Terry Pratchett: Total verhext (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 28. Juni 2012 10:41
Terry Pratchett
Total verhext
(Witches Abroad)
Aus dem Englischen neu übersetzt von Regina Rawlinson
Titelillustration von Tom Steyer
Manhattan, 2012, Paperback mit Klappenbroschur, 318 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-442-54704-3
Von Carsten Kuhr
Es ist schon eine Krux: selbst auf der Scheibenwelt, auf der ja eigentlich alles im Fluss sein sollte, es keine Regeln (zumindest keine, an die irgendjemand sich halten würde) geben sollte, gibt es Dinge, die sind fest zementiert wie der Zaubererhut auf dem Kopf der Gelehrten der unsichtbaren Universität. Dinge wie etwa, dass es immer zwei gute Hexen geben muss, oder dass das Stubenmädchen immer den Prinzen heiraten soll.
Als also TOD, ja, der mit dem drei Großbuchstaben, bei Desiderata Hohlig anklopft, hat die gute Hexe ihr Haus gerichtet. Der Zauberstab geht an ihre Nachfolgerin Magrat Knobloch, Oma Wetterwachs und Nanny Ogg bekommen einen Brief, sich ja nicht einzumischen in das, was die erste Bewährungsprobe Magrats werden soll.
Oma Wetterwachs etwas vorzuschreiben ist, wie man sich unschwer vorstellen kann, ein todsicherer Weg, gewaltigen Ärger zu bekommen. Und es birgt die Gewissheit, dass weder Nanny noch Esmeralda Wetterwachs sich an die so erteilten Anweisungen halten. So hat Magrat Begleitung, als sie gen Gennua eilt, um die Hochzeit des Prinzen und des Stubenmädchens Ella zu verhindern- Moment, war das jetzt nicht falsch herum, soll der Prinz nicht die hübsche Dienerin freien? Nun, in Gennua ist alles ein wenig anders, als gewohnt. Die Spiegelhexe Lily sorgt hier dafür, dass alles nach ihrem Plan – und nur nach ihrem – läuft. Und schon geht es einmal mehr hoch her auf der Scheibenwelt; denn wenn vier Hexen aufeinandertreffen, bei Feuer, Blitz und Regen oder auch bei Sonnenschein, dann ist für explosive Spannung gesorgt – zumal Oma Wetterwachs die Geschichtenweberin Lily aus alten Zeiten kennt und auch noch eine Voodoo-Hexe mitmischt…
Immer wieder einmal hat Tperry sich bei den altbekannten Märchen bedient. Sei es der Rattenfänger von Hameln oder der gestiefelte Kater, gerade in den Romanen, die für ein jüngeres Publikum verfasst wurden hat er den Gebrüdern Grimm und ihren Sammlungen seine Referenz erwiesen. Daneben aber ließ er immer wieder auch entsprechende Szenen in andere Romane einfließen. Im vorliegenden Hexenband, in der Oma Wetterwachs erneut zu großer Form aufläuft, daneben aber auch Nanny Ogg und die junge Magrat Knobloch stärker in den Vordergrund rücken, erwartet den Leser eine wahre Hommage an die bekannten Märchen. Dornröschen, Aschenputtel, Rotkäppchen und der Wolf – die Reminiszenzen sind deutlich, doch das, was Pratchett aus den Vorlagen macht, das ist ganz eigen und beeindruckend.
In der Neuübersetzung kommen die philosophischen Fragen, die Tperry einfließen hat lassen, noch deutlicher als bislang zum Vorschein. Es geht um die Macht von Geschichten, ob sie geschehen oder vielleicht auch gesteuert und gemacht werden. Daneben beschäftigt sich der Autor mit der Frage, wie sich Geschichten auf die Menschen, denen sie passieren, auswirken, aber auch was für Folgen sich bei denen zeigen, die sie erzählt bekommen. Verklausuliert beschäftigt Pratchett sich einmal mehr mit der Macht von Geschichten, letztlich mit dem Einfluss, von denen die die Geschichten erzählen, sie bestimmen, was und wie erzählt wird. Hier schielt er auch auf die Macht der Medien, die Meinungen beeinflussen, Geschichte nicht dokumentieren sondern nur zu oft selbst gestalten. Das ist nach wie vor höchst aktuell, unterhaltsam und ein Pratchett, der schlicht begeistert.