Marion Merkelbach: Der Insel Code X (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 24. Februar 2025 16:21
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Marion Merkelbach
Der Insel Code X
MHM, 2024 Paperback, 200 Seiten, 13,00 EUR
Rezension von Christel Scheja
Marion Merkelbach hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte des Frühmittelalters auf eine Weise zu erwecken, wie es wohl kaum einer tut. Denn sie stellt nicht die Dramen in den herrschenden Häusern in den Mittelpunkt, sondern auch die gesellschaftlichen Veränderungen, an denen die Kirche nicht wenig Anteil hatte. Das zeigt sich auch in „Der Insel Code X“.
Der junge Mönch Strabus wächst im Inselkloster Reichenau auf und weiß seinen klugen Lehrmeister Wetti sehr zu schätzen, will dieser ihn doch in interessante Geheimnisse einweihen - aber bevor es dazu kommt, stirbt der alte Mann unter seltsamen Umständen.
Er selbst aber wird in die Intrigen um die junge Kaiserin Judith verwickelt, die wie einst Wetti und nun er für die Freiheit des Geistes, der Gefühle und Gedanken kämpft, die jedoch immer mehr von den Mächtigen unterdrückt werden und einer neuen Ordnung weichen sollen.
Das neunte Jahrhundert ist nicht nur politisch eine Zeit der Umbrüche, denn das Reich Karls des Großen löst sich immer mehr in seine Einzelteile auf. Die Herrschenden kämpfen um Macht und Einfluss, manchmal sogar Familien unter sich. Gleichzeitig aber streckt auch die römische Kirche immer mehr ihre Hände nach Mitteleuropa aus, dessen Glaubensgemeinschaften noch von den viel freieren Auslegungen und Gedanken der irischen Missionare geprägt sind. Denn diese räumen auch Frauen noch eine ganz andere Rolle in der christlichen Religion ein und leben das Recht, sich seine eigenen Gedanken über Gott, Jesus und die Kirche zu machen. Aber dem soll ein Ende bereitet werden, auch wenn Menschen wie Judith und Strabus im Zeichen der Wahrheit, die noch mit dem mystischen Zeichen „X“ verbunden sind, dagegen ankämpfen und die alten Werte zu bewahren suchen.
Ihrer beider Lebensgeschichte wird von der Autorin vielleicht etwas nüchtern geschildert, aber damit macht sie auch auf die Veränderungen aufmerksam, denen sich die Beiden stellen müssen und die Wege, dieses geheime Wissen verschlüsselt weiterzugeben. Sie beruft sich auf ausführliche Recherchen und genaue Betrachtungen scheinbar unbedeutender Kunstwerke, die die Zeit überdauert haben und öffnet damit die Augen, dass der christliche Glaube auch einmal ganz anders ausgesehen hat, und warum diese Welt mit ihren auch für Frauen positiveren Werten untergehen musste.
Das macht durchaus nachdenklich und auch ein wenig traurig, aber Bücher wie dieses, wecken vielleicht auch den Willen und das Interesse, heutige Glaubensgrundsätze in Frage zu stellen und vielleicht neu zu definieren. Immerhin war im neunten Jahrhundert der Zölibat eine ganz freiwillige Sache und nicht Pflicht.
„Der Insel Code X“ steht ganz in der Tradition von „Wahrheit und Irrtum“ und weiteren Romanen der Autorin, die ein ganz anderes Bild von der Kirchengeschichte rund um den Bodensee zeichnen als heute bekannt. Auch dieser Roman erzählt von den Geheimnissen und Werten, die gerade in diesen Jahrhunderten einen traurigen Wandel durchmachen mussten und hilft dabei die freiheitlicheren Vorstellungen der früheren, zumeist irisch geprägten Glaubensgemeinschaften wieder in die Erinnerung zurückzurufen.