Thomas Backus, Manuel Bianchi, Sabrina Hubmann (Hrsg.): Die Klabauterkatze (Buch)

Thomas Backus, Manuel Bianchi, Sabrina Hubmann (Hrsg.)
Die Klabauterkatze ... und andere Fundstücke des Grauens – Auf den Spuren von H. P. Lovecraft 2
Titelillustration von Chris Schlicht
Verlag Tosten Low, 2011, Taschenbuch, 408 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-940036-09-4

Von Carsten Kuhr

Es ist an den Kleinverlagen, nicht nur dem Nachwuchs, sondern auch arrivierten Autoren eine Plattform zu bieten, sich mit kürzeren Texten vorzustellen und die Tradition der phantastischen Kurzgeschichte hoch zu halten. Nach den ebenfalls im Verlag Torsten Low erschienen „Metamorphosen“ kommt nun eine zweite Anthologie auf den Markt, die sich erneut an H. P. Lovecraft anlehnt, dabei aber inhaltlich auch immer wieder ganz eigene, selbstständige Wege geht.

Siebzehn Stories warten darauf, dass sich die Leser für sie Zeit nehmen. Damit ist vorliegender Band deutlich umfangreicher als der erste Teil aus der Werkstatt der Geschichtenweber, so dass der auch aufgrund der sicherlich geringen Auflage und des hochwertigen Papiers verständliche relativ hohe Preis gerechtfertigt erscheint. Leider hat man darauf verzichtet, den Beiträgen jeweils auch Innenillustrationen beizufügen, dafür wird die Phantasie der Leser umso kräftiger bemüht.

Bei dem deutlichen Hinweis auf die Großen Alten aus dem Lovecraft’schen Oeuvre überrascht, dass sich die meisten der Autoren bemühen, nicht zu nah am Vorbild zu bleiben, eigene Wege beschreiten und den Leser auf ihre eigene Art schrecken. Wirkliche Lovecraft-Hommagen sucht man daher fast vergebens – und dies ist gut so! Kurze Geschichten wechseln sich mit längeren ab, Storys mit einem direkten Bezug zu Lovecraft mit Erzählungen, die die Großen Alten lediglich streifen. Das Niveau ist erfreulich hoch, wirkliche Ausfälle gibt es, bei allen stilistischen Unterschieden, keine.

Am intensivsten wirkten auf mich dann auch die Beiträge, in denen die Autoren sich fast gänzlich von Lovecraft lösten, ihre eigene Phantasie spielen ließen und atmosphärisch dicht unterhielten. Seien es „Bausteine aus Le(h)m“, „Der Krieg der Kraken“ (der an die Geschichte „3,5“ aus „Metamorphosen“ anschließt und sich eventuell auch zu einem Roman ausbauen ließe) oder „Faustpfand“, diese Erzählungen ziehen den Leser in ihren unheimlichen Bann und lassen ihn nicht mehr los.

Um was geht es in den einzelnen Beiträgen?

Arndt Ellmer, seines Zeichens arrivierter „Perry Rhodan“-Autor mit Lovecraft-Vergangenheit, erzählt uns in „Die Klabauterkatze“ von einem Heiler, der in der Wüste seine Kunst zu den dort lebenden Stämmen bringt. Eines Tages begegnet ihm auf dem Weg eine rote Katze, eine Vorbotin des Verderbens, wie die Überlieferungen zu erzählen wissen…

Matthias Töpfers „Goldene Locken, kaltes Herz“ macht uns mit einem jungen Mädchen bekannt, das im Treppenhaus immer wieder dem neuen Mieter erscheint. Dass das Mädchen, das zusammen mit seiner Mutter früher einmal im Dachgeschoss gehaust hat, einem Unglück zum Opfer fiel, erfährt der Nachmieter zu spät…

Johannes Harstick entführt uns in „Spuren im Watt“ an die Küste. Vor Jahrhunderten versank eine anrüchige Ansiedlung, in der gerüchteweise die alten Götter verehrt wurden, in den eisigen Fluten der See. Nun scheint ein Forscher einen Zugang zu der verschollenen Ansiedlung gefunden zu haben..

Thomas Backus’ Geschichte „Bausteine aus Le(h)m“ um eine alternative Mutter, die ihrem Sohn auf dem Flohmarkt Bauklötze kauft, nimmt eine unerwartete Wendung. Die kruden Bauklötze erweisen sich nicht nur als erstaunlich variables Spielzeug, sondern ziehen das Kind auch in ihren Bann…

Bettina Ferbus’ „Das Ding“ berichtet von einer jungen Familie, die Nachwuchs bekommt. Dass der angehende Vater seiner Leidenschaft, dem Tauchen, nicht abschwören kann, soll sich als Nemesis der Familie entpuppen…

Matthias Töpfers Geschichte „Faustpfand“ stellt uns einen jungen Stricher aus guten Hause vor, der die erste Regel des Anschaffens missachtet – gehe niemals mit Freiern zu diesen nach Hause. Denn dort wartet nicht nur eine Sammlung heidnischer Götterstatuen und ein schmusesüchtiger Freier, sondern auch ein Götzenbild, das nach einem Opfer verlangt…

Sabrina Hubmanns „Das Lied des Meeres“ berichtet in Briefform von den erschreckenden Ereignissen einer Schiffsfahrt, die der Großvater seinem damals noch nicht geborenem Enkel hinterlässt – ein Erbe, das den jungen Mann unwiderstehlich zur Küste zieht…

Chris Schlicht entführt uns in „Schwarzes Glas“ in den Dschungel Mittelamerikas. Auf den Spuren der Maya suchen Forscher nach Ruinen und Gräbern – und stoßen auf die Überbleibsel einer verschollenen Expedition und ein uraltes Übel…

Benjamin Nemeths Fischer finden in ihrem Netz in „Der Fang“ eines Tages gar merkwürdiges, erschreckendes Treibgut. Neben all den silbern glänzenden Fischen ziehen sie ein Wesen aus den Tiefen der See, das nicht sein darf – menschenähnlich und doch wieder nicht…

Martin Beckmanns „Oh Bruder Mein“ berichtet uns von zwei Pflegebrüdern. Während der eine in die Fußstapfen des Vaters tritt und als Arzt sein Auskommen findet, zieht es den anderen nach Paris. Hier kommt er in Kontakt mit einer spiritistischen Loge, die ihm in den Katakomben der Stadt an der Seine ein ganz besonderes Mahl kredenzt…

Carsten Steenbergens „Treibgut“ lässt im Atlantik ein uraltes Böses Jagd auf unschuldige Schiffe und deren Besatzung machen.

Sabine Völkel entsendet zwei junge Frauen in „Die perfekte Musik“ auf der Suche nach einem noch als Geheimtipp im Internet aufkommenden Musiker an die Ostseeküste. Doch hinter dem genialen Musiker steckt eine Frau – nur ist diese so ganz anders, als man dies erwarten könnte…

Samule White verlegt seine Handlung in „Krieg der Kraken“ in die Antarktis. Forscher stoßen auf ein Symbol, das selbst Hochleistungscomputer nicht klar definieren können – und auf violette Kraken, die ihren Opfern eine Botschaft mitgeben…

Jan Christoph Prüfer lässt einen Studenten in „Fleischmanns Trophäe“ beim Entwenden der Prüfungsaufgaben aus dem Haus des Professors auf ein merkwürdiges, gefährliches Buch stoßen….

In T. S. Orgels „Wo die Straße dunkel ist“ wird der grippekranke Matt von seiner Vermieterin liebevoll gepflegt. Nicht nur Hühnersuppe, auch Lesestoff und einen Bildband bringt sie dem Fiebernden ans Krankenbett – Bilder, die ihn berühren, Bilder, von denen er verfolgt wird…

Andreas Zwengel entführt uns in „Zauber der Karibik“ in ein Luxushotel, das seine zahlungsunfähigen Gäste gerne als billige Arbeitskräfte verpflichtet – bis das Böse aus dem Meer zuschlägt…

Las but not least nimmt sich Matthias Töpfer in „Das Knusperhäuschen“ dem alten Märchenthema an. Dass das scheinbare Schnäppchen tief im Wald seine Bewohner beeinflusst und verändert, ahnen die Eltern nicht, als sie es erwerben…