Johann und Pfiffikus Gesamtausgabe 1: Der Page des Königs (Comic)

Peyo (Pierre Culliford)
Johann und Pfiffikus Gesamtausgabe 1
Der Page des Königs (Bösenbergs Racheschwur, Der Herr von Burg Eckstein, Der Kobold aus dem Felsenwald)
Vor- und Nachwort von Martin Budde
(Johan et Pirlouit: Intégrale 1 – Page du roy, Frankreich, 2008)
toonfish, 2011, Hardcover, 176 Seiten, 29,95 EUR, ISBN 978-3-86869-995-1

Von Irene Salzmann

Jeder kennt die Schlümpfe, doch vermutlich nur die reiferen Leser sind mit Peyos (1928 – 1992) Lieblingsserie „Johann und Pfiffikus“ vertraut. Vor Jahren erschienen die Abenteuer des tapferen Pagen und seines gewitzten Helfers unter dem Titel „Prinz Edelhart und Kukuruz“ in Rolf Kaukas „Fix und Foxi“-Heften, bevor der Carlsen Verlag die Geschichten im Alben-Format fortsetzte und nachdruckte.

Nun präsentiert toonfish, ein Imprint des Splitter Verlags, die komplette Serie in chronologischer Reihenfolge, neu bearbeitet und ergänzt durch Seiten, die der Zensur zum Opfer fielen (eine Folterszene), und einem umfangreichen, illustrierten Sekundärteil, in dem der britisch-belgische Künstler Peyo, sein Werdegang und seine Serien mit dem Schwerpunkt auf „Johann und Pfiffikus“ – auch in Deutschland – vorgestellt werden.

Besonders interessant sind die Ausführungen zum Vorläufer der Reihe, „Johan, le petit page“, und die Auszüge daraus. Damals war Johann blond und hatte noch keinen Sidekick, doch erlebte er bereits zwei ähnliche Abenteuer von 1947 bis 1952, bevor noch im selben Jahr die fortlaufende Serie mit dem schwarzhaarigen Johann gestartet wurde. Sie brachte es auf 13 Erzählungen, bevor Peyo sich (1969) den Wünschen des Verlags fügen und sich auf die bei den Lesern überaus beliebten „Schlümpfe“ konzentrieren musste, die ursprünglich als Nebenfiguren für eine „Johann und Pfiffikus“-Geschichte konzipiert worden waren („Die Schlümpfe und die Zauberflöte“, 1958). Nach Peyos Tod setzten sein Sohn Thierry Culliford und verschiedene Künstler beide Titel fort.

Der vorliegende erste Band der auf vorerst fünf Hardcover-Alben angelegten Gesamtausgabe von „Johann und Pfiffikus“ hat einen Umfang von fast 180 Seiten und ist durchgehend in Farbe. Enthalten sind die drei ersten Abenteuer der Titelhelden.

In „Bösenbergs Racheschwur“ versucht Ritter Bösenberg während eines Turniers, durch Betrug den Sieg zu erringen. Der Page Johann kann Graf Friedburg rechtzeitig warnen, so dass es diesem gelingt, seinen Gegner zu schlagen. Bösenberg wird vom König verbannt und sinnt auf Rache. Sein Ratgeber Neidhard hat auch schon einen Plan, wie er einen Spion in die Burg des Königs einschleusen kann, um herauszufinden, wann der Zeitpunkt für einen Angriff günstig ist. Johann und dem Graf kommt der neue Barde jedoch sehr verdächtig vor…

In seinem ersten Abenteuer hat Johann noch sehr viel Ähnlichkeit mit seiner blonden Ur-Version. Peyos Zeichnungen sind noch nicht so rund und fein wie später (übrigens hatten auch in „Asterix“ 1 die Hauptfiguren noch nicht ihr endgültiges Aussehen). Hier findet sich eine im Original zensierte, nicht kolorierte Seite, in der ein Gefangener gefoltert wird. Angesichts dessen, was – auch sehr jungen – Lesern heute in dieser Hinsicht zugemutet wird, mag man den Kopf schütteln, dass diese an sich harmlos-witzige Szene gestrichen wurde, aber 1952 waren die Auflagen der Behörden überall sehr viel strenger (zum Beispiel der Comic Code in den USA).

„Der Herr von Burg Eckstein“ ist spurlos verschwunden und sein zweiter Sohn Bertram regiert das Land mehr schlecht als recht, da er viel lieber dem Wein zuspricht. Zum Glück kehrt Ritter Hugo, der älteste Sohn, der drei Jahre fort war, nach Hause zurück. Als er in einem Gasthaus übernachtet, wird er von Vermummten überfallen, kann die Angreifer jedoch mit der Hilfe von Johann zurückschlagen. Nachdem auch noch versucht wurde, Hugo zu vergiften, hecken die beiden einen Plan aus, um den Täter zu überführen. Könnte es Bertram sein, der die Macht an sich reißen will?

Schon im zweiten Abenteuer wirkt Peyos Stil gereifter, und die Figuren haben ihr endgültiges Aussehen erhalten. Erneut verbindet der Autor und Zeichner Action mit Intrigen und pfiffigen Plänen. Obwohl es bei den Kämpfen richtig zur Sache geht – natürlich gibt es keine Toten! –, kommt der Humor nicht zu kurz. Zwar können sich die Dialoge nicht mit denen in „Asterix“ messen, aber die Szenen sind witzig gemacht und ergänzen die Texte gelungen und nachvollziehbar.

„Der Kobold aus dem Felsenwald“ ist natürlich Pfiffikus, der erst im dritten Abenteuer sein Debüt gibt. Aber ist er wirklich ein magisches Wesen, wie die Dorfbewohner, denen er Streiche spielt, glauben? Johann erhält vom König den Auftrag, den Kobold zu fangen, ein Anliegen, das umso dringlicher wird, nachdem Prinzessin Anna entführt wurde und angeblich Pfiffikus der Übeltäter ist. Johann weiß es längst besser und will zusammen mit seinem neuen Freund die Wahrheit herausfinden.

Nicht nur führt Peyo eine neue, für die Handlung wichtige Figur (seine Lieblingsfigur) ein, sondern er erzählt auch eine komplexe, spannende Geschichte. Überdies gibt es ein Wiedersehen mit einem Schurken aus einem früheren Abenteuer. Warum Charaktere neu erfinden, wenn die Story mit bereits vorhandenen genauso funktioniert? Beim treuen Leser ruft das den Aha-Effekt hervor, und das Umfeld der Titelhelden wirkt vertraut und glaubwürdig. Johann und Pfiffikus teilen sich nun die Aufgaben: Der eine ist mutig und schmiedet kluge Pläne, der andere ist ein zuverlässiger, gewitzter Begleiter, der eher unkonventionell handelt. Die Humor-Kurve steigt dank Pfiffikus und seiner Ziege Ricki steil an.

„Johann und Pfiffikus“ ist eine Serie, die an „Prinz Eisenherz“, „Robin Hood“ etc. angelehnt ist, Spannung und Humor vermitteln will. Die Geschichten wirken auf den ersten Blick hin einfach ausgebaut und gezeichnet, doch während des Lesens stellt man schnell fest, dass immer neue Verwicklungen für Überraschungen sorgen und die Geschichten dadurch vielschichtiger und nur im Groben vorhersehbar sind.

In Folge eignen sich die Bände auch für jüngere Leser, die dem getragenen, nachvollziehbaren Erzählstil gegenüber dem überdrehten Action-Klamauk in Video-Clip-Optik den Vorzug geben.

Die schöne Sammlerausgabe ist jedoch an die erwachsene Leserschaft adressiert, die nicht nur die Geschichten lesen sondern auch etwas über ihren Hintergrund erfahren möchte. Für Comic-Freunde, die ein Herz für Serien wie „Die Minimenschen“, „Spirou und Fantasio“, „Die Schlümpfe“ und all die anderen francobelgischen Klassiker haben, ist „Johann und Pfiffikus“ geradezu ein Muss.