Vesper Chronicles (BD)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 04. April 2025 01:03

Vesper Chronicles
Litauen/Frankreich/Belgien 2022, Regie: Kristina Buozyte und Bruno Samper, mit Raffiella Chapman, Eddie Marsan, Rosy McEwen u. a.
Rezension von Elmar Huber
Aufgrund massiver Eingriffe in die Gen-Struktur von Viren wurden essbare Pflanzen, Tiere und der Großteil der Menschheit ausgelöscht. Die verbleibende Elite (die es sich leisten kann) lebt abgeschottet in sogenannten Zitadellen, die normale Bevölkerung vegetiert mehr oder weniger sich selbst überlassen am Erdboden. Um überhaupt Nahrungsmittel zu bekommen, tauschen sie mit den Zitadellen Blut gegen Saatgut, das jedoch nur einen Ernte-Zyklus Früchte trägt.
Die junge Vesper (Raffiella Chapman: „His Dark Materials“), die mit ihrem gelähmten Vater in einer Waldhütte lebt, stellt eigene Bio-Experimente an, um den genetischen Code der Samen zu entschlüsseln und dauertragende Exemplare zu züchten. Als in der Nähe ihrer Behausung ein Gleiter mit zwei Zitadellen-Bewohnern abstürzt, gelingt es Vesper, das Mädchen Camellia (Rose McEwen: „The Alienist - Die Einkreisung“) zu retten, ihr Vater stirbt.
Camellia verspricht ihrer Retterin Hilfe für sie und ihren Vater, wenn es Vesper gelingt, die Zitadelle zu kontaktieren und Hilfe zu rufen. Gefahr droht jedoch von Seiten ihres zwielichtigen Onkels Jonas (Eddie Marsan: „Happy-Go-Lucky“, „The Gentlemen“), der eine Art Kommune leitet und seine selbstgeschaffene Herrschaftsstellung durch Vespers Bemühungen in Gefahr sieht.
Die litauischen Filme-Macher Kristina Buozyte und Bruno Samper („Vanishing Waves“) erzählen mit „Vesper Chronicles“ eine große Geschichte im Kleinen. Wie oftmals in Dystopien geht es um ein weit auseinanderklaffendes Klassensystem, wobei man hier nur die untere Klasse anhand der 13jährigen Vesper und ihrem allernächsten Umfeld kennenlernt. Ebenfalls gibt es das Genre vor, dass diese ungewöhnliche Heldin sich nicht mit dem Status quo zufriedengibt. Statt jedoch Revolution und Kampf zu suchen, benutzt sie ihre geistigen Fähigkeiten, um die Erde auf lange Sicht wieder zu einem fruchtbaren und lebenswerten Ort zu machen.
Drehorte waren vorwiegend die freie Natur; ein Großteil der Szenen spielt sich in einem Waldgebiet ab, das filmisch hervorragend eingesetzt wird. Die im Trailer angekündigten großen Schauwerte, die die mechanisch-organisch anmutenden riesenhaften Zitadellen auf ihren Tentakelbeinen (H. R. Giger und Simon Stalenhag lassen grüßen) zeigen, sind nur marginal vorhanden. Doch auch die exotisch-futuristischen Pflanzen, die Vesper in ihrem versteckten Bio-Labor züchtet, bieten einiges fürs Auge und einen schönen Kontrast zur ansonsten erdigen Optik des Films.
Wer mal eine etwas andere Dystopie sehen will, die es nicht notwendig hat, fehlende Substanz mit halbgarer Action zu überspielen, der ist mit „Vesper Chronicles“ bestens bedient.