Emilio Salgari: Der Schwarze Korsar (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 29. Oktober 2011 13:49
Emilio Salgari
Der Schwarze Korsar
Aventura Mediterranea 1
(Il Corsaro Nero)
Aus dem Italienischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Ralf Junkerjürgen
Illustrationen von Sven Arne Klinger
Ablit, 2011, Hardcover, 466 Seiten, 29,80 EUR, ISBN 978-3-935410-15-1
Von Carsten Kuhr
Mit dem Schwarzen Korsar liegt nach Jahrzehnten, in denen nur stark gekürzte und das Werk entfremdende Übersetzungen des Klassikers vorlagen, endlich eine werkgetreue Übersetzung von Emilio Salgaris Klassiker der Abenteuer-Literatur vor.
Die Vorgeschichte als solche ist bekannt. Die vier Brüder der Familie Ventimiglia, die zusammen mit dem Herzog von Savoyen für Frankreich gegen die verhassten Spanier kämpfen, werden in Flandern in einer Festung eingeschlossen. Angeführt vom flämischen Herzog van Gould suchen sie die weit überlegenen Gegner von einem Sturm der Feste abzuhalten. Als die Situation aussichtslos erscheint, nutzt van Gould die Chance, seinen Hals zu retten. Mit dem Versprechen eines Gouverneurstitel in der Neuen Welt und ausreichend Gold um seinen aufwendigen Lebenswandel aufrechtzuhalten, verrät er seine Kameraden und öffnet den Spaniern die Tore. Bei seiner Flucht wird er vom Ältesten der Ventimiglia-Brüder überrascht und schießt diesen nieder. Dessen Brüder schwören blutige Rache und machen sich auf, den neuen Gouverneur von Maracaibo zur Rechenschaft zu ziehen. An Bord dreier Schiffe greifen sie in der Maske des Roten, des Grünen und des Schwarzen Korsars die Spanier an und sorgen dafür, dass van Gould immer mehr in Bedrängnis gerät. Während seine Brüder bald von den Spaniern gestellt werden und am Galgen baumeln, entwickelt sich der Schwarze Korsar zum Schrecken der spanisch beherrschten Karibik. Zusammen mit den einzigen beiden Überlebenden Kämpfern des Roten Korsaren, den Flibustier Carmaux und van Stiller, beschließt der Schwarze Korsar seinen toten Bruder aus Maracaibo zu holen und diesem ein angemessenes Begräbnis auf hoher See zukommen zu lassen. Das gefahrvolle Unterfangen gelingt, bei der anschließenden Beisetzung seines Bruders schwört der Schwarze Korsar feierlich, alle Mitglieder der Familie van Gould zu töten.
Kurz danach entert seine Besatzung ein spanisches Schiff und nimmt die mitreisende Herzogin Honorata Willermann, Herzogin von Weltendrem, gefangen. Auf der Fahrt nach Tortuga kommen sich die Beiden näher.
In Tortuga, der Hochburg der karibischen Piraten, reift der Plan, Maracaibo zu überfallen und auszuplündern. Auch der Schwarze Korsar ist mit von der Partie, sieht er doch die Chance, endlich blutig Rache an Gouverneur van Gould zu nehmen. Die blutige Eroberung Maracaibos schließt sich an. Van Gould flieht, verfolgt durch den Schwarzen Korsaren durch den Dschungel in Richtung Gibraltar. Ständig bedrängt durch Indianer, wilde Tiere und dem lebensfeindlichen Klima kommt der Schwarze Korsar seinem Feind zwar immer näher, es gelingt ihm jedoch nicht, dessen habhaft zu werden. Als er enttäuscht auf sein Schiff zurückkehrt, wird Honorata als Tochter van Goulds entlarvt. Auch wenn es ihm das Herz bricht muss der Schwarze Korsar, um vor seinen Männern das Gesicht zu wahren, seinen Schwur einhalten und seine Liebste in einem Boot auf offenem Meer aussetzen…
Mit dem Schwarzen Korsar hat der italienische Autor eine der schillerndsten Figuren der Abenteuerliteratur geschaffen. Wie all seine Protagonisten hat Salgari seine Hauptfigur dabei als stolzen, tapferen und edlen Recken angelegt – als einen Mann, der seinem eigenem Verhaltenskodex folgt, der in diesem Rahmen ehrsam handelt und stolz und unbeirrt seinen Weg geht. Dass er dabei gleichzeitig ein tragisches Schicksal in Kauf nimmt verbindet ihn mit so vielen der Helden aus der Werkstatt Salagris.
Während wir seinem anderen Protagonisten Sandokan vor der Kulisse der malaiischen Inselwelt begegnen, nutzt er vorliegend die Karibik und dem venezolanischen Dschungel als faszinierende Bühne. Verbunden hat er die malerische Inselwelt der Karibik mit einer ebenso ergreifenden wie packenden Geschichte einer Rache. Auf den Leser warten dabei herrlich beschriebene Seegefechte, Kämpfe und Abenteuer satt. Da Donnern die Vorderlader, fliegen die Musketenkugeln und wird geentert, dass es eine wahre Freude ist. Damit nicht genug sorgt die letztlich tragische Liebesgeschichte für weiteren Reiz. Der Rezipient wird förmlich erschlagen von der Wucht der Beschreibungen, spürt den Pulverdampf und die feucht-heiße Atmosphäre des Dschungels vor dem ewig blauen Himmel der Karibik.
Mehrfach verfilmt lag eines der Hauptwerke des „italienischen Karl May“ – wobei diese medienwirksame Titulierung weder Autor noch Werk gerecht wird – bislang lediglich in mehreren stark bearbeiteten und gekürzten deutschsprachigen Ausgaben vor. Während die Salgari-Edition des Wunderkammer Verlags, die zum 100. Todestag des Autors für das Frühjahr ebenfalls eine ungekürzte Neuausgabe des Schwarzen Korsaren angekündigt hatte, den Leser weiter auf das Buch warten lässt, legt Ablit mit vorliegendem Band den ersten Titel seiner „Aventura Mediterranea“-Edition vor, in der die weiteren Titel des Zyklus’ in Vorbereitung sind.
Das Buch wurde von Salgari-Kenner Ralf Junkerjürgen neu übersetzt und mit einem ebenso informativen wie literatur-wissenschaftlich fundierten Nachwort versehen. Nun ist der Obolus, den der Käufer für das Werk zu berappen hat; nicht eben gerade gering. Dennoch ist das Buch im wahrsten Sinne des Wortes seinen Preis wert. Nicht nur die handwerklich vorbildliche Ausstattung mit Fadenheftung, hochwertigem Papier und illustriertem Leineneinband nebst Schutzumschlag, auch die vielen Innen-Illustrationen zeigen mit wie viel Herzblut und Engagement das Projekt vom Verlag und Herausgeber begleitet wurde.
Nicht nur die auf Kunstdruckpapier im Anhang beigegebenen Illustrationen der italienischen Erstausgabe verzücken dabei den Betrachter, auch die extra neu in Auftrag gegebenen kongenialen Zeichnungen aus der Werkstatt Sven Arne Klingers, die in ihrer bewusst groben Ausführung der Phantasie des Betrachters viel Raum lassen, dabei nicht nur Inhalt sondern auch die jeweilige Stimmung mustergültig umsetzen, machen die Lektüre zu einem Genuss.