Celine Kiernan: Königspfade (Buch)

Celine Kiernan
Königspfade
(The Rebel Price)
Aus dem amerkanischen Englisch übersetzt von Astrid Finke
Heyne, 2012, Hardcover, 496 Seiten, 18,99 EUR, ISBN 978-3-453-26635-3 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Willkommen zurück in einem etwas anderen Europa der Celine Kiernan. Während um das Königreich Merron herum Intoleranz, Unfrieden und Gewalt herrschen, ist es König Jonathan durch geschickte Politik der Aussöhnung, der Diplomatie und Bestechung gelungen, ein Refugium des Friedens und des Miteinanders zu schaffen. Hier gibt es weder Sklaverei noch die Herrschaft des Stärkeren, hier regiert das Gesetz, vor dem alle gleich sind, haben Geister und sprechende Katzen ihren Platz am Hof.

Als die Lordbewahrerin Lady Wynter an den Hof zurückkehrt, muss sie allerdings feststellen, dass sich die Zeiten geändert haben – und nicht zum Besseren. Kronprinz Alberon hat mit seinem Vater gebrochen, der Geruch von Bürgerkrieg liegt in der Luft. Zusammen mit dem Halbbruder des Kronprinzen und dessen Freund macht Wyn sich auf die Suche nach dem verborgenen Lager Alberons. Nun endlich können sie versuchen, die Kluft zwischen Vater und Sohn zu überbrücken, die Einheit, die allein den Frieden im Reich wieder herstellt, neu zu schaffen.

Doch schon ihr Empfang im Lager der Rebellen zeigt, dass die selbst gewählte Mission so einfach nicht wird. Alberon ist ein Mann, der vom Krieg, vom Leid und den Entbehrungen gezeichnet wurde. Mehr noch, er ist ein Anführer, der von seiner Mission überzeugt ist. Anders als Wyn, die aus den Nordlanden zurückgekehrt ist, oder sein Halbbruder Razi, der die letzten Jahren im Sultanat verbracht hat, besitzt der Kronprinz Hinweise darauf, dass die wichtigsten Verbündeten seines Vaters in Gefahr schweben. Um das Schlimmste zu verhindern, hat er mit seinem Vater gebrochen, ja ist bereit, die Waffe, die allein die Selbstständigkeit des Königreiches garantiert, als Druck- und Lockmittel einzusetzen um sein Ziel zu erreichen…

Zwei lange Romane haben wir warten müssen, bis wir den Kronprinzen Alberon endlich kennenlernen durften. Wie von der irischen Autorin nicht anders zu erwarten war zeigt sie uns einen Charakter, der so ganz anders ist, als ich zumindest ihn mir erwartet hatte. Zunächst offenbart sich ein Mensch, der von den Geschehnissen der letzten Jahre gezeichnet ist. Das Leid, das ihn mit den Kämpfen, dem Sterben um ihn herum begleitet hat, prägt sein Wesen. Hier offenbart sich ein Mann, der tief verletzt wurde, der um eines höheren Ziel willens sich und seine Freunde zu opfern bereit ist.

Stand bislang eher die Motivation des Bürgerkrieges in Frage, so beantwortet Kiernan diese ganz eindeutig mit einem nachvollziehbaren Grund. Es geht Alberon nicht etwa, wie befürchtet, um persönliche Machtentfaltung, er will aus durchaus nachvollziehbaren, hehren Motiven das Reich retten. Dass er sich bei dem Versuch, dies zu erreichen, gezwungen sieht, mit dem Vater zu brechen, Geheimnisse preiszugeben und sich Verbündete zu suchen, die zumindest zweifelhaften Rufs sind, belastet ihn zusätzlich. So ist es kein Wunder, dass Wyn und Razi ihren Freund aus Kindertagen kaum wiedererkennen. Das ist ein schwer angeschlagener Mann, der aber bereit ist, alles auf sich zu nehmen, um sein Ziel, an das er glaubt, zu erreichen.

Lange wurde uns das Mysterium um die Geheimwaffe des Königreiches vorenthalten. Im Verlauf der Ankunft im Lager des Rebellenprinzen erfahren Wyn und Razi nun, was sich dahinter verbirgt. Und sie müssen ungläubig erfahren, dass ihr Freund bereit ist, das Geheimnis nicht nur zu lüften, sondern die Waffe zur Erreichung seines Zieles auch aus der Hand zu geben.

Das, und wie alles in dem überraschenden Finale seine Auflösung findet, dürfen Sie selbst nachlesen.

Insgesamt gesehen legt der Heyne Verlag mit der Trilogie ein leiseres Werk auf, das seine Stärken in der vielschichtigen Zeichnung der Personen und ihrer dezidiert ausgearbeiteten, an das Europa des 15. Jahrhunderts angelehnten Welt besitzt. Die wenigen reinen Action-Szenen bieten glaubwürdige Kampfbeschreibungen, ohne dass diese zu sehr in den Vordergrund rücken würden. Stattdessen verzaubert Kiernen uns mit ihren Ideen: intelligente Katzen, sprechende Geister und einer Welt, die so wie sie uns beschrieben wird in sich stimmig wirkt. Leisere Fantasy, dabei aber atmosphärisch dicht und vorzüglich übersetzt.