Jonas Wolf: Heldenwinter (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 15. Januar 2012 10:06
Jonas Wolf
Heldenwinter
Titelillustration von Alan Lathwell
Piper, 2012, Paperback, 508 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-492-26719-9 (auch als eBook erhältlich)
Von Carsten Kuhr
Was braucht man gemeinhin, um einen Fantasy-Bestseller zu schreiben? Nun, lassen Sie uns mal ganz scharf nachdenken: ein kleingewachsener Held mit einem magischen Ring, hm, dazu einen mächtigen, zauberkundigen Uralten der auch mit dem Schwert umzugehen versteht, natürlich einen angetrunkenen Zwerg und eine treffsichere Elfe – das erinnert auf den ersten Blick ein wenig an Tolkien und dessen Nachahmer. Was sich aber so anhört, als sei es eine simple Hommage an den „Herrn der Ringe“, das entfaltet, nach und nach, ganz eigene Kraft und Faszination.
Jonas Wolf hat sicherlich ein paar Anleihen beim Großmeister der Fantasy genommen – doch das haben viele seiner berühmten Kollegen auch. Er aber versucht uns dennoch eine eigene Geschichte zu erzählen. Eine Story, in der gelitten wird, Verrat droht, in der gekämpft und gezaubert, gestorben und verflucht wird, dass es eine wahre Pracht ist.
Wir lernen unseren kleinen Helden in seiner Heimat kennen. Abseits der großen Menschenreiche leben die Halblinge auf ihren Almen ein friedfertiges Leben. Das aber nur solange, bis die Talbewohner, angeführt von ihrem König und dessen Mann fürs Grobe, dem Ritter in Weiß, sie links liegen lassen. Dann aber bricht mit einem Mal die Realität auch über sie herein, die Mörder des Königs suchen einen Schatz.
Als Namakan und sein Pflegevater von einer Wanderung zurückkehren, finden sie auf ihrem Hof nur die geschändeten Leichen ihrer Liebsten wieder. Was aber können ein alternder Schmied und sein ungeschickter Pflegesohn schon gegen Willkür und Gewalt ausrichten? Wie sagt Namakan so treffend: „Was bin ich denn schon? Ein kleiner, halber Schmied mit einem dicken Bauch und haarigen Füßen, der glaubt, er könne dabei helfen, einen König zu töten“ (S. 225). Gut wenn man dann Freunde hat, die einem bei der Rache helfen. Und so machen sie sich auf in die Königsstadt, um allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz Gerechtigkeit zu üben – ein uralter, unsterblicher Recke, ein verwunschener Prinz, eine Elfe, ein betrunkener Zwerg, eine Hexe und ein Halbling mit zweifelhaftem Stammbaum…
Der Roman lässt sich mühelos in den Kanon der High-Fantasy-Titel in der Nachfolge von „Der Herr der Ringe“ einordnen. Dabei gelingt es dem Autor aber, eine eigenständige Version des Grundthemas vorzulegen. Sicherlich sind die Ingredienzien bekannt – ein junger Held zieht aus, gegen das Böse zu bestehen. Wie gewohnt sammelt er seine Gefährten um sich, versichert sich magischer Unterstützung, lüftet uralte Geheimnisse und trifft, zusammen mit seinem Mentor, im Finale auf den bösen Gegner.
Der Weg aber, den sein Autor ihn zurücklegen lässt unterscheidet sich ein wenig vom Üblichen. Zum einen ist unser Held ein dicklicher, etwas tollpatschiger Protagonist, dem die große Welt Angst bereitet. Statt, wie sonst gewohnt, mutig und aktiv voranzuschreiten, begleitet er seinen Meister auf dessen Rachefeldzug eher zögerlich, entreißt dem Pflegevater dabei nach und nach seine Geheimnisse, die dann die Welt und ihre Völker näher beleuchten. Man durchwandert unterschiedlichste Gegenden, trifft dabei auf verschiedene Völker oder zumindest deren Überreste und erfährt mehr über die Geschichte des Königreichs. Dass der so negativ gezeichnete König vom Volk verehrt wird, dass er für Wohlstand und Gerechtigkeit gesorgt hat und die feindlichen Barbaren zurückgeschlagen hat, macht nicht nur unseren Helden nachdenklich. Hier gibt es dann auch einen Bruch im Plot – im Finale reduziert sich die Auseinandersetzung wieder auf ein Gut gegen Böse. Hier hätte der Autor ein wenig differenzierter vorgehen können, ja angesichts der Fährten, die er gelegt hat, sollen.
Ansonsten ein packender High-Fantasy-Roman. gefüllt mit dem, was die Fans von derartigen Büchern erwarten: Abenteuerfantasy voller Spannung, Geheimnisse und Kämpfe.