Rudolf Kühnl: Sternpark (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 03. Juni 2012 10:55
Rudolf Kühnl
Sternpark
VPH, 2011, Paperback, 528 Seiten, 16,90 EUR, ISBN 978-3-937544-81-6
Von Carsten Kuhr
Roman Ropha ging es einmal gut in seinem Leben. Die Ehe blieb zwar kinderlos, doch man hatte sich aneinander gewöhnt, im Beruf als Versicherungsvertreter konnte er seine Stärken im persönlichen Gespräch einbringen und seinen Kunden das auf sie abgestimmte perfekte Angebot machen. Doch dann, mitten in dem was man gemeinhin unter dem Oberbegriff Midlife-Crisis zusammenfasst, geht sein Leben buchstäblich den Bach herunter. Seine Frau sucht sich einen vermögenden Liebhaber und lässt sich scheiden, sein Arbeitgeber wird von einem US-amerikanischen Konzern übernommen. Fürderhin zählt nur noch der schnelle Abschluss, die Gewinnmarge, eine Beratung ist weder erwünscht noch unter den neuen zeitlichen Vorgaben möglich.
Kurz bevor er seiner Depression nachgeben kann aber taucht ein Lichtstreif am Horizont auf. Mittels eines Lottogewinns und der Abfindung, die er durch sein freiwilligen Ausscheiden aus den Konzern herausgeschlagen hat, vermag er sich außerhalb der ihn einengenden Großstadt eine Wohnung kaufen. Hier kann er seiner Passion, dem Malen und der Astronomie, nachgehen, kann neue Kräfte schöpfen und zu sich selbst finden. Doch dann bemerkt er, dass er im angrenzenden, seit Jahrzehnten von keinem Menschen betretenen Park gar merkwürdige Nachbarn hat. Neben der seit dem Krieg zerbombten Sternwarte dient der Park Wurzen, Rhibos, Botedelohs, Pratschas, Sihas, Viös, Ramper und einem Hoor als Lebensraum.
Nun werden Sie ein wenig verwundert oder gar total erstaunt den Kopf schütteln und sich fragen, was zum Kuckuck erzählt der Kuhr mir da von Wurzen und anderen Lebewesen, von denen ich noch nie etwas gehört habe? So ähnlich geht es auch Roman, als ihn der Wurz Goroom und die bezaubernde, wenn auch ein wenig vorlaute Siha’ilc das erste Mal in seiner neuen Wohnung besuchen.
Er bekommt Einblick in eine pittoreske Welt, in der die Lebewesen mit der Natur im Einklang leben, sich untereinander respektieren und unterstützen. Als die Menschen dann drohen, das friedliche Miteinander zu zerstören, weiß Roman, dass er seine neue Bestimmung im Leben gefunden hat.
In einer Fantasy-Buchwelt, die von Harry Potter-Klonen, Herr-der-Ringe-Nachahmern und „Bis(s)“-Plagiaten förmlich überrollt wird, ist zumindest bei den großen Verlagen kein Platz mehr für eine eigenständige Erzählung. Gesucht wird, was trendy ist, was eine massenhaften Absatz zu garantieren scheint. Jeder läuft nur dem letzten Bestseller hinterher, eigenständige Werke werden regelmäßig abgelehnt, die Autoren vergällt. Rudolf Kühnl hat das Glück gehabt in Peter Hopf einen Verleger gefunden zu haben, dem der Inhalt wichtig als die Modeerscheinung ist, der an seinen Autor glaubt. Drei Romane Kühnls hat man schon publiziert, derzeit ist ein vierter im Vorlektorat.
Und, nachdem ich zwei der drei Werke gelesen habe, kann ich verstehen, dass Hopf hier zugegriffen hat. Eigenständig, märchenhaft, dabei mit deutlichem Bezug zur Realität, mit zum Teil beißender Kritik an aktuellen Missständen, unterhält Kühnl seine Leser mit einem ebenso anheimelnden, wie dramatischen, lustigen wie hintergründigem Werk. Das geht ganz eigene Wege, ist eher leise Fantasy als Hau-Drauf-Fantasy, überzeugt durch liebevoll beschriebene Charaktere, Humor und einen sehr angenehm zu lesenden Stil.