Andrea Cremer: Die Wächter – Nightshade 1 (Buch)

Andrea Cremer
Die Wächter
Nighshade 1
(Nighshade)
Titelillustration von Suza Scalora
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michaela Link
Lyx, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 378 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-8025-8381-0 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Wir kennen sie mittlerweile zu Genüge: die Werwolfrudel mit ihrem Alpha an der Spitze, die ihre Beute gnadenlos verfolgen, jagen und zur Strecke bringen. Dem Alpha wird bedingungsloser Gehorsam geschuldet, die Werwölfinnen stehen zumeist dem ganzen Rudel zur Verfügung und bei Vollmond ruft die Natur. Andrea Cremers Erstling bedient sich zwar auch der wölfischen Gestaltwandler, setzt aber ganz andere, frische Akzente. Nicht etwa der Mond bestimmt den Gestaltswechsel sondern die mysteriösen Hüter bestimmen despotisch über Leben und Glück der Rudel.

Vorhang auf für unsere Protagonistin. Calla Tor ist seit Jahren dazu auserkoren, an ihrem 18. Geburtstag Ren Laroche, das Alphamännchen der Banes, zu heiraten und mit ihm zusammen ein neues Rudel anzuführen. Unpassend ist dabei nur, dass sie Shay, einen jungen Menschen, rettet. Statt wie bislang den Befehlen der Hüter blind zu gehorchen, verführt Shay sie zu etwas Undenkbarem, Verwerflichem – sie lernt selbstständig zu denken. Innerlich hin und hergerissen zwischen den beiden Männern in ihrem Leben, hinterfragt sie zusehends die Rolle, die vorgeblich das Schicksal, in Wirklichkeit aber die Hüter, ihr zugedacht haben. Wer hat die Hüter überhaupt ermächtigt, derartig absolut über die Rudel zu verfügen, wo bleibt die Selbstbestimmung, das Recht auf eigene Entscheidungen und letztlich das persönliche Lebensglück?

Der Auftaktband zu einer – wie kann es auch anders sein – neuen Serie spielt im weiteren Sinne im phantastischen Romance-Jugendbuchbereich. Anders als viele der Reihen aber greift die Autorin, verpackt in eine faszinierende Handlung, wichtige Themen auf. Da geht es plötzlich um Fremd- beziehungsweise Selbstbestimmung, um Obrigkeitsgläubigkeit, um die Rebellion gegen – totalitäre – Autoritäten und um Emanzipation, insbesondere auch was die Wahl des Partners anbelangt. Das ist starker Tobak und im Sub-Genre beileibe nicht üblich. Umso erfreulicher, dass die Autorin sich nicht scheut, diese schwierigen Themen anzuschneiden und in eine einfühlsam beschriebene Geschichte verpackt ihren Leserinnen zu präsentieren. Daneben verwöhnt sie diese mit einer eigenständigen Ausgestaltung ihrer Werwölfe. Vorbei ist es mit den Vollmond anheulen, stattdessen hat sie sich so Einiges an eigenständigen Verhaltensformen und Rudelverhalten überlegt. Insoweit ein Buch, das aus dem Werwolf-Allerlei heraussticht, das sich inhaltlich an eine jüngere, vornehmlich weibliche Zielgruppe richtet und für diese neben Herz-Schmerz auch durchaus überlegenswerte Gedanken bereithält.