Alina Bronsky: Spiegelkind (Buch)

Alina Bronsky
Spiegelkind
Titelbildgestaltung von Frauke Schneider
Arena, 2012, Hardcover, 302 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-401-06798-8

Von Christel Scheja

Die 1978 geborene Alina Bronsky studierte Medizin, arbeitete später aber als Werbetexterin und Redakteurin bei einer Tageszeitung. In ihrer Freizeit schrieb sie bereits Romane, die sie aber niemandem zeigte, bis sie den Mut fand, ein Manuskript an mehrere Verlage zu schicken und gleich eine Zusage erhielt. Mit „Scherbenpark“ begann ihre Karriere als Jugendbuchautorin. „Spiegelkind“ ist nun ihr neuestes Werk, in dem sie zwei beliebte Strömungen der Fantasy-Literatur einfängt.

Juli lebt in einer wohlgeordneten Welt. Das Leben der normalen Leute ist bis ins Kleinste geregelt. Wer sich nicht an die staatlichen Gebote hält, muss mit schweren Strafen rechnen. Sie ist eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Leben – bis zu dem Tag, an dem ihre Mutter spurlos verschwindet. Das bringt sie völlig durcheinander, obgleich ihre Eltern schon eine ganze Weile getrennt leben. Gerade weil ihr Vater nichts unternimmt, sie zu finden, gerät Juli aus der Bahn. Plötzlich ist es für sie nicht mehr leicht, sich in ihrer Schule zurechtzufinden, in dem Elite-Lyzeum, in dem die Kinder regelrecht auf Normalität getrimmt werden.

Ausgerechnet jetzt kommt eine neue Schülerin in die Klasse, die ihr Denken und Fühlen völlig durcheinander bringt. Ksü ist nicht nur rebellisch und unangepasst, sie weiß auch Dinge, die eigentlich verboten sind. Dennoch schlägt sie mit ihrem Wesen Juli völlig in den Bann, weil sie Freundschaft und Interesse zeigt. Durch Ksü und ihren Bruder Ivan erfährt sie zudem auch mehr über ihre Mutter und das große Geheimnis, das sie und ihre Familie umgibt. Denn die Verschwundene ist nicht weniger als eine Phee – ein Wesen, das eigentlich ganz aus der Normalität verbannt sein sollte.

„Spiegelkind“ lässt sich keinem Genre wirklich zuordnen. Auf der einen Seite erinnert die Geschichte an die derzeit bei den deutschen Verlagen so beliebten Dystopien, nur das hier die Romanze mit einem hübschen Jungen eher auf Sparflamme kocht. Auf der anderen Seite nutzt Alina Bronsky die Magie der Anderswelt für ihre Zwecke. Sie mögen zwar als „Pheen“ anders geschrieben sein, aber die Feen stehen auch hier für die ungezügelte Kreativität und die Freiheit des Geistes, die die Magie des besonderen erweckt.

Durch Juli taucht der Leser in die Geschichte ein und ist in dem gleichen Maße mit den Ereignissen überfordert wie die Protagonistin. Denn diese kann über weite Strecken nur reagieren, weil sie die ganzen Informationen verarbeiten muss, die auf sie einströmen und kann sich kaum eigene Gedanken machen. Trotzdem bleiben viele Fragen offen, die deutlich darauf hinweisen, dass dies nur der erste Band einer Trilogie ist, und die richtigen Auseinandersetzungen vermutlich erst anfangen.

Bis auf Juli, aus deren Ich-Perspektive das Buch erzählt wird, bleiben die Figuren leider sehr blass. Das führt dazu, dass man an ihrem Schicksal eigentlich keinen Anteil nimmt und viel Geduld haben muss, um überhaupt Zugang zu der Geschichte zu finden.

Zwar verzichtet der Roman daran, sich auf eine der gängigen Linien zu konzentrieren, was ihn ein wenig aus der Masse gleichartiger Bücher hervorhebt. Genau diese Unschlüssigkeit ist aber auch die größte Schwäche der Handlung, da sie sich nicht zu einem Hauptthema entschließen kann und so von einem Motiv zum anderen springt. Immerhin nimmt sich die Autorin die Zeit, die Figuren erst einmal einander nahe zu bringen, ehe sie überhaupt erst beginnt, eine Romanze anzudeuten.

Alles in allem muss man sich schon auf „Spiegelkind“ einlassen können, um den Zauber der Geschichte zu entdecken. Denn die Autorin macht es dem Leser nicht gerade leicht, sich in den Inhalt einzufinden, weil sie sich noch nicht wirklich festlegen mag und alle Optionen offenhält. Vor allem junge Leserinnen, die selbst auf der Schwelle zum Erwachsenwerden stehen und ihren Weg ins Leben finden müssen, werden sich von der Geschichte angesprochen fühlen, vor allem wenn die Romanze für sie nicht das Wichtigste an einem Buch ist.