Iain Banks: Krieg der Seelen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 08. Juli 2012 09:58
Iain Banks
Krieg der Seelen
Kultur-Zyklus 7
(Surface Detail/Flashback, 2010)
Aus dem Englischen von Andreas Brandhorst
Heyne, 2012, Paperback, 800 Seiten, 16,50 EUR, ISBN 978-3-453-52871-0 (Auch als eBook erhältlich)
Von Armin Möhle
Mit „Krieg der Seelen“ ist nach vier Jahren, und zwar nach „Die Sphären“ (Heyne PB 52800, 2008, und Heyne TB 53377, 2011) wieder ein „Kultur“-Roman des schottischen Autors Iain Banks erschienen. Die letzte Veröffentlichung eines Romans des Autors im deutschen Sprachraum liegt zwei Jahre zurück; es handelte sich um „Welten“ (Heyne PB 52710, 2010), einen relativ belanglosen SF-Roman (außerhalb des „Kultur“-Zyklus‘).
Der „Kultur“-Zyklus hat den Autor in der SF bekannt gemacht und seinen herausragenden Ruf begründet. Der Zyklus besteht aus den Romanen „Bedenke Phlebas“ (Heyne TB 4609 bzw. 8218, 1989 bzw. 2002), „Das Spiel Azad“ (Heyne TB 4693, 1990), „Einsatz der Waffen“ (Heyne TB 4903, 1992), „Exzession“ (Heyne TB 6392, 2002), „Blicke Windwärts“ (Heyne TB 6443, 2003), „Die Sphären“ und der Kurzgeschichtensammlung „Ein Geschenk der Kultur“ (Heyne TB 4904, 1992). Wegen der souveränen Beherrschung kosmischer Sujets und seines brillanten Stils wird Iain Banks als Erneuerer der Space Opera gehandelt.
Der „Kultur“-Zyklus ist in einer fernen, unbestimmten Zukunft angesiedelt. Die Kultur wird aus Menschen und KIs gebildet, die technologisch so weit fortgeschritten sind, dass sie nur ihrer Selbstverwirklichung nachgehen können, wenn sie wollen. Dennoch wird die Kultur in Konflikte verschiedenen Ausmaßes verwickelt (in interstellarem Rahmen wie in „Bedenke Phlebas“), beginnt diese sogar selbst, indem sie in die Entwicklung von menschlichen und nichtmenschlichen Zivilisationen eingreift, um ihre ethischen Vorstellungen durchzusetzen („Das Spiel Azad“, „Einsatz der Waffen“ und „Blicke Windwärts“), oder wird mit kosmischen Phänomenen konfrontiert („Exzession“ und „Die Sphären“).
In „Krieg der Seelen“ ist die Kultur zunächst unbeteiligt, sympathisiert aber mit einer der Konfliktparteien. Der Roman ist ausgesprochen breit angelegt, mit zahlreichen Protagonisten und vielen Handlungssträngen. Banks greift in „Krieg der Seelen“ das Konzept der virtuellen Realitäten auf – das ist selbstverständlich nichts neues, weder im Genre im Allgemeinen noch in den „Kultur“-Romanen im Speziellen. Freilich spielten virtuelle Welten in den bisherigen „Kultur“-Romanen keineswegs eine solche umfangreiche und gewichtige Rolle wie in „Krieg der Seelen“.
Denn in den virtuellen Realitäten spielt sich das Leben nach dem Tod ab für die Mitglieder unzähliger Spezies und Zivilisationen. Der Verstand der Verstorbenen wird aufgezeichnet und in Computersysteme transferiert. Während es in der Kultur möglich und üblich ist, Tote in neuen Körpern wieder ins Leben zurückzuholen, finden sich die Verblichenen anderer Zivilisationen oft in virtuellen Realitäten wieder, die den Höllen ihrer religiösen und/oder weltanschaulichen Vorstellungen entsprechen. Mit den entsprechenden Qualen für die Betroffenen natürlich. Es überrascht nicht, dass diese Praxis nicht unumstritten ist.
Die Gegner und Befürworter des Höllenkonzeptes führen ihre Kämpfe in virtuellen Realitäten aus, die einen nicht unerheblichen Teil des Romans umfassen. Die Handlungsstränge, die in der (tatsächlichen) Realität spielen, überwiegen jedoch. Der Sichultianer Veppers sucht Verbündete, um den Krieg zwischen den Höllen-Gegnern und -Befürwortern in die Realität zu tragen, verfolgt tatsächlich aber seine eigenen Ziele. Die Kultur greift mit ihrer Agentin Yime Nsokyi ein, und die Intaglierte (eine Art von Leibeigene) Lededje Y`breg startet einen Rachefeldzug gegen Veppers, nachdem sie von ihm getötet und in einem Raumschiff der Kultur wieder zum Leben erweckt wurde.
Banks hat „Krieg der Seelen“ einen interessanten Plot zugrundegelegt, auch wenn es überrascht, dass selbst in einer sehr, sehr fernen Zukunft noch das religiöse Konzept von Himmel und Hölle existiert, das sehr an die katholische Theologie der Gegenwart erinnert. Aber es ist für den Autor selbstverständlich legitim, davon auszugehen, dass in seinem Zukunftsuniversum nicht alle Zivilisationen und Spezies dasselbe ethische Niveau wie die Kultur erreicht haben werden. Das größte Manko des Romans ist vielmehr der Umfang, wodurch die Handlungsteile unnötigerweise gestreckt werden. Optimal ist es auch nicht, dass der Autor die Hintergründe des Konzeptes des Lebens nach dem Tod in virtuellen Realitäten nicht vollständig in Interaktionen zwischen den Protagonisten und in Dialogen vorstellt, sondern auch oft in direkten Erläuterungen.
Mit „Krieg der Seelen“ hat Iain Banks seinem „Kultur“-Zyklus zweifellos den bislang ungewöhnlichsten Baustein hinzugefügt – inhaltlich betrachtet, versteht sich. Was die Ausführung angeht, wäre eine kompaktere Form wünschenswert gewesen, die „Krieg der Seelen“ auch für Leser interessant(er) machen würde, denen die bisherigen „Kultur“-Romane nicht bekannt sind.