Sigrid Lenz: Illusionen (Buch)

Sigrid Lenz
Illusionen
Titelgestaltung von Tatjana Meletzky
AAVAA, 2010, Paperback, 172 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-86254-213-0 (auch als eBook erhältlich)

Von Irene Salzmann

Samuel und der zehn Jahre jüngere Cem waren nicht nur Kollegen, angestellt beim gleichen Sicherheitsdienst, sondern auch ein Paar – bis Cem getötet wurde, als er Juwelendiebe aufzuhalten versuchte. Über diesen Verlust kommt Samuel einfach nicht hinweg, was auch daran liegt, dass ihm Cems Geist regelmäßig erscheint und mit ihm spricht.

Daran ändert sich auch nichts, als Samuel seinem neuen Partner Antonio näherkommt. Samuel ist verwirrt, denn er fühlt sich noch nicht bereit für eine neue Liebe – und ist der attraktive Latino wirklich interessiert? Oder ist das bloß ein Missverständnis, und es geht ihm um etwas völlig anderes?

Die Geschichte, die Antonio schließlich erzählt, handelt von seiner Frau Alexandra, die sich immer mehr dem Okkulten hingab und nach einem Überfall tot – und ohne einen Tropfen Blut im Körper – aufgefunden wurde. Antonio ist davon überzeugt, dass es Parallelen bei beiden Fällen gibt. Samuel hingegen sieht keinerlei Zusammenhänge, aber seine Zweifel sind geweckt, und er folgt einer vagen Spur bis zu einer Bar mit sehr seltsamen Gästen und einem noch seltsameren Besitzer. Von da an wird es für Samuel immer schwieriger, zwischen der Realität und seinen Träumen zu trennen, und er beginnt sich selbst und seine Identität zu verlieren…

„Illusionen“ ist kein Mystery- oder Vampir-Roman wie die meisten anderen Titel, die innerhalb dieses Genres erscheinen. Das liegt allerdings nicht an der greifbaren, wenn auch vorsichtig beschriebenen Homo-Erotik, die ohne deftige Schilderungen und Worte auskommt, sondern an der Handlung und an den Charakteren.

Die Geschichte beginnt zunächst wie ein bodenständiger Thriller: Ein Sicherheitsbeamter hat seinen Partner und Lover verloren, die Täter sind entkommen, Fall abgeschlossen – und er ist untröstlich. Dann fließen bereits die Mystery-Elemente hinein, und es werden stetig mehr, denn Samuel erscheint regelmäßig Cems Geist, die blutleere Leiche einer angeblichen Hexe wird gefunden, die Personen, die mit der Toten zu tun hatten, scheinen mehr zu wissen, als sie verraten, und Samuel rutscht immer tiefer in deren mysteriöses Milieu hinein und verliert sich zunehmend. Was ist real, was sind „Illusionen“? Das fragen sich Samuel und auch der Leser. Die Autorin bietet keine Patentlösung, sondern überlässt es dem Einzelnen, sich einen Reim auf die bizarre Handlung zu machen, deren Schluss noch einmal überrascht.

Sigrid Lenz’ Stil ist angenehm; man merkt ihr die Routine an, denn sie veröffentlichte bereits mehrere Romane in den Bereichen Phantastik und Homo-Erotik mit fließenden Grenzen. Dank eines Lektors ist der Roman fehlerfrei. Layout und Satz sind gefällig. Der AAVAA Verlag bietet den Titel als Paperback mit normaler und extra großer Schrift, als Mini-Buch und als eBook an.

Schätzt man die Kombination von Mystery und Gay Romance, sollte man dem Titel eine Chance geben. Anders als die populäre japanische Spielart Boys Love und der westliche Shlash, die überwiegend an ein weibliches Publikum adressiert sind, spricht Sigrid Lenz auch die männliche Leserschaft an, die dem Thema nicht abgeneigt ist.