DC Premium 77: Superman: Secret Origin (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 06. März 2012 16:43
Geoff Johns
DC Premium 77
Superman: Secret Origin
(Superman: Secret Origin 1 – 6, 2009/2010)
Aus dem Amerikanischen von Christian Heiß
Titelillustration und Zeichnungen von Gary Frank, Jon Sibal, Brad Anderson
Panini, 2012, Paperback, 220 Seiten, 19,95 EUR
Von Frank Drehmel
Seit seinem erfolgreichen Debüt in „Action Comics“ 1 im Jahre 1938 avancierte Superman nicht nur zur Superhelden-Ikone schlechthin, sondern zeitigte im Laufe der Dekaden Einfluss in zahlreichen kulturellen Sphären, insbesondere in den Künsten – und hier nicht nur in der Neunten Kunst.
Zugleich spiegelte sich die gesellschaftliche Entwicklung auch in der Figur beziehungsweise den Geschichten wider, was dazu führte, dass Superman und sein Universum sich in den über 70 Jahren ihres Bestehens nicht nur künstlerisch, sondern auch inhaltlich mehr oder weniger ständig entwickelten, mal kaum merklich, mal in deutlichen Brüchen mit der ersten beziehungsweise der vorherigen Inkarnation; John Byrnes vergleichsweise radikaler Reboot Ende der 80er-Jahre in der Comic-Miniserie „Man of Steel“ oder die nach 10 Staffeln unlängst eingestellte TV-Show „Smallville“ mögen dabei als Beispiel für ein solch radikales Vorgehen dienen, welches den Protest alter Fans nicht scheute.
In „Superman: Secret Origin“ versucht sich mit Geoff Jones der momentane Chief Creative Director von DC, der Publikumsrenner wie die Crossover-Serien „Infinite Crises“ oder „Blackest Night“ auf seinem Konto verbuchen kann, an einer Neu-Interpretation der uramerikanischen Ikone.
Jones’ Geschichte beginnt, als sich bei einem pubertierenden Clark Kent auf der High School erstmals besondere Kräfte manifestieren, Kräfte, die ihn erschüttern und die nach Erklärungen verlangen. Seine Zieheltern – Jonathan und Martha Kent – liefern nicht nur diese Erklärungen, sie unterstützen den Jungen auch tatkräftig in dem Bestreben, der aufrechte „Mensch“ zu werden, der er einst sein wird. Nach einer ersten Begegnung mit dem jungen, gleichermaßen genialen wie zutiefst antisozialen Lex Luthor und einem Abstecher in die Zukunft Smallvilles in Begleitung einiger Mitglieder der Legion of Super Heroes, zieht es den erwachsenen Helden schließlich nach Metropolis, wo er als Reporter des „Daily Planet“ dem jugendlichen Jimmy Olsen sowie seiner späteren großen Liebe Lois Lane begegnet.
Der „Daily Planet“ ist zu dieser Zeit noch ein einsamer Rufer in einer wüsten Stadt, die der zu einem rücksichtslosen Industrie-Magnaten aufgestiegene Luther nicht zuletzt dadurch unter seine Knute gezwungen hat, dass er die Medien nach seiner Pfeife tanzen und sich von ihnen als eine Art Erlöser feiern lässt. Das Auftauchen eines neuen blau-rot gewandeten Helden lässt ihn nicht in Hass erstarren, sondern zwingt den gestörten Mann zum Handeln. In einer unheiligen Kooperation mit dem Militär zwingt er den Stählernen in einen Kampf, aus dem Superman letztlich alleine deshalb als Sieger hervorgeht, weil er sich schützend vor gefährdete Menschen stellt.
Jemand wie ich, der mit Jerry Siegels und Joe Shusters Superman groß geworden ist und für den damals John Byrnes rücksichtsloser Neu-Beginn einem Kultur-Schock gleichkam, drängt sich die Frage geradezu auf, ob eine weitere Origin-Serie wirklich notwendig ist. Sie ist es natürlich nicht, aber zumindest im vorliegenden Fall verliert diese Frage angesichts des überragenden Unterhaltungswertes jegliche Bedeutung.
Jones gelingt das Kunststück, innerhalb des Grundgerüstes, das Anno Dazumal Siegel und Shuster geschaffen haben, eine vollkommen eigenständige und – vor allem – frische und moderne Geschichte zu erzählen. Sein Hauptaugenmerk liegt auf den Beziehungen der Figuren, ihren Befindlichkeiten und Emotionen, wodurch sie dem Leser nicht nur näher sind, als die meisten anderen Inkarnationen zuvor, sondern auch deshalb spannender wirken, weil urmenschliche Gefühle an sich eine spannendere Angelegenheit sind als das technokratische Abarbeiten von Superschurken und Katastrophen oder das lexikalische Aneinanderreihen von Ereignissen (eine Erkenntnis, der man auch in der alles in allem gelungen TV-Show „Smallville“ erfolgreich Rechnung getragen hat).
Dass die Emotionen so gut funktionieren, liegt vor allem auch am grandiosen Artwork, welches trotz aller Detailliertheit niemals überladen tot wirkt, sondern erstens lebendig und cineastisch daherkommt und zweitens das differenzierte Mienenspiel der Protagonisten geradezu überragend präzise abbildet. Der Held erstarrt nicht in heroischem, autistischem Posing, sondern zeigt von Überraschung über Skepsis und Arroganz bis hin zu Wut und Trauer all das, was einen lebendigen Menschen ausmacht.
Fazit: Ein in jeder Hinsicht spannende, moderne und unterhaltsame Interpretation, die sich nicht nur an junge oder neue Superman-Fans richtet, sondern die gerade auch Traditionalisten viel Freude bereiten kann, wenn sie sich der Einsicht nicht gänzlich verschließen, dass alt nicht unbedingt besser bedeutet.