Freakangels 2 (Comic)

Freakangels 2
(Freakangels Volume 2 TPB)
Autor: Warren Ellis
Illustrator: Paul Duffield
Übersetzung: Kerstin Fricke
Panini, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 152 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-386201-083-7

Von Frank Drehmel

Für die elf Freakangels, welche über Whitechapel, einen der wenigen nicht im Meer versunkenen Stadtteile Londons, wachen, stehen schwerwiegende Entscheidungen an; doch zuvor führt Connor die aus der mentalen Kontrolle Marks – des zwölften und verstoßenen Bruders – befreite Alice in den Kreis der außergewöhnlich begabten Menschen ein, wobei die Mitglieder der Gruppe dem normalen Mädchen unterm Strich eher ambivalent gegenüberstehen.

Als ihr gemeinsames Mahl in der sogenannten Freakhöhle, an dem wie üblich nicht alle „Familienmitglieder“ teilnehmen, aus heiterem Himmel von außerhalb des Stadtteils mit Mörsergranaten beschossen wird, ist es nur ihren Geisteskräften zu verdanken, dass keine Toten zu beklagen sind. Als zudem Fremde in das Territorium eindringen, schlagen die Angels nicht nur blutig zurück, sondern tragen den nicht gewollten Krieg zum unbekannten Gegner außerhalb Whitechapels und sind müssen entsetzt feststellen, dass es sich bei dem Feind um Menschen handelt, die – von Krankheiten und Entbehrung gezeichnet – schlichtweg keine andere Möglichkeit als Raub gesehen haben, um selbst zu überleben. Damit taucht in der Gruppe der Freaks die Frage nach ihrem weiteren Vorgehen auf, wobei zwei Meinungen aufeinanderprallen: während die einen – zum Beispiel Kaitlyn – dafür plädieren, hart durchzugreifen und ein Exempel zu statuieren, plädieren andere wie Miki dafür, die Flüchtlinge aufzunehmen, was schlussendlich nicht nur in der Frage gipfelt, ob sie ihre mentalen Fähigkeiten bisher überhaupt sinnvoll und sinnstiftend eingesetzt haben, sondern auch ihre eigene Verantwortung für den postapokalyptischen Zustand in den Fokus rückt.

Erfreulicherweise knüpft dieses zweite Tradepaperback in jeder Hinsicht an den Vorgängerband an. Erneut stehen ganz die Figuren im Zentrum des Geschehens; ihrem Befinden, ihren Lebens-Philosophien und den internen Konflikten gilt die Aufmerksamkeit des Autors, wobei es Ellis nahezu mühelos gelingt, jeden der Protagonisten als eigenständigen, durchaus ambivalente Charakter nicht zuletzt dadurch zu etablieren, dass keine absolut dominierende Figur existiert, sondern jeder der zwölf – elf Freakangels und Alice – seine eigenen, starken Momente hat. Obgleich ruhige zwischenmenschliche Interaktionen und Dialoge das bestimmende Moment sind und Action nur am Rande vorkommt, ist die Geschichte nicht nur hochspannend, sondern auch in ihrer Intensität beeindruckend dynamisch, befördert von einer unterschwelligen Bedrohlichkeit sowohl der allgemeinen Situation, als auch einzelner Figuren wie Luke, dem Tagedieb, Jack, dem Abenteurer, oder Kaitlyn, der Polizistin des Teams.

Paul Duffields vielschichtiges Artwork, das in seinem Aufbau geradezu streng formalistisch wirkt, transportiert mit seinen klaren Zeichnungen, den exzentrisch und eigentümlich naiv visualisierten Figuren und dem Detailreichtum, der nicht in der Darstellung von Überflüssigem besteht, sondern in präzise und überlegt verwendeten Bildelementen, in Verbindung mit der gleichermaßen düsteren wie klaren Koloration perfekt eine surreale Stimmung, ein Gefühl der (Sinn)Leere, der Bedrohung, der Kälte und Isolation des Einzelnen und gehört für mich zum Besten, was der amerikanische Comicmarkt bietet und in den letzten Jahren geboten hat.

Fazit: Vielschichtige Akteure in einer kalten, bedrohlichen Welt. Alleine schon wegen des kongenialen Artworks das Highlight im aktuellen Panini-Programm.