Thomas Thiemeyer: Das verbotene Eden: David und Juna (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 29. Oktober 2011 13:36
Thomas Thiemeyer
Das verbotene Eden: David und Juna
Pan, 2011, Hardcover, 464 Seiten, 16,99 EUR, ISBN 978-3-426-28360-8 (auch als eBook erhältlich)
Von Irene Salzmann
Nachdem Pharmakonzerne ein Virus entwickelten, dessen Gegenmittel sie teuer verkaufen wollten, gerät die künstliche Seuche prompt außer Kontrolle. Das Virus mutiert und macht Männer und Frauen zu Todfeinden. Die Zivilisation versinkt in Krieg und Chaos.
Jahrzehnte später scheinen die Überlebenden zu einer Einigung gekommen zu sein, um den Fortbestand ihrer Art zu sichern: Während die Männer die Reste der alten Technologie und die schwindenden Ressourcen kontrollieren, halten sich die Frauen an die Natur, betreiben Ackerbau und Viehzucht. In regelmäßigen Abständen müssen sie Tribut in Form von Lebensmitteln und empfängnisbereiten Frauen an die Männer zahlen, um den brüchigen Frieden zu wahren.
Doch wegen Ereignissen, die lange zurück liegen, will Marcus Capistranus, der Inquisitor, den totalen Krieg und erlaubt den Kriegern der Heiligen Lanze, die Verträge zu brechen. Die maskierten Männer überfallen die Dörfer, plündern, brandschatzen, vergewaltigen und morden. Als sich die Frauen wehren, denn auch unter ihnen gibt es viele, die Schreckliches durchmachen mussten und der Ansicht sind, dass man die Männer ausrotten und nur einige Sklaven für die Zeugung von Kindern übrig lassen sollte, scheint der Inquisitor sein Ziel erreicht zu haben.
Womit er nicht rechnete, ist das unverhoffte Verständnis füreinander und das Keimen von Gefühlen zwischen dem Mönch David und der Brigantin Juna. Als Juna feststellt, wie grausam die Hardliner unter den Frauen Gefangene behandeln, setzt sie ihre eigene Zukunft aufs Spiel, um den jungen Mann, der die erhofften Informationen nicht geben kann, zu retten.
Kann es sein, dass die alten Geschichten wahr sind, die behaupten, dass Frauen und Männer früher zusammengelebt haben und dass das Virus seine Kraft verloren hat? Aber wer wird ihnen glauben? Und wie kann der furchtbare Krieg verhindert werden, bei dem der Inquisitor eine geheime Maschine einsetzen will, gegen die die Frauen nicht die geringste Chance haben?
Frauen gegen Männer – das Thema ist alles andere als neu in der SF. Man denke an Filme wie „Sumuru – Planet der Frauen“ oder TV-Serien wie „Die Mädchen aus dem Weltraum“, an Romane wie Lothar Streblows „Planet der bunten Damen“ und vieles andere mehr. Gerne beschreiben die Autoren ein Endzeit-Szenario, in dem die Frauen die Herrschaft übernahmen – das Gegenteil von der realen Gegenwart, die von Männern dominiert wird –, ein scheinbar friedliches System etablierten, wäre da nicht ein negativer Aspekt, nämlich die Unterdrückung der ‚armen Männer‘. Natürlich wird im Laufe der Handlung festgestellt, ohne sie geht es nicht. Ein Mann und eine Frau verlieben sich ineinander und zetteln eine Revolution an, nach der die ursprünglichen Verhältnisse wieder hergestellt sind.
Nicht viel anderes passiert in „David und Juna“, dem ersten Teil der „Das verbotene Eden“-Serie. Der Leser wird in eine nicht allzu ferne Zukunft entführt, in der sich die Frauen einem esoterisch angehauchten Göttinnen-Kult zuwandten und auf die Stufe von eisenzeitlichen Ackerbauern und Vierzüchtern zurückgefallen sind (wobei nie thematisiert wird, wie es ihnen – ohne moderne Technik – möglich ist, architektonische Meisterleistungen zu vollbringen und nicht stumpf werdende Schwerter herzustellen, mit denen man sogar noch kämpfen kann, nachdem man Unmengen Gestrüpp aus dem Weg hackte).
Die militanten, vorgeblich christlich orientierten Männer, die ein mittelalterliches Niveau (Hexenverfolgung) zu halten versuchen, hausen in verfallenden Städten (Köln), haben sämtliche Überreste der alten Zivilisation gehortet, verfügen jedoch nicht über die Kenntnisse, die alten Anlagen und Maschinen dauerhaft funktionsfähig zu halten und doch benutzen sie Autos und Motorräder, die wenigstens 60 Jahre alt sind (wer selber einen Oldtimer beziehungsweise einen älteren Wagen besitzt, weiß, wie viel Pflege dieser braucht, dass es zum Beispiel nach einem altersbedingten Getriebeschaden nicht mehr viel zu reparieren gibt, von der Elektronik ganz zu schweigen, und rust never sleeps …).
Der Autor spielt, was das Setting betrifft, mit Motiven, wie sie von der breiten Masse erwartet werden.
Auch die Charaktere entsprechen gängigen Archetypen, die so agieren, wie man es sich wünscht: Juna ist die aufrechte Kriegerin, die sich nicht länger ausbeuten lassen, sondern wehren will, nachdem die Übergriffe der Männer zunehmend schlimmer werden. Aber sie kann differenzieren und begreift, dass nicht alle Männer automatisch ‚böse‘ sind und Feinde sein müssen. Auch auf Seiten der Frauen passieren Dinge, die nicht richtig sind. In Konsequenz trifft sie eine folgenschwere Entscheidung.
David ist ihr männliches Gegenstück. Er wuchs behütet in einem Kloster auf, lernte lesen und schreiben, erfreut sich heimlich an ‚verbotenen Büchern‘ wie „Romeo und Julia“, aus dem regelmäßig zitiert wird und das praktisch den jungen Leuten hilft, einen ersten gemeinsamen Nenner zu finden. Leider muss David ‚jemand Besonderes‘ sein. Er wird zum Retter beziehungsweise Erneuerer aufgebaut – etwas halbherzig, vielleicht weil der Autor dies auf Verlangen des Verlags einfügte? Der Protagonist erkennt gleichfalls, dass der Weg des Inquisitors falsch ist und Frauen keine verachtenswerten Hexen sind.
Juna und David ist klar, dass sie als Paar weder bei den Frauen noch bei den Männern Aufnahme finden werden und man ihnen misstrauen wird. Doch irgendwo im Westen gibt es die mysteriöse Zuflucht, in der angeblich beide Geschlechter zusammenleben. Bevor sie dorthin aufbrechen, wollen sie noch den totalen Krieg verhindern, zu zweit gegen zwei Armeen. Und hier trägt der Autor wirklich dick auf. Die beiden setzen natürlich die geheime Maschine des Inquisitors ein. Sie funktioniert, David kann sie bedienen, der simple Plan geht auf. Wie schön!
Zweifellos ist Thomas Thiemeyer ein unterhaltsamer Schmöker gelungen, dessen Lektüre vor allem jungen Genre-Fans Spaß machen wird, während das reifere Publikum wohl so manches Mal eine Braue hoch ziehen dürfte. Die Handlung verläuft einfach zu glatt, ist zu vorhersehbar, um Spannung aufkommen zu lassen. Die Hauptfiguren wirken ‚naiv-gut‘ und müssen nicht allzu viele Hürden nehmen. Ihre Gegenspieler sind ‚eindimensional böse‘, allen voran der Inquisitor, Davids Jugendfreund und die Ratsherrin, die Junas Mutter entmachten will. Die Romanze von David und Juna bleibt clean und geht über ein paar Küsschen nicht hinaus; auch auf die Beziehungen zwischen den Frauen beziehungsweise zwischen den Männern wird nicht weiter eingegangen.
„David und Juna“ darf man Lesern zwischen 12 und 18 Jahre empfehlen, die noch nicht viel auf dem Gebiet der Endzeit-SF gelesen haben und gespannt sein werden, was auf die Protagonisten noch zukommen mag, wenn sie sich auf die Suche nach der Zuflucht begeben. Die Weichen für die Fortsetzung sind gestellt.