Taylor sein dritten Auge öffnet, hoch her, Götter und andere übernatürliche Wesenheiten zittern vor Furcht und der Leser kann sich ge- und gleichzeitig entspannt zurücklehnen und dem Autor auf eine Achterbahnfahrt folgen, die die Zeit wie im Fluge vergehen lässt.